Code (eBook)
472 Seiten
MITP Verlags GmbH & Co. KG
978-3-7475-0630-1 (ISBN)
Charles Petzold gilt im Bereich der Windows-Programmierung als Legende. Er war viele Jahre als Programmierer und Autor für das PC Magazine tätig und seine 1986 im Microsoft Systems Journal veröffentlichte Anleitung zur Programmierung von Windows-Software gilt als erster Fachartikel auf diesem Gebiet. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen »The Annotated Turing« sowie das Standardwerk »Programming Windows«. Er bloggt unter www.charlespetzold.com.
Kapitel 1:
Beste Freunde
Sie sind 10 Jahre alt. Auf der anderen Straßenseite wohnt Ihre beste Freundin. Ihre beiden Zimmer liegen einander gegenüber. Jeden Abend, nachdem die Eltern Sie wieder einmal viel zu früh ins Bett geschickt haben, gibt es noch so viele Ideen, Beobachtungen, Geheimnisse, Witze, Träume und Gerüchte, die Sie einander anvertrauen möchten. Wie das so ist unter guten Freunden. Es gehört zu den menschlichen Grundbedürfnissen, miteinander zu kommunizieren.
Was also tun? Sie schalten das Licht an und können einander mit Gesten und Körpersprache einfache Gedanken vermitteln. Doch was, wenn Gestikulieren nicht ausreicht? Was, wenn die Eltern mit einem endgültigen »Licht aus!« dafür sorgen, dass sie einander nicht mehr sehen können?
Gibt es eine Lösung? Glücklich sind die Zehnjährigen, die über ein eigenes Smartphone verfügen und einander anrufen oder Nachrichten schicken können. Doch was, wenn die Eltern das Telefon am Abend einkassieren oder das WLAN über Nacht abschalten? Ohne elektronische Kommunikation wird das Schlafzimmer schnell zur einsamen Insel.
Wie gut, dass Sie und Ihre Freundin Taschenlampen besitzen! Wie jeder weiß, wurden Taschenlampen erfunden, damit Kinder heimlich unter der Bettdecke lesen können. Außerdem eignen sie sich perfekt, um in der Dunkelheit zu kommunizieren. Sie machen keine verdächtigen Geräusche, ihr Licht strahlt primär in eine Richtung, und es ist von misstrauischen Müttern und Vätern nicht zu sehen, wenn diese an der Tür vorbeigehen.
Aber wie bringt man das Licht zum Sprechen? Versuchen wir es! In der ersten Klasse haben Sie gelernt, Buchstaben zu schreiben und damit Wörter zu bilden. Lässt sich auch mit einer Taschenlampe schreiben? Auf ans Fenster! Schreiben Sie die Buchstaben mit dem Lichtkegel. Einschalten, einen Kreis in die Luft malen, ausschalten. Fertig ist das O. Ein I? Kein Problem, einfach einen senkrechten Strich zeichnen. Doch schnell kommt das Gespräch ins Stocken (wenn es überhaupt beginnt). Es ist schwierig, den Bewegungen des Lichts im Fenster gegenüber zu folgen. Außerdem müssen Sie all diese Kreise und Linien im Kopf zusammensetzen. So wird das nichts.
Da erinnern Sie sich an einen Film. In dem haben Matrosen auf hoher See Laternen benutzt und Blinksignale ausgetauscht. Und es gab noch einen Film, in dem ein Spion mit einem Spiegel Lichtreflexe in die Zelle gelenkt, in der sein Partner gefangen war. Ist das etwa die Lösung? Sie überlegen kurz und haben einen brillanten Einfall: Jeder Buchstabe wird durch eine bestimmte Anzahl an Blinksignalen dargestellt. Ein Signal für A, zwei für B, 3 für C usw. Ein Z sind 26 Signale. Für das Wort JA geben Sie also 10 Signale und dann ein Signal. Zwischen den Buchstaben legen Sie eine kurze Pause ein, damit Ihre Freundin die Lichtfolge aus 11 Blitzen nicht für ein K hält. Nach jedem Wort folgt eine längere Pause.
