G. F. Unger 2303 (eBook)

Verlorene Stadt

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Aufl. 2024
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6987-7 (ISBN)

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G. F. Unger 2303 - G. F. Unger
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Als der Sheriff aus dem Office tritt, kann er das Unheil wittern. Es liegt in der Luft wie ein Gestank.
Hank Jennings - so heißt der alte Sheriff - ist erfahren genug. Sein Instinkt ist wie der eines alten, narbigen Wolfes, der die Nachteile seines Alters durch reiche Erfahrung ausgleicht.
Er setzt sich langsam in Bewegung und geht die einzige Straße von Rio Bend hinunter in Richtung Fluss.
Es ist früher Morgen. Die kleine Stadt an der Flussbiegung ist noch nicht richtig wach. Nur Chet Cannon ist schon bei der Arbeit. Aus dem Kamin der Schmiedeesse quillt der erste Rauch. Im Schein des Schmiedefeuers bewegt sich Chet Cannons hagere, zäh wirkende Gestalt. Er betätigt den Blasebalg, um die nötige Hitze ins Feuer zu bekommen. Bald werden Hammerschläge aus der Schmiede in den Morgen klingen und die Stadt vollends zum Leben erwecken.
Der alte Sheriff denkt in diesen Sekunden, indes er verhält und in die Schmiede blickt, darüber nach, ob Chet Cannon, der sein ehrenamtlicher Deputy und Stellvertreter ist, zu ihm halten wird, wenn die wilde Horde durch die Furt kommt.
Und sollte Chet Cannon zu ihm halten, würde das etwas ändern? Hätten sie eine Chance? Kann er von Chet Cannon wirklich verlangen, an seiner Seite zu sterben?

Verlorene Stadt

Als der Sheriff aus dem Office tritt, kann er das Unheil wittern. Es liegt in der Luft wie ein Gestank.

Hank Jennings – so heißt der alte Sheriff – ist erfahren genug. Sein Instinkt ist wie der eines alten, narbigen Wolfes, der die Nachteile seines Alters durch reiche Erfahrung ausgleicht.

Er setzt sich langsam in Bewegung und geht die einzige Straße von Rio Bend hinunter in Richtung Fluss.

Es ist früher Morgen. Die kleine Stadt an der Flussbiegung ist noch nicht richtig wach. Nur Chet Cannon ist schon bei der Arbeit. Aus dem Kamin der Schmiedeesse quillt der erste Rauch. Im Schein des Schmiedefeuers bewegt sich Chet Cannons hagere, zäh wirkende Gestalt. Er betätigt den Blasebalg, um die nötige Hitze ins Feuer zu bekommen. Bald werden Hammerschläge aus der Schmiede in den Morgen klingen und die Stadt vollends zum Leben erwecken.

Der alte Sheriff denkt in diesen Sekunden, indes er verhält und in die Schmiede blickt, darüber nach, ob Chet Cannon, der sein ehrenamtlicher Deputy und Stellvertreter ist, zu ihm halten wird, wenn die wilde Horde durch die Furt kommt.

Und sollte Chet Cannon zu ihm halten, würde das etwas ändern? Hätten sie eine Chance? Kann er von Chet Cannon wirklich verlangen, an seiner Seite zu sterben?

Sie würden nämlich verdammt allein sein.

Die Stadt würde ihnen nicht beistehen. Das war am Tag zuvor schon in der Bürgerschaftsversammlung deutlich geworden, obwohl er den Leuten klarzumachen versuchte, dass Rio Bend verloren sei, wenn sie sich nicht hinter ihn stellen würden.

Hank Jennings entschließt sich plötzlich.

Er geht hinein in den Hof der Schmiede und nähert sich langsam dem Mann am Blasebalg. Chet Cannon sieht ihm entgegen und hält dann in seiner Bewegung inne. Der alte Sheriff tritt zu ihm. Einige Sekunden lang blicken sie sich an.

Und plötzlich weiß Hank Jennings, dass dieser Mann da bis in die Hölle und zurück zu ihm halten wird. Er spürt es, obwohl sie schweigen und sich nur ansehen.

Aber weil das so ist, fragt er sich, ob er das Opfer dieses Mannes annehmen darf. Denn sie würden verlieren. Allein hätten sie keine Chance. Trotzdem würde Chet Cannon nicht kneifen.

Warum nicht?

