Die magischen Städte 3 - Daniel Abraham

Die magischen Städte 3

Herbst der Kriege

(Autor)

Buch
512 Seiten
2009
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-442-24448-5 (ISBN)
13,00 inkl. MwSt
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Im Herbst der Kriege herrscht der Tod


Schon lange schwelt der Konflikt zwischen den Galten und den vierzehn Städten der Khais. Doch erst in Balasar Gice erwächst den Galten ein General, der genügend Weitblick und Ideen hat, um es mit den Sommerstädten aufzunehmen. Und tatsächlich entwickelt Gice einen gleichermaßen schrecklichen wie erfolgversprechenden Plan, der die Khais ihrer einzigen Waffe - der magischen Andaten - berauben soll...


Von unglaublicher Intensität und Imaginationskraft


Daniel Abraham hat Kurzgeschichten in Magazinen ("Issac Asimov's SF Magazine", "Realms of Fantasy", "The Magazine of Fantasy & Science Fiction") und Anthologien ("Vanishing Acts", "Bones of the World", "The Dark") veröffentlicht und gemeinsam mit Gardner

Drei Männer kamen aus der Wüste. Zwanzig waren hineingezogen. Die untergehende Sonne ließ ihre geblendeten Gesichter rotgolden erstrahlen und ihre Körper lange Schatten werfen. So groß waren ihre Erschöpfung und ihr Schmerz, dass sie kein Wort herausbrachten. Am Horizont schimmerte etwas, und sie hielten schweigend darauf zu. Der äußerste Turm Transgaltlands winkte sie aus der Wüste heim, und ohne sich zu verständigen, wussten die Männer, dass sie erst anhalten würden, wenn sie sein Tor passiert hatten. Der Kleinste der drei rückte seinen Rucksack zurecht. Sein graues Kommandeursgewand hing ihm vom Leib, als wäre sogar das Tuch erschlafft. Er war in sich gekehrt, hing seinen Gedanken nach, und die Lederstreifen seines Rucksacks rieben an seinen wunden Schultern. Die Last hatte siebzehn seiner Männer getötet, und nun hatte er sie bis zu dem Turm zu tragen, der langsam in den violetten Abendhimmel wuchs. Er vermochte nicht darüber hinaus zu denken. Einer seiner Begleiter stolperte und fiel auf den vom Wind verwitterten Steinen auf die Knie. Der Anführer blieb stehen. Er würde nicht noch einen Mann verlieren - nicht so kurz vor dem Ziel. Und doch fürchtete er sich davor, sich hinabzubeugen und ihn hochzuziehen. Wenn er jetzt Rast machen würde, könnte er sich vielleicht nicht mehr aufrappeln. Ächzend kam der Mann wieder auf die Beine. Der Anführer nickte knapp und wandte sich erneut nach Westen. Wind fuhr durch das niedrige, bräunliche Gras. Der letzte Strahl der sengenden Sonne war erloschen, und in der Dämmerung funkelten immer mehr Sterne am weiten Himmel - unzählige kalte Kerzenflammen. Die nächtliche Kälte würde so todbringend wie die Mittagshitze werden. Der Anführer hatte den Eindruck, der Turm komme nicht wirklich näher, sondern wachse wie eine Pflanze empor. Er ertrug seine Müdigkeit und seine Schmerzen, und das Gebäude, das anfangs nicht größer als sein Daumen gewesen war, hatte inzwischen die Größe seiner Hand. Das Licht, das von fern so stetig gewirkt hatte, flackerte inzwischen, und mitunter stiegen Flammenzungen auf. Allmählich traten Einzelheiten des Mauerwerks hervor und ließen das mächtige Relief des Großen Baums von Galtland erkennen. Kaum lächelte der Anführer, da rissen seine Lippen, und er schmeckte Blut. »Wir werden nicht sterben«, sagte einer seiner Begleiter. Es klang erstaunt. Der Anführer schwieg. Irgendwann später befahl ihnen jemand anzuhalten, ihre Namen zu nennen und zu erklären, warum sie an diesen doppelt verfluchten Ort am Ende der Welt gekommen seien. Als der Anführer antwortete, klang seine Stimme rau und vom langen Schweigen wie eingerostet: »Geh zum Befehlshaber der Wache und sag ihm, Balasar Gice ist zurückgekehrt.