Das ist ein guter Anfang. Viel besser, als Kreise und Striche in die Luft zu malen. Einfach Taschenlampe an, Taschenlampe aus. Doof nur, dass schon eine kurze Frage (»Wie geht es dir«?) 132 Lichtsignale benötigt. Außerdem fehlen alle Satzzeichen. Wie viele Signale sind ein Fragezeichen?
Der Ansatz ist gut, aber es gibt Verbesserungsbedarf. Vielleicht hat ja schon jemand anders eine tolle Idee gehabt, um das Problem zu lösen? Einen Besuch in der Bücherei oder eine Internetsuche später sind Sie schlauer: Es gibt eine großartige Erfindung namens Morse-Zeichen. Genau so etwas haben Sie gesucht! Allerdings müssen Sie die Buchstaben neu lernen.
In Ihrem eigenen System wurde jeder Buchstabe durch eine bestimmte Anzahl von Blinkzeichen dargestellt. Ein Signal für A, 26 Signale für Z. Im Morse-Code gibt es zwei verschiedene Signale, nämlich ein kurzes und ein langes Leuchtzeichen. Das macht den Morse-Code einerseits komplizierter, aber auch sehr viel effizienter. Statt für »Wie geht es dir«? 132-mal zu blinken, benötigen Sie nur noch 27 (kurze und lange) Signale. Und da ist das Fragezeichen schon enthalten!
Allerdings spricht niemand beim Morse-Code von langen und kurzen Leuchtzeichen. Stattdessen werden diese Signale als Punkte und Striche bezeichnet, manchmal auch als kurz und lang. So lassen sie sich auch viel einfacher niederschreiben. Im Morse-Code entspricht jedes Zeichen des Alphabets einer Abfolge von Punkten und Strichen. Ich habe sie in der folgenden Tabelle zusammengefasst.[1]
Morse-Code und Computer haben nichts miteinander zu tun. Doch wer die verborgene Sprache und den Aufbau von Computerhardware und -software wirklich verstehen will, kommt nicht umhin, sich zuerst mit Codierungen und Codes zu befassen.
In diesem Buch bezeichnet das Wort »Code« im Normalfall ein System zur Informationsübermittlung zwischen Menschen, zwischen Menschen und Computern oder innerhalb von bzw. zwischen Computern.
Codes dienen zur Kommunikation. Einige Codes sind geheim, aber die Mehrheit ist es nicht. Das liegt daran, dass Codes die Grundlage der menschlichen Kommunikation darstellen.
Die Geräusche, die wir machen, um Worte zu formen, stellen einen Code dar. Jeder, der unsere Stimme hört und die Sprache, die wir sprechen, versteht, kann auch diesen Code entschlüsseln. Man nennt diesen Code »das gesprochene Wort« oder »Sprache«.
Gehörlose verwenden Gebärdensprache, bei der bestimmte Hand- und Armbewegungen einzelne Buchstaben, Wörter oder gar Konzepte ausdrücken. In Nordamerika sind zwei dieser Gebärdensprachen stark verbreitet: Die American Sign Language (ASL, amerikanische Gebärdensprache) wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von der American School for the Deaf entwickelt, die Langue des signes Québécoise (LSQ) ist eine Variante der französischen Gebärdensprache.
Wenn Sie Worte auf Papier oder anderen Medien niederschreiben, handelt es sich ebenfalls um einen Code: »das geschriebene Wort« oder »Text«. Texte können von Hand geschrieben oder getippt, in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern abgedruckt oder auf den unterschiedlichsten Geräten digital wiedergegeben werden. In vielen Sprachen gibt es eine enge Verbindung zwischen dem gesprochenen und dem geschriebenen Wort. Im Englischen entsprechen die Buchstaben und Buchstabengruppen größtenteils der Aussprache.