Diese Frage stellt sich der alte Sheriff. Und er glaubt, ziemlich sicher die Antwort zu wissen. Eigentlich hat er es immer schon geahnt, dass dieser Schmied nicht immer Schmied war, sondern eine ganz andere Vergangenheit hat. Und wahrscheinlich ist seine junge und so reizvolle Frau der Grund, dass Chet Cannon hier in River Bend als Schmied ein neues Leben begann.

Und er ist ein guter Schmied.

Hank Jennings entschließt sich plötzlich.

»Ich werde aufgeben«, sagt er heiser. »Denn wir beide haben keine Chance ohne die Hilfe der Bürgerschaft. Deine Frau würde zwar auch noch als Witwe schön sein, aber sie wäre eben nur noch eine schöne Witwe. Und ich würde zwar stolz sterben, aber tot sein. Mein Aufgeben wird keine Feigheit sein, und deshalb werde ich damit leben können. Gib mir also den Stern zurück.«

Er streckt seine Hand aus.

Chet Cannon blickt immer noch in die alten Falkenaugen.

Und wieder verstehen sie sich gut.

Schließlich greift Chet Cannon in seine Hemdtasche, holt dort den Blechstern eines Deputys heraus und legt ihn in die Hand des Sheriffs.

Dieser sagt: »Geh fort aus dieser Stadt, mein Junge, geh fort mit deiner reizvollen Frau. Denn diese Stadt ist nun verloren, so verloren wie ein Mann, der sich aufgibt.«

Nach diesen Worten wendet er sich ab, geht aus dem Hof der Schmiede und setzt seinen Weg fort, der ihn zur Furt führt.

Als er die letzten Häuser hinter sich lässt, hat er freien Blick auf den Rio Grande, den die Mexikaner auf der anderen Seite nicht Rio Grande, sondern Rio Bravo nennen.

Hank Jennings blickt hinüber. Dort drüben ist Mexiko. Und hinter den grünen Hügeln lebt eine wilde Horde von Banditen. Einen davon hat der alte Sheriff in seinem Gefängnis, das nur aus zwei Gitterzellen besteht. Und wenn er ihn bis heute Mittag nicht freilässt, dann wird die wilde Horde über den Fluss kommen und die Stadt kleinmachen.

So lautet die Drohung.

In Hank Jennings' Blick ist ein bitteres Bedauern.

Dies hier sollte sein letzter Job sein. Hier wollte er eines Tages bleiben und von seinen recht kargen Ersparnissen leben. Zur nächsten Sheriffwahl wollte er sich nicht mehr stellen.

Diese Stadt ist verloren, denkt er bitter. Dabei hätten wir es schaffen können, wären sie hier nur mutig genug. Dann wäre Rio Bend binnen weniger Jahre aufgeblüht und gewachsen.

Als er in die Stadt zurückkommt, ist es schon fast Mittag. Nun ist die Stadt lebendig.

Die Postkutsche kam von Norden her durch den Spaniol Canyon und lud einige Fahrgäste und Pakete aus, auch zwei Postsäcke.

Man hört das Hämmern des Schmieds und des Sattlers. Aus der Schreinerei tönt das Geräusch einer Säge. Der Saloon hat geöffnet, im Restaurant wird es bald Mittagessen geben.

Der Sattler, der Storehalter, Elvira Pickerton, die einen Schneiderladen betreibt, Ben Miller von der Saat- und Futtermittelhandlung und auch Arch Parker, der Barbier, der mal bei der Armee Sanitätssergeant war und eine Menge von Schusswunden und Knochenbrüchen versteht, sind aus ihren Läden getreten und beobachten den alten Sheriff gespannt. Sie sehen ihn im Hof verschwinden, wo sich auch der Mietstall befindet, und wenig später mit seinem gesattelten Wallach wieder herauskommen.

Langsam geht der Sheriff schräg über die Fahrbahn zu seinem Office hinüber, bindet den Wallach an und verschwindet im Office.

Was drinnen geschieht, wissen sie nicht.

Aber sie warten. Überall verharren die Menschen schweigend und warten.

Drinnen packt Hank Jennings leise seine wenigen Siebensachen, schnürt eine Sattelrolle und füllt zwei Packtaschen. Dann trägt er alles hinaus, schnallt es am Pferd fest und holt dann sein Gewehr, das er in den Sattelschuh schiebt.

Als er in die Runde blickt, wirkt er keineswegs verbittert, nein, nun sieht er aus wie ein Mann voller Spott und Verachtung.

