1    Einleitung und Überblick

I wanted to work for a company that cared deeply about me, so I employed myself. – Justin Welsh, Solopreneur und Autor

Viele IT-Expertinnen und -Experten bemerken seit einigen Jahren, dass ihre Expertise am Arbeitsmarkt stark nachgefragt wird. Sie erhalten fortlaufend Anfragen von Headhuntern über Business-Netzwerken und via E-Mail. Zudem wird in den Medien kontinuierlich von Fachkräftemangel, insbesondere im Technologiebereich, gesprochen. Unternehmen benötigen umfangreiches IT-Fachwissen, um die Digitalisierung der eigenen Prozesse und die Erschließung neuer Geschäftsmodelle voranzutreiben. So steht IT-Experten aktuell bei der Arbeitgeberwahl eine große Auswahl verschiedener Unternehmen in unterschiedlichen Branchen zur Verfügung.

Motivierte IT-Experten wissen jedoch, dass sie sich und ihre Fachkenntnisse permanent weiterentwickeln müssen, um sowohl für das Tagesgeschäft als auch für den Arbeitsmarkt relevant zu bleiben. Bestehende Technologien entwickeln sich in rasantem Tempo weiter, und gänzlich neue Felder entstehen in kurzer Folge: Das Feld der künstlichen Intelligenz (KI) stellt hier sicher aktuell das beste Beispiel dar. Weiterentwicklung ist also ein integraler Bestandteil nahezu aller IT-Berufsfelder.

Oft stellt sich aber nach zwei bis drei Jahren beruflicher Praxis in einem Unternehmen ein gewisser »Ermüdungseffekt« bei den festangestellten Mitarbeitern ein, der den Betriebsabläufen großer Unternehmen geschuldet ist: Bestehende Anwendungen sollen möglichst wenige Anpassungen erfahren – getreu dem Motto never change a running system – und in der Vergangenheit zugekaufte oder selbst entwickelte Systeme müssen lediglich gepflegt und betrieben werden. Die Einführung neuer Technologien oder die Überarbeitung bestehender Systeme ist für Großunternehmen meist mit Risiken verbunden. Ein zunächst höherer finanzieller Aufwand, die Schulung des Personals und die Etablierung neuer Arbeitsabläufe führen dazu, dass Modernisierungen oft nicht oder nur zögerlich durchgeführt werden. Das Unternehmensziel der unterbrechungsfreien Fortführung der Bestandssysteme mit dem bereits geschulten Personal kollidiert hier mit dem Bedürfnis nach Weiterbildung des IT-Personals. Zur weiteren Risikominimierung werden diese für das IT-Personal interessanten Projekte oftmals an externe Teams oder Abteilungen ausgelagert, da die bestehenden IT-Mitarbeiter ja bereits mit der Bestandspflege der Altsysteme beschäftigt sind.

Kurz: Aus Sicht eines festangestellten IT-Experten stagniert die eigene Weiterentwicklung, und der Job wird zunehmend eintönig. Die Möglichkeiten für Gehaltssteigerungen sind folglich limitiert. Oftmals nehmen auch mit zunehmender Betriebszugehörigkeit die Themen Firmenpolitik und Regulatorik einen immer größeren Anteil der Arbeitszeit in Anspruch. Besonders das erste Thema führt bei IT-Experten, die sich überwiegend mit fachlichen Aufgaben beschäftigen möchten und keine Karriere im Management anstreben, zu Unzufriedenheit.

Sicher hast du schon mal von IT-Freiberuflern gehört oder gelesen, die sich neue und spannende Projekte (aus-)suchen können und damit ihre eigene Weiterentwicklung selbst in der Hand haben und gestalten können. Sie werden an ihren Ergebnissen gemessen, und Firmenpolitik spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Dieses Buch zeigt einen erwiesenermaßen zielführenden und häufig beschrittenen Pfad auf, wie man vom festangestellten IT-Experten zu einem selbstständigen IT-Freiberufler werden, Projekte auswählen und bei einem Unternehmenskunden im Projekt starten kann. Zuvor wird die Frage geklärt, ob man sich mit dem IT-Freiberufler-Mindset identifizieren kann. Anschließend unterstützt dich das Buch dabei, deine eigenen Fähigkeiten am Markt ansprechend darzustellen, Projektgespräche erfolgreich zu führen und letztlich alle notwendigen rechtlichen Schritte in die Wege zu leiten, damit die Arbeit als IT-Freiberufler von Beginn an ein voller Erfolg wird.

IT-Freiberufler zu werden ist eine bewusste Entscheidung, die unterschiedliche Beweggründe haben kann. Selbst erlebt habe ich folgende:

• Fach- statt Managementkarriere: Die hoch spezialisierte Arbeit an fachlichen Aufgaben steht im Mittelpunkt. Dabei soll jedoch auch die Gehaltsstufe eines IT-Managers erreicht werden, ohne dass Personalverantwortung übernommen werden muss.

