Der Schoppenfetzer und die Nacht des Frevels (eBook)
232 Seiten
Echter Verlag
978-3-429-06699-4 (ISBN)
Lese- und Medienproben
Günter Huth, geb. 1949, war Rechtspfleger von Beruf und ist Autor zahlreicher Jugend- und Sachbücher. Mit der Regional-Krimi-Reihe 'Der Schoppenfetzer' begeistert er seit Jahren seine Leser. Darüber hinaus zeigt er mit seinen Spessart-Thrillern rund um Simon Kerner und neu mit der Thriller-Reihe um den Scharfschützen Adam Rumpel, dass er auch mit spannungsgeladenen und härteren Stoffen fesseln kann.
Günter Huth, geb. 1949, war Rechtspfleger von Beruf und ist Autor zahlreicher Jugend- und Sachbücher. Mit der Regional-Krimi-Reihe "Der Schoppenfetzer" begeistert er seit Jahren seine Leser. Darüber hinaus zeigt er mit seinen Spessart-Thrillern rund um Simon Kerner und neu mit der Thriller-Reihe um den Scharfschützen Adam Rumpel, dass er auch mit spannungsgeladenen und härteren Stoffen fesseln kann.
Republik Irland – Loch Mullagh
Loch Mullagh, ein See im östlichen Teil der Republik Irland, wurde schon seit Tagen von heftigen Stürmen und Unwettern gepeitscht. Bleierne Wolken lasteten über dem Tal und versetzten diesen Teil der Grafschaft seit Stunden in eine Art biblische Finsternis. Blitze fuhren hernieder, von heftigem Donner begleitet. Obwohl erst später Nachmittag, waren in der Burg die fünfundzwanzig Lampen des riesigen Lüsters, der von der Decke des größten Raumes der Burg hing, schon eingeschaltet und wehrten sich erfolgreich gegen das herrschende Zwielicht.
Cillian L. O’Reilly, der Burgherr, stand an einem der mit Blei verglasten Bogenfenster im Kaminzimmer von Mullagh Castle, der Burg seiner Vorfahren, die schon seit vielen Generationen im Besitz seiner Familie war. Er beobachtete die schäumenden Wellenkämme, die dreihundert Meter entfernt gegen das Ufer peitschten. Vermutlich würde der düstere Nachmittag übergangslos in einen ungemütlichen Abend übergehen. Er streichelte Kim, der irischen Wolfshündin, die neben ihm stand und sich leicht zitternd gegen seine Hüfte drückte, beruhigend über den mächtigen Kopf. Die Hündin war bei derartigem Wetter immer nervös. O’Reilly drehte sich um und trat an einen offenen Kamin, in dessen mannshohem Inneren ein Feuer flackerte. Es zog nicht richtig, weil der Sturm oben über dem Dach gegen den Abzug drückte. Es war Sommer in Irland. Nicht ungewöhnlich, dass man auch zu dieser Jahreszeit ein Kaminfeuer vertragen konnte. O’Reilly ließ sich in einen Ohrensessel fallen und griff nach einem mit irischem Highland-Whiskey gut daumenbreit gefüllten Tumbler. Kim ließ sich mit einem Seufzer neben ihm auf einem Hirschfell nieder und legte den Kopf auf die Vorderpfoten. Nachdenklich ließ der Burgherr das goldgelbe Destillat im Glas kreisen. Es hatte Zimmertemperatur und er genoss es ohne Wasser und Eis. Langsam ließ er den ersten kleinen Schluck auf der Zunge vergehen, ehe er ihn hinunterschluckte und sich der herrlichen Wärme im Abgang hingab. Er musste nachdenken. Vor wenigen Minuten hatte er einen schon länger erwarteten Anruf auf sein Handy bekommen.
„Call HYDRA!“, tönte eine Computerstimme aus dem Hörer. Eine Nummer wurde nicht angezeigt. O’Reilly wunderte sich keineswegs über diese kryptische Kontaktaufnahme. In diesem speziellen Metier war Sicherheit oberste Prämisse. O’Reilly würde genau um 12 a. m. (also um Mitternacht) den Rückruf tätigen. Das war der für ihn von HY-DRA reservierte Zeit-Slot. Obwohl er äußerlich ruhig wirkte, tobte in seinem Inneren Aufruhr. Der erwartete Inhalt des Gesprächs war für ihn möglicherweise die Erfüllung seines Herzenswunsches.
