Schattenlichter - Theodore Roszak

Schattenlichter

Roman

(Autor)

Buch | Softcover
880 Seiten
2009
Heyne, W (Verlag)
978-3-453-52574-0 (ISBN)
10,95 inkl. MwSt
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Ein junger Filmstudent auf den Spuren eines vergessenen Kultregisseurs. Rätselhafte Symbole und versteckte Hinweise in alten Stummfilmen. Ein mysteriöser Orden, der seine Novizen in der Kunst des Filmhandwerks unterweist. Ein Geheimnis, das den Lauf der Welt für immer verändern wird …


Der ultimative Verschwörungsthriller – „Schattenlichter“ ist ein Roman, den man nicht mehr aus der Hand legen kann.


Theodore Roszak ist Professor für Geschichte an der California State University. Neben zahlreichen Sachbüchern hat er auch etliche Thriller veröffentlicht. Seine Bücher wurden in vierzehn Sprachen übersetzt. Mehrfach wurde er für den renommierten National

Meinen ersten Max-Castle-Streifen habe ich in einem schmuddeligen Keller in Los Angeles gesehen. Heutzutage würde es niemandem mehr einfallen, in so einem Loch ein Filmtheater unterzubringen. Doch damals - Mitte der fünfziger Jahre - war es das bescheidene Heim des besten Programmkinos westlich von Paris. Ältere Filmliebhaber werden sich noch an das Classic erinnern, diesen legendären kleinen Kunsttempel, der unauffällig zwischen das streng koschere Moishe's Deli und einen Discounter für Meterware gequetscht war. Heute, über zwanzig Jahre später, ist mir klar, wie angemessen es war, dass meine erste Begegnung mit dem großen Castle in einer Art Gruft stattgefunden hat. Es war ein bisschen, als hätte ich Christus in den Katakomben entdeckt, lange bevor das Kreuz und das Evangelium zum Quell des Lichts für die Menschheit wurden. Unsicher wie ein Neubekehrter trat ich in den dunklen Schoß eines erwachenden Glaubens und fand ... ja, was eigentlich? Keine Vorzeichen eines künftigen Königreichs voller Ruhm und Glanz. Nur ein gedämpftes Gerücht von Geheimnissen, einen fremden Ritus, ein unergründliches Symbol auf einer bröckelnden Wand. Und dennoch empfindet der Suchende in seinem tiefsten Inneren die ersten Regungen einer neuen Überzeugung. Er spürt das große, drängende Mysterium, das vor ihm liegt, verborgen zwischen Schutt und Rattenkot. Er bleibt stehen und kostet von dem Sakrament. Und verwandelt kehrt er nach draußen in die Welt zurück, Träger einer apokalyptischen Botschaft. So entdeckte ich Castle, viele Jahre bevor er - durch mein Lebenswerk als Wissenschaftler, Kritiker und Enthusiast - Kultstatus erlangte. In meinem Fall war das heilige Abendmahl ein einziger halb zerstörter Film, ein tanzendes Phantom aus Licht und Schatten, das ich nur undeutlich wahrnahm und kaum zur Hälfte verstand. Nachdem es zu Beginn seiner Karriere wegen Obszönität zensiert worden war, hatte das arme, glücklose Ding jahrzehntelang in den Kellergewölben verlassener Studios und liebloser Sammler vor sich hin geschmachtet. Allein schon dass es überlebt hatte - erst als eher unbedeutende Kriegsbeute, später dann als Diebesgut -, grenzte an ein Wunder. Es heißt, dass die Worte Jesu einst nur auf den Straßen betriebsamer Städte existierten, als Kreidegekritzel auf steinernem Boden, auf dem geschäftige Kaufleute herumtrampelten, spielende Kinder mit den Füßen scharrten, streunende Hunde pinkelten. Auch Castle hätte seine Botschaft an die Welt genauso gut dem Staub der Straßen anvertrauen können. Ein Film mit seinem auf brüchiges Plastik geätzten Brei von Illusionen ist nicht weniger anfällig. Dutzende Male hätte er, wie viele andere Kinoschätze davor und danach, in den Wellen der Achtlosigkeit versinken können, ein ungeborgenes kulturelles Strandgut, das nie ein verstehendes Auge gefunden hat. Und genau das war es, was Castles Werk brauchte: das Auge eines Anfängers - mein Auge -, ungeschult und ungeschützt, das die Verbindung zu den vulgären Ursprüngen der Kunst noch nicht gekappt hatte, das noch empfänglich war für die