Teufelsjagd und Blutgericht (eBook)
554 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3389-9 (ISBN)
Ein Mönch zwischen Mord und Intrigen.
Im Jahre 1211, im Schatten des Klosters Heisterbach, lebt Bruder Leonhard - von seinen Mitbrüdern eher spöttisch 'Bruder Schlendrian' genannt. Er ist alles andere als ein Held. Doch als ein grausamer Mord die Gemeinschaft erschüttert, steht er plötzlich im Zentrum dunkler Intrigen und unheilvoller Geheimnisse. Sein Gegner: Diethelm zu Deutz, der brutale Baumeister der Löwenburg. Während Leonhard versucht, die Schuldigen zur Strecke zu bringen, gerät er selbst unter Verdacht und muss sich den erbarmungslosen Nachstellungen des päpstlichen Inquisitors stellen. Mit unerwartetem Mut und Klugheit widersetzt er sich den Mächten des Bösen und wagt das Unvorstellbare - um Gerechtigkeit zu kämpfen und seine Jugendliebe Martha zu retten. Doch am Ende steht mehr auf dem Spiel als nur sein eigenes Leben ...
Ein mittelalterlicher Kriminalroman, der Historie, Liebe und Intrige meisterhaft vereint und den Leser in eine längst vergangene Welt voller Geheimnisse und Gefahren entführt.
Kapitel 1 Der Mönch im Weinberg des Klosters, Montag, 15. August 1211, Hochfest der Aufnahme Mariä in den Himmel
Im Spätsommer des Jahres 1211 brannte die Sonne heiß vom Himmel. Die eintönige Arbeit im Weinberg des Klostergutes verführte zu lähmender Trägheit. Leonhard gab dem Bedürfnis nach Contemplatio[1] , einer tiefen inneren Ruhe, allzu gern nach. Er schwitzte, schlief und träumte davon, dass er geborgen, fest umwickelt von einer kratzigen Wolldecke, in seinem Bettkasten lag. Ausschlafen, ohne Glockengeläut und Morgengesänge. Den Sonnenaufgang sich selbst überlassend!
Aus tiefstem Herzen zweifelte Leonhard daran, dass es Gott gefiele, nie mit wachen Sinnen den Tag zu begrüßen. Wenn er im Paradies einen Platz mit Stimmrecht bekäme, würde er die Müdigkeit und den Schlaf zuallererst in den Rang der schützenswerten Tugenden erheben und ein Schlafgebot an die Menschheit erlassen. ›Wer schläft, der sündigt nicht und führt ein gottgefälliges Leben!‹ Wo stand etwas von einer Plackerei bei großer Hitze im Weinberg geschrieben? Wer sich rechtfertigte, rechnete mit einem Ankläger. Das vertrug kein seliger Schlaf. Leonhard seufzte. Einmal ausschlafen, genauso, wie es die Leute im Dorf zu tun pflegten. Oder wie es früher bei ihm zu Hause üblich gewesen war, als Mutter und Vater noch gelebt hatten. Diese Erinnerung schmerzte. Leonhard schlug wütend nach den lästigen Fliegen und verpasste sich eine Ohrfeige. Schlaflosigkeit verursachte trübe Gedanken! Leonhard mühte sich, an Angenehmes zu denken. Nichts wünschte er sich sehnlicher, als Gott für seine Schöpfung und den erholsamen Schlaf zu preisen …
Doch jetzt stachen ihn Brocken von Schiefergestein und Kiesel in den Rücken. Er schimpfte, drehte sich vorsichtig zur Seite. Er blinzelte an den Blättern und Reben der Weinstöcke vorbei in das Sonnenlicht. Auch die Seitenlage wurde unbequem. Früher hätten ihn ein paar Steine nicht davon abgehalten, fest einzuschlafen. Neuerdings spürte er Steine in den Rücken stechen, wo sie sich noch vor einem Jahr angeschmiegt hatten. Man wurde älter, um mit seinen Muskeln und Knochen an dieser ungerechten Welt Anstoß zu nehmen. Von früh bis spät in den Fußstapfen des Heiligen Benedikt unterwegs. Beten, lobpreisen, lernen und arbeiten! ›Wie viel Arbeit verträgt der Mensch in Gottes Welt?‹ Seiner Ansicht nach wäre kein Stand als der eines Zisterziensermönchs berufener gewesen, die Dinge untätig auf sich zuwachsen zu sehen. Doch niemand interessierte sich für die Weisheit eines Novizen.