Der sechsundfünfzigjährige Ire bewohnte den Westflügel dieser Burg ohne familiären Anhang, allerdings mit seinem Stand entsprechendem Personal. Seine Frau und die beiden Kinder hatten ihn schon vor Jahren verlassen und lebten, finanziell wohlversorgt, in Dublin. Das Personal bestand aus Roger, einem älteren Butler, der sich auch um die Hündin kümmerte, Mary, der Köchin, sowie Lizzy und Dorothy, zwei Reinigungskräften, die täglich damit beschäftigt waren, die unzähligen Zimmer, Flure und Treppenhäuser sauber zu halten. Mehrere Zimmer im Ostflügel waren dem Personal zugeteilt. Dort lebten auch Jo, der Gärtner, und Rick, ein Techniker, der für das Haus und den Fuhrpark verantwortlich war. Letzterer fungierte auch als Bodyguard, Chauffeur und Pilot für den Hubschrauber, den der Hausherr regelmäßig für seine weiteren Reisen in Anspruch nahm. O’Reilly war der Erbe eines großen Vermögens, das seine Vorfahren angehäuft hatten.
Es klopfte dezent an der schweren, zweiflügeligen Eichentür. Auf O’Reillys „Ja bitte!“ trat Roger leise ein. Kim hob aufmerksam den Kopf und wedelte beim Anblick des Butlers freudig mit dem Schwanz. Auf Wunsch des Hausherrn trug Roger keine typische Butler-Uniform, sondern Freizeitlook. Auch für die übrigen Angestellten galt kein Dresscode. Solche Förmlichkeiten waren dem Hausherrn zuwider.
Roger machte einige Schritte in den Raum hinein. „Sir, wann wünschen Sie das Dinner? Und was dürfen wir Ihnen kredenzen?“
O’Reilly warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „In einer guten Stunde. Mary soll sich etwas Leichtes einfallen lassen. Gedünsteter Fisch und Pfannengemüse vielleicht.“ Er nahm den letzten Schluck Whiskey, dabei erhob er sich. „Ich bin jetzt eine Weile in der Kapelle und möchte nicht gestört werden.“
Der Butler nickte, dann verließ er das Kaminzimmer. Er wusste wie das übrige Personal, was O’Reilly mit der Bezeichnung Kapelle meinte. Er kannte die Obsession, die Besessenheit seines Arbeitgebers. Der Hausherr winkte Kim, die sich erhob und ihm anschloss. O’Reilly verließ den Raum mit der hohen Decke aus Eichenbalken, die im Laufe der Zeit eine dunkle, fast schwarze Färbung angenommen hatten, durch die Tür auf der Gegenseite. Kim trottete ihrem Herrn hinterher bis zu einer Wand, die bis zur Decke aus groben Steinen gemauert war. Sie umschloss die Doppeltür eines modernen Aufzugs. Rechts neben dem Rahmen war eine silberfarbene Schalttafel eingelassen, die nur den Rufknopf besaß. O’Reilly drückte ihn und die Tür öffnete sich. Der Hausherr gab Kim ein Zeichen, dass sie zurückbleiben sollte, dann betrat er die Kabine. Dort befanden sich linker Hand vier Knöpfe mit den Wahlmöglichkeiten 1., 2. und 3. Stock. Der unterste Knopf war unbeschriftet, allerdings befand sich neben ihm ein Sicherheitsschloss. O’Reilly steckte einen Schlüssel, den er an einer Kette am Gürtel trug, in das Schloss und drehte kurz um. Damit gab er den Schalter für das Untergeschoss frei. Die Aufzugtüren schlossen sich mit einem Gong und der geräumige Fahrkorb, der problemlos acht Personen hätte aufnehmen können, setzte sich mit einem singenden Motorgeräusch in Bewegung. Der Einbau dieses Lifts hatte ein Vermögen gekostet, stellte aber nur einen unwesentlichen Bestandteil des Aufwands dar, der erforderlich gewesen war, um die Vorstellungen des Hausherrn zu realisieren. Der Aufzug kam zum Stillstand und die Türen öffneten sich. Beim ersten Schritt hinaus flammte eine automatische Deckenbeleuchtung auf, die einen in den Felsen gehauenen, breiten Gang erleuchtete. O’Reilly durchschritt diese relativ lange unterirdische Verbindung zu einem Gebäudeteil an der Oberfläche des Burgareals, in dem sich