« Balasar Gice war zehn Jahre alt, als er das Wort Andat zum ersten Mal hörte. Der Fluss, der durch die Ländereien seines Vaters floss, war eines Tages erst grün, dann rot geworden und kurz darauf um fast fünf Meter gestiegen. Balasar hatte tief erschrocken zugesehen, wie alle Felder, Hütten, Straßen und Höfe, die er kannte, versanken. Die ganze Welt schien ein stinkendes Meer geworden zu sein, aus dem nur Baumkronen, Tierkadaver und treibende Leichen hervorsahen. Sein Vater hatte dafür gesorgt, dass sich die Familie und möglichst viele seiner besten Männer ins Dachgeschoss des Hauses retten konnten. Balasar hatte gebettelt, auch das Pferd hinaufzuschaffen, das sein Vater ihm zum Geburtstag geschenkt hatte. Als man ihm den Ernst der Lage erklärt hatte, bat er stattdessen darum, seinen besten Freund - den Sohn des Dorfschreibers - aufzunehmen. Auch das wurde ihm abgeschlagen. Seine Pferde und Spielkameraden würden ertrinken. Sein Vater sorgte sich nur um Balasar, die Familie und seine Untergebenen - alle anderen mussten sich um sich selbst kümmern. Noch jetzt, Jahrzehnte später, glich die Erinnerung an diese sechs Tage einer blutenden Wunde. Die aufgeblähten Kadaver, die wie bleiche Stämme am Haus entlangtrieben. Der dumpfe und durchdringende Geruch fauligen Wassers. Die Schwierigkeit einzuschlafen, wenn das Rauschen des Wassers am Fuß der Treppe wie das Flüstern von etwas Gewaltigem und Furchtbarem klang, für das er keinen Namen hatte. Er hatte noch immer die Stimmen derer im Ohr, die sich fragten, ob die Vorräte reichen würden, ob das Wasser trinkbar sei und ob die Flut Folge eines fernen Dauerregens sei oder ob es sich dabei um einen Angriff der Khais und ihrer Andaten handele. Damals hatte er nicht gewusst, was Andaten waren, doch die drei Silben hatten den Gestank von Leichen angenommen und sich mit dem Bild der Trümmer verbunden, die einst das Dorf gewesen waren, mit Leere und Zerstörung. Erst viel später - nachdem die Fluten zurückgewichen, die Toten betrauert und die Häuser wiederaufgebaut worden waren - erfuhr er, wie richtig er gelegen hatte. Neun Generationen waren vergangen, seit die Gottkönige des Ostens einander bekriegt hatten, erzählte ihm sein Geschichtslehrer. Der Untergang der ruhmreichen Mitte der Schöpfung hatte die Natur des Raums verändert. Der Krieg hatte Gegenden, die einst große Gärten und Äcker gewesen waren, für immer in Wüsten verwandelt. Selbst in Galtland und Eddensea erzählte man sich Geschichten von Wochen der Dunkelheit, von Missernten und Hunger, von einem Himmel, an dem grüne Flammen loderten, von einem Geräusch, als risse die Erde sich selbst entzwei. Manche sagten sogar, selbst die Sterne hätten ihren Ort am Himmel verändert. Doch vergangenes Unheil nimmt beim Erzählen immer größere Ausmaße an, oder es schwindet aus dem Gedächtnis. Niemand wusste, was damals wirklich vorgefallen war. Vielleicht war der Kaiser wahnsinnig geworden und hatte seinen persönlichen Gottgeist, den Andaten also, auf das eigene Volk oder auf sich selbst gehetzt. Oder es war eine Frau im Spiel gewesen, die Gattin eines großen Herrn womöglich, der der Kaiser gegen ihren Willen - oder mit ihrem Einverständnis -beigewohnt hatte. Oder die Auseinandersetzungen der zahllosen Fraktionen mit ihren vielen kleinen Beleidigungen und Verrätereien, wie sie sich im Umkreis der Macht nun einmal zutragen, hatten einfach nur ihren gewohnten Gang genommen. Als Junge hatte Balasar der Geschichte gelauscht und sich an den Erzählungen von Geheimnis und Ruhm und an der Gefahr, die aus ihnen sprach, geradezu berauscht. Und als sein Lehrer ihm ernst und mit aschfahler Miene gesagt hatte, von den gestürzten Gottkönigen sei nur zweierlei überkommen - die Wüsten, die an Transgaltland und Obar grenzten, und die Städte der Khais, in denen die Menschen noch immer Andaten wie Samenlos und Steinerweicher besaßen -, hatte Balasar die Bedeutung dessen so klar erkannt, als sei sie ausgesprochen worden. Was damals geschehen war, konnte jederzeit unvermittelt aufs Neue geschehen. »Und deshalb seid Ihr hier?«, fragte der Befehlshaber der Wache. »Es ist ein langer Weg vom Schulunterricht bis hierher.«

Erscheint lt. Verlag 12.2.2009
Reihe/Serie Blanvalet Taschenbuch
Die magischen Städte
Übersetzer Andreas Heckmann
Sprache deutsch
Original-Titel An Autumn War (The Long Price Quartet 3)
Maße 135 x 206 mm
Gewicht 577 g
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Die magischen Städte • Fantasy
ISBN-10 3-442-24448-X / 344224448X
ISBN-13 978-3-442-24448-5 / 9783442244485
Zustand Neuware
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