Schwingungen

Eigentlich war es nur eine Mutprobe gewesen.
ihr gefiel sein lachender Mund, sein schöner Blick, eingebettet in seine lässige Art.
Und obwohl – oder gerade deswegen? – dieser Mann für sie unerreichbar schien, entschied sie: „Ich trau mich jetzt – und geb ihm meine Telefonnummer!“
Zwei Tage später trafen sie sich. Sie stellte fest, dass eine Beziehung tatsächlich nicht infrage kam: der Mann war gebunden.
Und warum nahm die Geschichte dann dennoch ihren Lauf?
Wer weiß, ob sie ohne die Errungenschaft der SMS so leicht möglich gewesen wäre. Aber die beiden nutzten die willkommene Möglichkeit, jederzeit und überall – aber auch unbemerkt und im Geheimen – ihren Stimmungen spontan Ausdruck verleihen und kommunizieren zu können: Schwingungen im wahrsten Sinne auszusenden.
In ungewöhnlicher Leseoptik (die SMS-Texte sind wie auf einem Handydisplay abgebildet) kann der Leser diese Schwingungen und „Mini-Poesien“ tagebuchartig fast fünf Jahre lang verfolgen, aber ein vollkommenes Bild erfährt er letztendlich nicht.

In modernen „Sprechblasen“ empfängt der Leser Freude, Begeisterung, Wut und Trauer, aber auch Taktieren und Verführen und unterliegt – wie diese beiden Menschen – Vermutungen und Missinterpretationen, denen wir in jeder Form der Kommunikation immer wieder ausgesetzt sind.