Das Ende eines ganz normalen Tages
Luchterhand (Verlag)
978-3-630-87283-4 (ISBN)
Franz Hohler wurde 1943 in Biel, Schweiz, geboren. Er lebt heute in Zürich und gilt als einer der bedeutendsten Erzähler seines Landes. Hohler ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Alice-Salomon-Preis und dem Johann-Peter-Hebel-Preis. Sein Werk erscheint seit über fünfzig Jahren im Luchterhand Literaturverlag.
"Politisches und Privates mischen sich in den hintergründigen Texten, die Hohler erneut auf der Höhe seines erzählerischen Könnens zeigen." Der Bund
"Politisches und Privates mischen sich in den hintergründigen Texten, die Hohler erneut auf der Höhe seines erzählerischen Könnens zeigen."
"Franz Hohler zeichnet in diesem Band ohne jede Pose das Selbstbildnis eines genauen Beobachters, der in kleinen Begebenheiten Beispiele für das Große findet."
"Miniaturen eines grossartigen Beobachters"
„Franz Hohlers Geschichtenband ist ein kleines, feines literarisches Gourmetstück, das man sich langsam auf der Lesezunge zergehen lassen sollte“.
Jemand, nämlich ich, ging zielbewusst über einen Platz in Basel, nur noch wenige Minuten von der Lokalität entfernt, die er aufzusuchen gedachte, da er dort verabredet war, sein Schritt war nicht hastig, aber doch vorwärts orientiert, nicht schlendernd wie etwa derjenige der bemerkenswert schönen jungen Frau, die er überholte. Der Jemand war beschwingt, denn er war dort, wo er hinging, ein freudig Erwarteter, und es muss wohl sein in die Ferne gerichteter, seinerseits erwartungsvoller Blick gewesen sein, der ihn die kleine Kante übersehen ließ, die er nun mit seinem rechten Fuß übertrat. Er hatte sie übersehen, weil er sich auf einem gepflästerten Platz wähnte und nicht auf einem Trottoir, und nun wurden die Gesetze der Physik sekundenschnell und erbarmungslos auf ihn angewendet, Zentrifugal- und Zentripetalkraft stritten sich um ihn, zerrten ihn vor und zurück und auf und ab, sein eben noch gelassener und ebenmäßiger Gang verwandelte sich in ein Zucken und Krümmen seines Körpers, einen gnomenhaften Tanz, durch den ihm die Mütze vom Kopf geschleudert wurde, und er selbst wurde schließlich durch die wild ausscherenden Kräfte in die Knie gezwungen, und während er sich mit Mühe wieder zu erheben und seiner verlorenen Würde zu bemächtigen suchte, bückte sich die schöne junge Frau nach seiner Mütze und überreichte sie ihm lächelnd, so wie man einem Invaliden etwas zuliebe tut, bevor sie, die Handtasche an der Schulter, lässig weiter bummelte und ihn, diesen Jemand, mich also, mit einem scharfen Schmerz im Knöchel als plötzlichen Greis zurückließ, der sofort spürte, dass ihn dieser Misstritt um Kilometer von seiner Abmachung trennte und auch alle seine andern Abmachungen in eine ungewisse, bedrohliche Ferne rückte, dass dadurch auch ein Verb wie "gehen" sofort aus seinem Vokabular verbannt wurde, mehr noch, dass es niedergeschlagen wurde durch eine Bande von Substantiven, deren lümmelhafte Anführer "Unfall" und "Notfall" hießen, ein dritter, der blöde grinste, nannte sich "Zufall", und sie alle kamen nun auf Jemand zu und sagten zu ihm, als sie ihn links und rechts unter dem Arm fassten, sie hätten schon lange auf ihn gewartet.LiederabendDer Sänger und die Pianistin treten auf, im Saal einer Kleinstadt, auf einem niederen Podest, vor getäferter Rückwand, mit schlechter Deckenbeleuchtung. Der Lüster im Saal bleibt während der Darbietung angezündet, damit ein wenig Licht auf das Gesicht des Sängers fällt.Und nun hebt er an zu singen, ruhig, schön, eindringlich, während die Hände der Pianistin wie Tänzerinnen über die Tasten wirbeln. Der Sänger singt, indem er die Leute dazu anblickt, von Myrten und Rosen, von Nachtigallen, von Tränen und Träumen, von Sehnsucht, Seufzern und Verlangen, von Kummer, Gram und der Wiege seiner Leiden. Die meisten, die zuhören, kommen aber nicht aus einer aufgewühlten Stimmung, sondern sie haben den Tag an irgendeinem Pult verbracht oder haben unterrichtet oder haben die Angebote der Woche eingekauft oder haben sich in der Baumusterzentrale neue Bodenbeläge für die Küche zeigen lassen, und nun verharren sie hier alle nebeneinander in dem kleinen Saal und lassen die Botschaften der Liebe, der Ahnungen und des wilden Schmerzes auf sich niedergehen, und sie sitzen da, Kopf an Kopf, wie in den Boden eingelassene Pflastersteine, auf die nach einer trockenen Zeit ein Frühlingsregen sprüht, der sie einen Moment aufatmen und von etwas längst Vergessenem träumen lässt, bis der Sänger und die Pianistin sich verneigen und denSaal unter Applaus verlassen. Dann sinken sie in ihre alte Trockenheit zurück, um sich wieder täglich über die Köpfe gehen, treten, trampeln und rollen zu lassen.Die VerkündungLetzthin, im Zug, direkt neben dir, das elend-fröhliche Digitalpiepsen eines Handys, und du weißt, jetzt wirst du die Seite nicht in Ruhe zu Ende lesen können, du wirst mithören müssen, wo die Unterlagen im Büro gesucht werden
Erscheint lt. Verlag | 27.8.2008 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Maße | 131 x 205 mm |
Gewicht | 210 g |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Buch • Bücher • Erzählungen • Es klopft • Geleis 4 • Schweiz |
ISBN-10 | 3-630-87283-2 / 3630872832 |
ISBN-13 | 978-3-630-87283-4 / 9783630872834 |
Zustand | Neuware |
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