Für Blinde und Menschen mit Sehbehinderung gibt es die Braille-Schrift, in der erhabene Punktgruppen für einzelne Buchstaben, Morpheme oder ganze Wörter stehen. (In Kapitel 3 gehe ich näher auf die Braille-Schrift ein.)
Beim schnellen Transkribieren (Aufschreiben) des gesprochenen Worts in Textform ist die Stenografie (auch Kurzschrift genannt) hilfreich. Bei Gericht oder beim Untertiteln von Live-Übertragungen im Fernsehen verwenden Stenografen und Stenografinnen eine Stenografiermaschine, deren vereinfachte Tastatur spezielle Codes aufweist.
Wir benutzen eine Vielzahl unterschiedlicher Codes für die Kommunikation miteinander. Unter bestimmten Umständen sind einige davon geeigneter oder praktischer als andere. Ein Beispiel: Das gesprochene Wort lässt sich nicht auf Papier festhalten. Dafür nutzen Sie und ich das geschriebene Wort. Wenn Sie geräuschlos Informationen in der Dunkelheit austauschen möchten, geht das weder mit der Stimme noch mit einem Stück Papier. In diesem Fall hilft der Morse-Code weiter. Ein Code ist dann nützlich, wenn er einen Zweck erfüllt, für den es keinen anderen Code gibt.
In Verbindung mit Computern kommen verschiedene Codearten zum Einsatz, um Text, Zahlen, Töne, Musik, Bilder, Filme und sogar Anweisungen für den Computer selbst zu speichern und zu übermitteln. Computer und menschliche Codes vertragen sich nur in engen Grenzen. Das liegt daran, dass Computer den Menschen und seine Mimik, seine Augen, Ohren, Finger und die Mundbewegungen nicht exakt nachahmen können. Es ist schwierig, Computern das Sprechen beizubringen. Doch sie Sprachverständnis zu lehren, ist noch viel schwieriger.
Auf diesem Gebiet wurden bereits viele Fortschritte gemacht. Computer können heute unzählige Arten von Informationen erfassen, speichern, verändern und darstellen, die in der menschlichen Kommunikation verwendet werden. Dazu gehören visuelle Informationen (Texte und Bilder), aurale Informationen (gesprochene Wörter, Klänge und Musik) sowie eine Kombination davon (Animationen und Filme). Für jede Informationsart wird ein eigener Code benötigt.
Auch die Tabelle mit den Morse-Zeichen ist ein Code. Sie zeigt, welche Abfolge von Punkten und Strichen einen bestimmten Buchstaben darstellt. Allerdings können Sie keine Punkte und Striche senden. Diese werden vielmehr durch die Leuchtsignale der Taschenlampe dargestellt.
Dazu schalten Sie die Lampe immer wieder ein und aus. Für einen Punkt schnell, für einen Strich lassen Sie die Lampe länger leuchten. Für ein A schalten Sie die Taschenlampe kurz ein und aus, dann etwas länger ein und aus. Anschließend machen Sie eine Pause, bevor das nächste Zeichen folgt. Traditionell leuchtet der Strich etwa dreimal so lang wie der Punkt. Ihr Gegenüber erkennt ein kurzes und ein langes Signal und weiß, dass es sich um ein A handelt.
Es ist wichtig, dass Sie zwischen den Punkten und Strichen eine Pause machen. Beim A sollte die Pause zwischen dem Punkt und dem Strich ungefähr der Länge des Punkts entsprechen. Die einzelnen Buchstaben eines Worts werden durch längere Pausen – die in etwa einem Strich entsprechen – markiert. Das hier ist der Morse-Code für das englische Wort »hello«. Die freien Bereiche sind die Pausen zwischen den Buchstaben:
Wörter werden...
Erscheint lt. Verlag | 28.7.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Mathematik / Informatik ► Informatik |
ISBN-10 | 3-7475-0630-5 / 3747506305 |
ISBN-13 | 978-3-7475-0630-1 / 9783747506301 |
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