Das Haus Zamis 110 (eBook)

Rebeccas Baby

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Aufl. 2024
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-7295-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus Zamis 110 - Logan Dee
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Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Hilflos stand ich da und sah, wie das Paillettenkleid wie ein körperloses Gespenst in der Luft schwebte. Nach und nach entfaltete es sich, eine Gestalt formte sich darin, bis schließlich eine Frau zu sehen war. Sie war durchscheinend wie ein Geist. Die Frau war uralt, zahlreiche Runzeln durchfurchten ihr eingefallenes Gesicht. Auf dem fast kahlen Schädel sprossen einige wenige rote Haarsträhnen. Die schwarzen Rattenaugen starrten mich böse an. Mit ihren Geisterfingern tätschelte sie meine Wangen, dann fuhren ihre Hände meine Kehle hinab bis zu meinen Brüsten. Ich spürte die eisige Kälte, die von ihr ausging. »Kleine Mädchen wie dich habe ich zum Frühstück vernascht. Allerdings könntest du etwas mehr Speck auf den Rippen vertragen.« »Wer bist du?«, fragte ich. Obwohl mir schwante, wer vor mir stand, gab ich mir keine Blöße. »Elisabeth Báthory. Man nennt mich auch die Blutgräfin ...«


1. Kapitel


Ich schlug die Decke zurück und erhob mich von meinem Strohlager. Gundel schnaufte, im nächsten Moment schnappte sie nach Luft, als würde sie ersticken. Ich verharrte und hielt den Atem an. Nach einer halben Minute war sie wieder fest eingeschlafen und schnarchte weiter.

Der Sichelmond verbarg sich hinter dichten Wolkenschleiern, sodass es in unserem Wohnwagen eigentlich hätte dunkel sein müssen. Dennoch war alles von einem rötlichen fluorisierenden Licht erfüllt, das wie träger Nebel der Truhe entströmte.

Ich schlich dorthin, horchte noch einmal nach der schnarchenden Gundula und riss die Truhe mit einem Ruck auf. Etwas zischte auf mich zu. Instinktiv wollte ich einen Abwehrzauber weben, aber es ging alles viel zu schnell. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Hilflos stand ich da und sah, wie das Paillettenkleid wie ein körperloses Gespenst in der Luft schwebte. Nach und nach entfaltete es sich, eine Gestalt formte sich darin, bis schließlich eine Frau zu sehen war. Sie war durchscheinend wie ein Geist. Die Frau war uralt, zahlreiche Runzeln durchfurchten ihr eingefallenes Gesicht. Auf dem fast kahlen Schädel sprossen einige wenige rote Haarsträhnen. Die schwarzen Rattenaugen starrten mich böse an.

»Endlich! Ich dachte schon, ich müsste ewig in der Truhe verrotten!«

»Du – du warst darin?«, fragte ich fassungslos.

»Natürlich nur mein Geist, du dumme Gans! Er ist mit der Peitsche verwoben.«

»Sei vorsichtig!«, drohte ich. »Niemand beleidigt mich ungestraft!« Gleichzeitig wollte ich mich nach Gundula umdrehen, weil ich Sorge hatte, dass sie von unserem Disput erwachte. Doch nach wie vor konnte ich mich nicht bewegen.

Die Unbekannte lachte spöttisch auf. »Willst du mir drohen, Kindchen?« Mit ihren Geisterfingern tätschelte sie meine Wangen, dann fuhren ihre Hände meine Kehle hinab bis zu meinen Brüsten. Ich spürte die eisige Kälte, die von ihr ausging. Dabei fühlte ich mich wie ein Pferd, das taxiert und abgeschätzt wird. »Kleine Mädchen wie dich habe ich zum Frühstück vernascht. Allerdings könntest du etwas mehr Speck auf den Rippen vertragen.«

»Wer bist du?«, fragte ich. Obwohl mir schwante, wer vor mir stand, gab ich mir keine Blöße.