früher der Pferdestall befand. Schon seit vielen Jahren besaß er keine Pferde mehr. Vom Gang aus betrat er einen Raum, der nichts mehr mit dem jahrhundertealten Baustil der Burg gemein hatte. Es handelte sich um einen Quader aus Stahlbeton mit einer Kantenlänge von dreizehn mal sieben und einer Höhe von sieben Metern, den sich O’Reilly Ende der Neunzigerjahre neu hatte einbauen lassen. Die Wände waren weiß gestrichen, der Boden davor mit einem antistatischen Belag versehen. Die vordere Wand wurde von einer dunkelgrauen Tresortür eingenommen. Ein großer Hebel ragte aus der Mitte der Tür. O’Reilly trat vor die Schalttafel, die rechts neben der Tür eingelassen war. Er drückte einen Knopf, dann hielt er sein Gesicht vor einen Scanner, der seine Iris kontrollierte. Gleichzeitig legte er seine Hand auf eine Glasplatte, die den Abdruck prüfte. Nach wenigen Sekunden erklärte eine Computerstimme „Autorisierung erfolgt!“ und es ertönte ein mechanisches Klicken. O’Reilly legte den Verschlusshebel neunzig Grad nach rechts um und die schwere Tresortür ließ sich mit einem saugenden Geräusch erstaunlich leicht öffnen. Lautlos schwang sie nach außen. Gleichzeitig ging im Inneren des sich öffnenden Raumes eine indirekte Beleuchtung an, die ein warmes, geheimnisvolles Licht verströmte. Leise setzte ein Motor ein, der dafür sorgte, unerwünschte Luftfeuchtigkeit abzusaugen. Der Burgherr überschritt die Schwelle, dann blieb er stehen. Von einem Moment zum nächsten befand er sich in einer anderen Welt. Es eröffnete sich ihm ein aus grauen Felssteinen gemauertes, etwa fünf Meter hohes Gewölbe, an dessen Wänden keltische Ornamentik prangte. Er befand sich im Nachbau einer keltischen Kirche, die in diesen Betonbunker so eingefügt worden war, dass man von der Betonhülle nichts mehr erkennen konnte. Jedes Mal, wenn er diesen Raum betrat, ergriff ihn ein ehrfürchtiger Schauder. Mit glänzenden Augen betrachtete er seine Schätze, die, auf Samt gebettet und von kleinen Scheinwerfern angestrahlt, in gläsernen Vitrinen ausgestellt waren. Es handelte sich um überaus wertvolle Devotionalien, durchwegs Reliquien von irischen Heiligen – meist Märtyrern –, die er in zwei Jahrzehnten gesammelt hatte. Gebeine, Schädel, Kelche, Schwerter und verblasste Stofffetzen zeigten sich dem Betrachter. Er hatte Millionen in die Beschaffung investiert und für die Gutachten ausgegeben, die die Echtheit seiner Schätze belegten. Langsam durchschritt er die etwa zwölf Meter lange und sechs Meter breite „Kapelle“, wie er den Ort nannte. Die Absätze seiner Schuhe erzeugten auf den rauen, unebenen Steinplatten aus dem 9. Jahrhundert ein klackendes Geräusch. Am Ende schloss eine gerade Mauer das Gewölbe ab. Davor befand sich ein Altar, auf dem ein siebzig Zentimeter hoher Schrein stand, dessen vergoldete Außenwände Szenen der Passion Christi zeigten. O’Reilly blieb andächtig stehen und studierte jede dieser Szenen genau. Obwohl er sie schon oft betrachtet hatte, erzeugten sie bei ihm jedes Mal ein ehrfurchtsvolles Frösteln, auch wenn es sich nicht um das Original handelte. Das einzige Ausstellungsstück der Sammlung, das diesen Makel aufwies. Seit Jahren versuchte O’Reilly den originalen Schrein und vor allen Dingen seinen Inhalt in die Hände zu bekommen. Beides befand sich in...
Erscheint lt. Verlag | 1.11.2024 |
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Verlagsort | Würzburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Krimi • Mainfranken • Regionalkrimi • Rottmann • Schoppen • Wein • Winzer • Würzburg |
ISBN-10 | 3-429-06699-9 / 3429066999 |
ISBN-13 | 978-3-429-06699-4 / 9783429066994 |
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