Nochmals verschwindet er im Office, betritt den Zellenraum und nimmt den Schlüssel von der Wand.

Er wirft ihn durch die Öffnung zwischen den Gitterstäben und sagt: »Lefty Taggert, niemand wird dich aufhalten. Denn ich gebe auf und verschwinde von hier. Dein großer Bruder und deine Cousins haben gewonnen. Diese Stadt wird in Zukunft euch gehören. Und Burschen wie du werden hier in Zukunft ungestraft die schlimmsten Verbrechen begehen können.«

Der Gefangene erhebt sich von der harten Pritsche. Er ist noch jung, pickelgesichtig und strömt ständig eine wilde Bosheit aus.

»Ja, ich werde zuerst noch mal zum Storehalter gehen und ihn um die schöne Uhr bitten. Ich wette, diesmal muss ich ihm nicht den Revolver gegen den dicken Bauch drücken, damit er sie mir schenkt – diesmal nicht, hahaha!«

Der alte Sheriff hört nicht mehr auf das, was der junge Bandit sagt. Er geht hinaus, sitzt draußen auf und reitet nach Norden in Richtung Spaniol Canyon aus der Stadt, ohne sich einmal umzusehen.

Und die Stadt verharrt immer noch atemlos. Auch von den Feldern und aus den Gärten sehen die verharrenden Menschen dem Sheriff nach. Denn das Land steigt an bis zum großen Maul des Spaniol Canyons. Man kann ihn in der trockenen und deshalb so klaren Luft deutlich erkennen.

Aber dann fahren die Köpfe der Leute plötzlich herum, richten sich auf den Eingang zum Office.

Dort kommt nun Lefty Taggert heraus – grinsend, großspurig und herausfordernd. Er hält am Rand des Plankengehsteigs an und wippt auf den Fußsohlen. Seine Daumen hat er in die Westentaschen gehakt und genießt seinen Triumph.

Denn er weiß jetzt: Rio Bend ist feige. Diese kleine Stadt hat sich unterworfen. Und was er, Lefty Taggert, hier auch tun wird, er kann es ungestraft tun. Man wird es hinnehmen, ertragen.

Und dies gefällt ihm.

Es ist ein wundervolles Erfolgserlebnis für ihn. Er kommt sich riesengroß und gewaltig vor.

Und dies wollte er im Schatten seines großen Bruders Reb Taggert und seiner beiden Cousins Juan und Pasco schon immer sein.

Er trägt wieder seine beiden Revolver, die er sich drinnen im Office aus dem Regal nahm. Er trägt die beiden Waffen auf herausfordernde Art, nicht nur sehr tief geschnallt, sondern mit den Kolben nach außen.

Nachdem er das für ihn so wunderbare Gefühl ausgekostet hat, setzt er sich in Bewegung.

Eigentlich ist er ein schmächtiger Bursche mit einem krummen Rücken und Beinen. Ein Leichtgewicht. Dennoch ist er gefährlich wie eine Ratte.

Sein Weg führt ihn geradewegs zum Store hinüber.

Dort stand soeben noch der Storehalter James Baker vor der Tür. Doch als Lefty Taggert sich in Bewegung setzte, verschwand er.

Sie alle verschwinden nun in den Häusern und Läden. Und es ist irgendwie so, als wollten sie nichts mehr sehen und hören, als steckten sie jetzt alle hier in Rio Bend die Köpfe in den Sand.

In diesem Moment gibt die kleine Stadt ihre Gemeinschaft auf, und plötzlich ist jeder hier allein.

Lefty Taggert stößt dicht vor dem Store ein heiseres...

Erscheint lt. Verlag 21.12.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer-Roman • alfred-bekker • Bestseller • bud-spencer • buffalo-bill • Cassidy • Chaco • clint-eastwood • Country • Cowboy • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Erwachsene • Exklusiv • für • GF • g f barner • Indianer • jack-slade • Jugend • Karl May • kelter-verlag • Kindle • Klassiker • Krimi • Laredo • larry-lash • Lassiter • lucky-luke • Männer • martin-wachter • pete-hackett • peter-dubina • Reihe • Ringo • Roman-Heft • Serie • sonder-edition • Western • Western-roman • Wilder Westen • Wilder-Westen • Winnetou • Wyatt Earp • Wyatt-Earp
ISBN-10 3-7517-6987-0 / 3751769870
ISBN-13 978-3-7517-6987-7 / 9783751769877
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