• Vielfältige Aufgaben: Die Arbeitsaufgaben und die eingesetzten Technologien sollten abwechslungsreich und zugleich fordernd sein. Mehrere Kunden unterschiedlicher Branchen tragen darüber hinaus zur Abwechslung bei. Ein Nebeneffekt bei dieser Arbeitsweise ist die finanzielle Absicherung durch Einkommensdiversifikation bei der Arbeit für mehrere Kunden.

• Einstieg ins Unternehmertum: Die Tätigkeit als IT-Freiberufler stellt oft einen Zwischenschritt auf dem Weg zum Aufbau eines Unternehmens, etwa im Bereich der IT-Beratung, dar.

• Flexible Arbeitszeiteinteilung: Vornehmlich von zu Hause aus im eigenen Büro arbeiten und dort mehr Zeit mit den Kindern und der Familie verbringen zu können wird für immer mehr Menschen wichtig.

• Ortsungebundenheit: Von zu Hause oder vom anderen Ende der Welt aus arbeiten ist möglich und kann vielfach frei gewählt werden.

Als IT-Freiberufler, der seinen persönlichen Lebensentwurf lebt und dadurch mehr Lebensfreude erfährt, wirst du aufgrund deiner intrinsischen Motivation produktiver sein und qualitativ hochwertigere Arbeitsergebnisse abliefern. Schauen wir uns also genauer an, was es bedeutet, IT-Freiberufler zu sein.

1.1    Das Berufsbild des IT-Freiberuflers

Wie oben bereits kurz angesprochen, gibt es ganz unterschiedliche Gründe, warum zahlreiche IT-Experten darüber nachdenken die Festanstellung zu verlassen und sich als IT-Freiberufler selbstständig zu machen. Oft haben diese Menschen einige Jahre Berufserfahrung in Großunternehmen sammeln können und möchten nun die Gestaltung ihrer beruflichen Zukunft selbst in die Hand nehmen. Das Berufsbild eines IT-Freiberuflers ist vielfältig und hängt maßgeblich von verschiedenen Faktoren wie der eigenen Persönlichkeit, der Berufserfahrung und der individuellen Lebensgestaltung ab.

Neben den eingangs erwähnten Beweggründen haben IT-Freiberufler häufig folgende persönliche Motive:

• Unabhängigkeit: Sie schätzen ihre Unabhängigkeit und die Freiheit, selbst Projekte und Kunden auswählen zu können. Sie sehen sich als selbstständige Unternehmer, die ihren Karrierepfad selbst gestalten und keine vorgegebene Karriereleiter eines Unternehmens erklimmen möchten.

• Fachexperten: Sie besitzen eine hohe intrinsische Motivation für die Aneignung bestimmter Expertenthemen – wie IT-Security, Softwarearchitektur, Softwareentwicklung, Spezialwerkzeuge, Open-Source-Software, Datenstrukturen, datenbasierte Anwendungen, IT-Systeme und Cloud-Infrastrukturen, Netzwerksysteme und ‐technologien, künstliche Intelligenz usw. – und beschäftigen sich intensiv mit diesen. Hobby und Beruf liegen hier oft dicht beieinander. Wegen ihrer Leidenschaft sind sie oft Experten ihres Fachs und stolz darauf, Lösungen für komplexe Probleme entwickeln zu können.

• Flexibilität: IT-Freiberufler schätzen die Flexibilität, ihre Arbeitszeiten und Projekte weitgehend an ihre eigenen Vorlieben anpassen zu können. Ob Viertagewoche, Arbeiten aus dem Ausland, Nacht- oder Wochenendarbeit oder monatelange Reisen zwischen den Projekten: Die Freiheit und die Flexibilität des Projektgeschäfts machen dies möglich. Da meist nur das Ergebnis zählt, lässt sich die Arbeit weitestgehend auf den eigenen Biorhythmus abstimmen.

• Eigenverantwortung: Da sie als Einzelunternehmer arbeiten, tragen IT-Freiberufler die vollständige Verantwortung für ihre eigene berufliche Existenz. Sie müssen ihre Fähigkeiten vermarkten, passende Projekte finden, Kundenbeziehungen pflegen und fortlaufend ihren eigenen Geschäftserfolg sicherstellen. Verantwortliches Handeln bedingt wiederum konstante persönliche Weiterentwicklung.

• Lernbereitschaft: Die IT ist ein sich ständig (weiter-)entwickelndes Feld und viele Freiberufler sehen sich selbst als lebenslang Lernende. Ihr Selbstbild ist eng verknüpft mit der Bereitschaft zur kontinuierlichen Weiterbildung und Anpassung an neue Technologien. Die persönliche Weiterentwicklung ist ihnen dabei ebenso wichtig wie die fachliche.

• Netzwerker: Das Aufbauen und Pflegen von Beziehungen zu Kunden, Kollegen und anderen Fachleuten der jeweiligen Branche ist ein wichtiger Bestandteil für langfristigen Erfolg. Meist ergeben sich aus der Zusammenarbeit in Projekten mit anderen...