»Elisabeth Báthory. Man nennt mich auch die Blutgräfin.«

»Elisabeth Báthory starb am 21. August 1614 zwei Stunden nach Mitternacht an dem Gift, das man ihr verabreicht hatte«, entgegnete ich kühl. Ich hatte meine Hausaufgaben gemacht. Schließlich besaß ich die Blutpeitsche bereits seit einigen Jahren. Der Wiener Händler, der sie mir verkauft hatte, hatte mich darauf hingewiesen, dass sie einst der berüchtigten Blutgräfin gehört hatte. Daraufhin hatte ich mich über sie kundig gemacht. Angeblich hatte sie im Laufe ihres Lebens über sechshundert Jungfrauen auf sadistische Weise zu Tode gequält und anschließend ihr Blut getrunken oder darin gebadet.

»Du zweifelst an meinen Worten?« Ihre eiskalte Hand krallte sich schmerzhaft in meine linke Brust. Ich sah die Begierde in ihren Augen aufblitzen. »Ich sagte dir doch, dass ich ein Geist bin. Das Blut meiner Opfer hat mich unsterblich gemacht. Selbst die Hölle hat mich wieder ausgespuckt.«

»Genauso siehst du auch aus. Als hättest du mit dem Teufel gebuhlt!« Ich dachte nicht daran, mich von ihr ins Bockshorn jagen zu lassen. Der Preis dafür war, dass sie noch schmerzhafter zupackte. Ich schrie auf.

»Schrei, so laut du willst«, sagte sie gehässig. »Weder deine Gundula noch jemand anders wird dich hören. Sie schlafen alle tief und fest, solange ich mich mit dir befasse.«

Ich versuchte erneut, mich aus ihrem Bann zu befreien, aber sie war zu stark.

»Hör zu, ich habe keine Lust, meine Zeit mit unnötigen Tändeleien zu vergeuden. Die Blutpeitsche hat schon länger keine Nahrung mehr erhalten. Nur durch sie erlange ich meine Kraft und Stärke zurück. Es wird Zeit, dass du ihr neue Opfer zuführst! Sie ist hungrig. Erwecke sie zu neuem Leben!«

Obwohl es mir zuwider war, Befehle zu erhalten, sagte ich: »Nur zu gerne. Vielleicht benötige ich dabei aber deine Hilfe.«

Ich wollte ihr erzählen, wie ich den Kampf gegen Chacal verloren hatte und dadurch fast verbannt worden wäre. Nur Gundula hatte mir beigestanden. Und nur weil sie mich aufgenommen hatte, hatte ich überhaupt ein Dach über dem Kopf. Meinen eigenen Wagen hatte Dragomir, der Zirkusdirektor, Chacal überlassen.

Aber die Blutgräfin winkte ab. »Das weiß ich alles längst. Erspar mir deine langweilige Lebensgeschichte. Du musst Chacal besiegen, damit die Peitsche wieder Blut trinken kann. Wie du das machst, ist deine Sache!«

»Ich bin längst dabei, einen Plan in die Tat umzusetzen«, erwiderte ich verärgert. »Ich brauche keine Ratschläge, sondern echte Hilfe!«

»Gib der Peitsche das, nach dem sie verlangt«, sagte die Erscheinung. »Dann wird sich alles finden.«

Von einem Moment zum anderen löste sie sich in Luft auf. Gleichzeitig stellte ich fest, dass ich mich wieder bewegen konnte.

Das Paillettenkleid fiel zu Boden. Die Peitsche, die in der Truhe lag, leuchtete jedoch noch immer.

Ich bückte mich danach und wog sie in den Händen. Dabei spürte ich die Kraft, die von ihr ausging und mich durchströmte. Die Kraft, die Stärke, die Macht – aber auch den Hunger, das Blut, nach dem sie lechzte.

Langsam wandte ich mich um und ging auf das Bett der schlafenden Gundula zu. Sollte ich ...?

Im letzten Augenblick zögerte ich davor zurück, sie ins Jenseits zu befördern.

Da spürte ich, wie die Peitsche in meiner Hand ein Eigenleben entwickelte. Wie der Geist der Báthory, der in ihr schlummerte, nach meinem Willen griff. Ich wehrte mich.

Und ich war stärker.

Als ahnte ich, dass die alte Gundula mir noch zu Nutzen sein würde.

