Nebelträumer - Catherine Fisher

Nebelträumer

Roman
Buch | Hardcover
592 Seiten
2009
Heyne, W (Verlag)
978-3-453-52477-4 (ISBN)
14,00 inkl. MwSt
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Märchenhaft, abenteuerlich und fantastisch


Nach „Nebelgänger“ der faszinierende Höhepunkt der magischen Saga über das Geheimnis des legendären Krähenordens: In Tasceron, einer labyrinthischen Stadt immerwährender Dunkelheit, liegt der Schlüssel zum Wissen und zur Macht des Ordens der Krähen. Doch wer vermag den Weg durch die verwunschenen Gebiete und verschlungenen Landschaften zu gehen? Niemand kam je zurück. Bis ein geheimnisvolles Mädchen auftaucht …


All-Age-Fantasy für alle Fans von Cornelia Funke, Kai Meyer, Philip Pullman und Jonathan Stroud


Catherine Fisher arbeitete als Lehrerin und Archäologin, bevor sie begann, phantastische Romane und Lyrik zu schreiben. Für ihre Gedichte und ihre Kinder- und Jugendbücher wurde sie mehrfach ausgezeichnet, etwa mit dem "Welsh Arts Council Young Writers’ P

Zwei Männer saßen auf einer Bank mitten im Eis. Zwischen ihnen glühte eine Kohlenpfanne, deren Metallfüße im Schmelzwasser einzusinken drohten. Sie hockten schweigend da, im Herzen des Frostbasars. Es herrschte ein unbeschreibliches, lärmendes Durcheinander. Schafe blökten, Hunde bellten, und unzählige Händler boten ihre Waren feil. Doch noch lauter war das eigentümliche Hämmern, das alle anderen Geräusche überdeckte. Fleisch brutzelte an Spießen, Säuglinge schrien, Gaukler jonglierten mit rasselnden Bällen, Straßenmusikanten fiedelten für Münzen, und unterschiedlich gefärbte Sekoi in gefütterten Stiefeln erzählten faszinierende Geschichten, wobei ihre Stimmen unnatürlich schrill und gellend die klirrende Kälte durchdrangen. Schließlich rührte sich der ältere Mann. »Bist du sicher?«, murmelte er. »Es ist mir in Tarkos zu Ohren gekommen. Und dann noch einmal vergangene Woche auf dem Markt in Larminier. Es muss wahr sein.« Der Schuster, der immer noch seine Lederschürze umgebunden hatte, blickte düster zu dem schwarzen Wächterturm, der mitten aus dem gefrorenen See emporragte. Es schien, als habe der Mann Angst, dass die Wachtposten ihn selbst aus dieser Entfernung belauschen könnten. »Man hat sie also gesehen?« »Jedenfalls wird das behauptet.« Der Schuster kratzte mit seinem schmutzigen Absatz über ein Fischskelett, das im Eis eingeschlossen war. Das Tier starrte mit weit aufgerissenen Augen zu ihm hoch. »Gerüchte gehen um. Prophezeiungen und sonderbares Gerede. Ich habe gehört, es soll in der vergangenen Flainsnacht eine mächtige Explosion gegeben haben. Das Haus der Bäume wurde gespalten, eine Vision mit schwarzen Flügeln erhob sich und schoss in den Himmel, zog hoch über Tasceron ihre Kreise.« Ängstlich blickte er sich um und machte hastig das Zeichen der Ehre. »Sie war es. Die Krähe.« Der alte Mann spuckte aus. »Unglaublich! Wie hat sie ausgesehen?« »Riesig. Schwarz. Ein Vogel und doch kein Vogel. Du weißt schon, so, wie es im Heiligen Buch heißt.« »Schon möglich. Und hat sie gesprochen?« »Das jedenfalls hat die Frau behauptet.« Ein Narbenstier, der von zwei Männern gezogen wurde, trampelte an ihnen vorbei. Immer wieder rutschten seine Hufe auf dem spiegelglatten See aus. Als die Bauern außer Hörweite waren, zuckte der Alte mit den Schultern. »Könnte auch nur dummes Geschwätz sein.« Besorgt sah sich der Schuster um. Hinter ihnen verkaufte ein fahrender Händler Schleifen, Haarnadeln und zarte Spitze, während eine Menschenmenge zwei Männern zusah, die über den Preis von Ziegen in Streit geraten waren. Ein Junge vollführte zwischen den Buden Kunststückchen. In der Mütze auf dem Eis vor ihm lagen bereits einige Münzen. Der Schuster drängte sich näher an den alten Mann und senkte die Stimme. »Nein. Und warum haben die Wächter dann ihre Patrouillen verdoppelt? Sie haben es ebenfalls gehört; überall haben sie ihre Spione.« »Und wie lautete diese Vision?« »Sie lautete: Hör mir zu, Anara, deine Schöpfer kehren zu dir zurück. Durch die Dunkelheit und Leere habe ich sie gerufen! Flain und Tamar und Soren und selbst Kest werden kommen. Sie werden die Finsternis vertreiben und die Macht der Wächter brechen.