flackernde Offenbarung des dunklen Gottes, dessen Verkündungen sich hinter der Filmgeschichte verbergen. Wie bei den meisten Amerikanern meiner Generation reicht meine Liebe zum Film weiter zurück als mein Gedächtnis. Eigentlich begann sie schon vor meiner Geburt - mit Schauern der Aufregung und Begeisterung. Meine Mutter war eine große, ja schier unersättliche Kinogängerin, die sich zweimal pro Woche, wenn nicht sogar öfter, ein Triple Feature samt Vorfilmen ansah. Sie nutzte den Kinobesuch wie Millionen anderer Amerikaner am Ende der tristen Dreißiger: als preiswerten Schutz vor der Hitze des Sommers und der Kälte des Winters sowie als unbezahlbare Fluchtmöglichkeit vor dem langen, bitteren Elend der Depression (und es war auch die einfachste Möglichkeit, dem Hausherrn zu entgehen, der auf der Türschwelle lauerte, um die ausstehende Miete zu kassieren). Vermutlich ist also nicht wenig von dem archetypischen Geröll in den ungefegten Winkeln meines Geistes - Tarzans urtümlicher Brunftschrei, das meckernde Lachen der Bösen Hexe des Westens, das blutrünstige Heulen des Wolfsmenschen - durch die Wände des Mutterleibs in meinen pränatalen Schlaf eingedrungen. Auf jeden Fall empfand ich es schon immer als prophetisch, dass ich in dem Jahr geboren bin - 1939 -, das allgemein als Höhepunkt von Hollywoods goldenem Zeitalter im Gedächtnis bewahrt wird, jenes annus mirabilis, in dem die großen Studios das Land mit einer Fülle von Kassenschlagern überschütteten -kurz bevor der Sturm des Krieges alle Kinoträume unter historischen Albträumen begrub. Während meine Mutter mit mir schwanger war, kamen Der Zauberer von Oz, Schneewittchen, Ringo und Stürmische Höhen heraus. Und ihre Wehen setzten etwa zur Hälfte ihres dritten verzückten Besuchs von Vom Winde verweht ein - aus Mitgefühl, wie sie behauptete, mit Olivia de Havilland, die mitten im brennenden Atlanta ihr Kind zur Welt brachte. (Obwohl vor der Tür schon der Krankenwagen wartete, weigerte sie sich standhaft, die Fahrt zur Entbindungsstation anzutreten, solange man ihr nicht das Eintrittsgeld von eineinviertel Dollar zurückerstattete - was damals ein stolzer Preis war.) Nach meiner Geburt wurde ich zu Joan-Crawford-Matineen gestillt und zahnte bei den Three Stooges. Und in meiner frühen Jugend erlebte ich die ersten verwirrenden sexuellen Schauer, als wir Nylana, die blusensprengende Dschungelfrau am Ende der actiongeladenen neunten Folge zurücklassen mussten, wie sie hilflos auf einem heidnischen Opferaltar hingestreckt dalag und der Vergewaltigung durch einen besessenen Medizinmann entgegensah. All dies, der Schaum und die Schlacke der Kinowelt, setzte sich im Flussbett meines jugendlichen Bewusstseins ab und verfestigte sich dort zu einem Morast aus derbem Humor und billigen Sensationen. Doch meine Verehrung für das Kino - für den Film als animierte Ikone hoher Kunst - begann erst, als ich am Anfang meines Studiums das Classic kennen lernte. Es war jene Ära, die viele heute für das heroische Zeitalter des Filmkunstkinos in Amerika halten. Außerhalb von New York gab es damals in den Groß- und Universitätsstädten zwar höchstens ein paar Dutzend dieser kulturellen Leitsterne, doch dank des neu gewonnenen Publikums für ausländische Filme erzielten viele von ihnen allmählich ganz ansehnliche Einnahmen, und einige warteten sogar mit ersten kargen Annehmlichkeiten auf: Picasso-Reproduktionen im Foyer, Schweizer Schokolade an der Kasse. Und dann gab es noch die ganz wenigen Repertoire- und Programmkinos wie das Classic, die hehr, aber leer ums Überleben kämpften.

Erscheint lt. Verlag 8.6.2009
Reihe/Serie Heyne Bücher
Übersetzer Friedrich Mader
Sprache deutsch
Original-Titel Flicker
Maße 118 x 187 mm
Gewicht 705 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Krimis/Thriller
ISBN-10 3-453-52574-4 / 3453525744
ISBN-13 978-3-453-52574-0 / 9783453525740
Zustand Neuware
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