Die Alte schlief derweil weiter, ohne zu ahnen, dass sie nur knapp mit dem Leben davongekommen war.

Ich zog mir etwas über und schlich nach draußen. Der Zirkus Dragomir hatte auf einer Lichtung sein Lager aufgeschlagen. Ringsum lagen undurchdringliche Wälder. Der klagende Ruf eines Wolfs hallte durch die Nacht. Vielleicht war es auch ein Werwolf. Wir hatten in der letzten Nacht hier haltgemacht. Unter den Dämonen in der Umgebung hatte es sich schnell herumgesprochen, dass wir angekommen waren. Die Nachtvorstellung war ausverkauft gewesen.

Ich kam an dem Wagen mit den beiden Yetis vorbei. Sie rochen mich und zerrten an ihren Ketten. Ich belegte sie mit einem leichten Ruhezauber, damit sie niemanden aufweckten.

Endlich hatte ich das Ziel meines nächtlichen Ausflugs erreicht.

Ich wunderte mich, dass leises Geigenspiel aus dem Wohnwagen drang. Die dissonanten Töne, die George Botosani seinem Instrument entlockte, schraubten sich wie Ohrenkneifer in meine Gehörgänge.

Aber gut, wenn er eh wach war, brauchte ich ihn nicht groß aus dem Schlaf zu rütteln. Um keine weitere Aufmerksamkeit zu erwecken, klopfte ich nicht an, sondern öffnete leise die Tür.

Umso erstaunter war ich, dass der Wohnwagen leer war!

Im selben Augenblick verstummte die Musik mit einem dissonanten Krächzen. Schnell erkannte ich, woher sie stammte: aus einem Grammofon. Außer auf Abbildungen hatte ich so ein Gerät noch nie gesehen. Umso beeindruckter war ich. Neugierig trat ich näher und bestaunte die Apparatur. Die Schallplatte, auf der die Musik gespeichert war, drehte sich noch immer.

Mein erster Gedanke war, dass Botosani darauf sein eigenes Geigenspiel verewigt hatte. Doch dann las ich das Etikett, auf das jemand mit krakeliger Handschrift verfasst hatte:

Sonata per diavolo von Niccolò Paganini

Ich staunte. Paganini war auch mir ein Begriff. Innerhalb der Schwarzen Familie wurde kolportiert, dass er Asmodi seine Seele verkauft habe. Auch unter ihnen galt er als Teufelsgeiger.

Aber wie gelangte sein Spiel auf die Schallplatte? Zu Paganinis Lebzeiten hatte es noch keine Aufzeichnungsgeräte gegeben. Oder war es doch Botosani, der zu hören gewesen war?

Wie auch immer, es war ein kleines Geheimnis mehr, das es zu lösen galt. Noch immer war ich mir nicht sicher, wie stark Botosani wirklich war. Als Gegner. Aber auch als möglicher Verbündeter.

Ich wandte mich wieder der Frage zu, wo er wohl steckte. In seinem Wohnwagen jedenfalls nicht. Ich suchte jeden Winkel ab. Schließlich verließ ich den Wagen wieder und stand etwas ratlos herum.

Was sollte ich tun? Zurückgehen und mich wieder schlafen legen. Der Knauf der Peitsche vibrierte leicht in meiner Hand. Nein, sie würde keine Ruhe geben. Nicht eher, bis sie wieder Blut geleckt hatte. Und auf eine weitere Begegnung mit der Blutgräfin verspürte ich wenig Lust. Also konnte ich genauso gut weiter nach Botosani suchen.

Er konnte natürlich in irgendeinem der anderen Wagen stecken. Doch wusste ich, dass er keine Freunde unter den Zirkusleuten hatte. Ich hatte ihn nur ein paarmal dabei gesehen, wie er mit den Freaks aus dem Orchester zusammenhing, aber das mochte auch damit zusammenhängen, dass er mit ihnen irgendwelche Musikstücke besprach. Nein,...

Erscheint lt. Verlag 28.12.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-7295-2 / 3751772952
ISBN-13 978-3-7517-7295-2 / 9783751772952
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