« Die Worte, obschon nur geflüstert, schienen gefährlich und mit Macht aufgeladen, als würden sie in der eisigen Luft Funken schlagen. Im Schweigen, das folgte, schwoll der Lärm des Marktes noch weiter an, und die beiden Männer waren froh darüber. Dem fahrenden Händler war das Tablett aus den Händen geglitten, und nun kniete er mit tauben Fingern auf dem Eis und hob die Haarnadeln umständlich auf. Der Wind blies sie näher an die Kohlenpfanne; aus den Augenwinkeln hätte man sie für silberne Schlangen halten können. Der alte Mann hielt die behandschuhten Hände ans Feuer. »Nun, wenn das wahr sein sollte ...« »Das ist es!« »... Dann würde es die Welt verändern. Ich werde beten, dass ich das noch erleben darf.« Reuevoll blickte er über die Zelte und Marktbuden zum Wächterturm, der im Frost glitzerte. »Aber wenn die Schöpfer nicht bald kommen, wird es für diese armen Seelen zu spät sein.« Auf einmal wurde das Hämmern lauter. Die errichteten Galgen waren schwarz, eine wackelige Konstruktion aus langen Hölzern, die direkt aufs Eis gezimmert waren. Ein Mann kletterte gerade eine Leiter hoch und zog den tödlich baumelnden Strick hinter sich her. Über ihm war der Himmel steingrau, die Wolken aufgebläht und dunkel. Der Rauch von den Marktfeuern stieg empor wie hundert senkrechte Säulen. »Heute wird es eine weitere eisige schwarze Nacht geben«, murmelte der Schuster. Der alte Mann ging nicht darauf ein, sondern sagte stattdessen: »Ich habe gehört, dass einer der Gefangenen ein Hüter sein soll.« Der Schuster wäre vor Schreck beinahe aufgesprungen. Dann lehnte er sich wieder auf der harten Bank zurück und kaute an seinem Daumennagel. »Gütiger Gott«, flüsterte er. »Wird er gehängt?« »Ja. Morgen, zusammen mit all den anderen.« Unvermittelt endete das Hämmern. Die Galgenstricke baumelten hin und her, auf den leeren Schlingen glitzerte bereits Raureif. Der fahrende Händler sammelte die letzte Nadel ein, richtete sich stöhnend auf und humpelte auf die beiden Männer zu. »Gute Waren gefällig, meine Herren?«, jaulte er. »Ein paar Schleifen? Perlen? Bunte Tücher? Etwas für die Gattin?« Säuerlich schüttelte der Schuster den Kopf. Der alte Mann lächelte traurig. »Tot, mein Freund. Schon lange tot.« »Oh.« Der grauhaarige Händler schob sich müde die Krücke unter den Arm. »Nicht einmal eine Brosche für deinen Mantel?« »Nein. Heute nicht.« Gleichgültig, als sei er an solche Antworten gewöhnt, zuckte der Händler mit den Achseln. »Es ist ein rauer Tag, um eine lange Straße hinabzuwandern«, sagte er leise. Sie warfen ihm amüsierte Blicke zu. »Der Kerl ist betrunken«, flüsterte der Schuster. Der fahrende Händler verschwand humpelnd zwischen Zelten und hinter einem Pferch voll blökender Schafe, deren kleine Hufe kratzend über den gefrorenen See schlitterten, und blieb schließlich vor der Marktbude eines Bäckers stehen, wo er eine heiße Pastete kaufte und eine Hälfte zusammengekauert am Feuer eines offenen Ofens aß. Heißes Fett rann durch seine zerrissenen Handschuhe und verbrannte ihm die Finger. Er beugte sich vor, und das lange graue Haar fiel ihm aus der Kapuze ins Gesicht, doch als er sich auf seiner Krücke wieder ein wenig aufrichtete, hätte ein aufmerksamer Beobachter erkennen können, dass der Händler ein großer Mann und weder so alt noch so gebrechlich war, wie es den Anschein hatte. Jemand zwängte sich neben ihn. »Ist das für mich?« Kommentarlos übergab ihm der Händler den Rest der Pastete. Der Junge, der die Kunststücke vollführt hatte, schlang das Gebäck gierig und ohne zu kauen hinunter. Die Augen des Händlers glitten aufmerksam über die Menschenmenge. »Und?« »Nichts. Ich habe das Kennwort bei einer Frau ausprobiert, aber sie wollte die Wächter rufen, falls ich nicht augenblicklich verschwinde.« Raffi leckte sich noch den kleinsten Krümel Pastete von den Fingern.

Erscheint lt. Verlag 5.2.2009
Illustrationen animagic
Überarbeitung Catherine Beck
Übersetzer Beate Brammertz
Sprache deutsch
Original-Titel The Book of the Crow (Flain's Coronet, The Margrave)
Maße 135 x 215 mm
Gewicht 770 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Fantasy
ISBN-10 3-453-52477-2 / 3453524772
ISBN-13 978-3-453-52477-4 / 9783453524774
Zustand Neuware
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