Aus dem unteren Teil des Weinbergs hörte er die gleichförmigen Arbeitsgeräusche, die seine Mitbrüder Stunde um Stunde bei der Beschneidung der Weinstöcke und der Beseitigung des wuchernden Unkrauts verursachten. Das Kratzen, Klopfen, Rascheln hallte in seinen Wahrnehmungen nach und entfaltete zusammen mit der Sonnenwärme eine betäubende Wirkung auf Leonhard. Er gähnte. Seine Augenlider, schwer wie Blei, senkten sich langsam.
Das beharrliche Krähen eines Hahns verscheuchte den Schlaf endgültig. Das war das Vieh von der Dorfschänke von Oberdollendorf. Prachtexemplare beide, Wirt und Hahn, die sich gern aufplusterten. Leonhard setzte sich auf, blickte hilflos die Reihen der Weinstöcke entlang, die seiner pflegenden Fürsorge harrten. Vielleicht würde er zur Strafe für seinen Müßiggang auf die Vespermahlzeit verzichten müssen. Nur nicht wieder fasten! »Was ist die Welt das reinste Jammertal!«, schimpfte er. Unendlich langsam kam er auf die Beine, schlug ein Kreuz und griff nach seinem Rebmesser. Ihm blieb mit etwas Glück eine halbe Stunde, um den schlechten Eindruck zu korrigieren. Allerlei Getier zwickte und quälte ihn. Leonhard legte das Messer wieder zur Seite und kratzte sich ausgiebig. Mit Hingabe spuckte er auf die juckenden Stellen, die Mückenstiche und Läusebisse auf seiner Haut hinterlassen hatten. Außerdem musste er pinkeln. Rasch stellte er sich zwischen die Rebstöcke und hob sein Gewand. Er hatte sein Geschäft noch nicht verrichtet, als eine Stimme ihn von hinten anrief: »Bruder Schlendrian! Der Novizenmeister[2] wünscht dich zu sprechen. Beeil dich! Falls du weißt, wie das geht.«
Mit gelupfter Kutte anderweitig beschäftigt, blickte Leonhard erschrocken über die Schulter zum Mitbruder und zeigte sich unbeeindruckt. »Schon gut, ich komme ja. Nenn mich nicht immer so!«
»Ich soll dich ablösen. Wenn ich mir anschaue, wie weit du in den letzten zwei Tagen gekommen bist, finde ich, der Prior[3] sollte sich deiner annehmen!«, schimpfte Bruder Matthäus, dem anzusehen war, dass er sich lieber um den neuen Friedhof des Klosters gekümmert hätte, für den er zuständig war.
»Gut Ding will Weile haben. Sagt nicht Bruder Cellerar[4] , dass in dem Weinberg, den ich beschnitten habe, stets die besten Trauben wüchsen? Daher verdirb nichts mit deiner Hetze. Gottes Wunder der Natur verdient mehr Aufmerksamkeit.« Solche Sprüche kamen Leonhard flott über die Lippen. Er schnappte sie auf, und schon hafteten sie in seinem Gedächtnis. Mit ihnen ließ sich das Chaos in der Welt in kleine wehrhafte Wahrheiten verpacken. Doch was war eine solche Gabe in einem Zisterzienserkloster mit stundenweisem Schweigegebot wert?
»Du und deine ewigen Sprüche, Bruder Schlendrian!«, schimpfte Bruder Matthäus. »Unnütze Geschwätzigkeit ist auch eine Sünde! Ab mit dir, Bruder Caesarius wartet!«
»In Gottes Namen: Halleluja! Gutes Gelingen, Bruder.« Leonhard schaute ihm lächelnd hinterher, wie er gemächlich einer Reihe Reben hangaufwärts folgte, die bislang nicht die gebotene Behandlung erfahren hatte. Dann raffte er seine Kutte und lief los. Immer wieder fiel es ihm schwer, die von einem Mönch zu beachtenden Regeln im Alltag einzuhalten. Eile stand dem Mönchsstand nicht gut zu Gesicht. Es gab Anlässe, an denen er sogar an seiner Berufung zweifelte.
Seine Mutter war in der Fieberepidemie im November des Jahres 1207 gestorben. Drei quälend lange Tage und Nächte hatte ihr Leiden und Sterben gedauert. Sie hatten sie noch nicht beerdigt, da musste Leonhard mit ansehen, wie der Baumeister des Grafen unter der Aufsicht eines Ritters von Eulenburg an seinem Vater ein ›Gottesurteil‹ vollzog und ihn im Rhein ertränkte. Die Fieberepidemie raffte auch Nachbarn und Freunde dahin wie die Fliegen. Die Menschen suchten in ihrer Verzweiflung nach Erklärungen und erhofften sich, weil nichts mehr half, Errettung, wenn sie nur einen Schuldigen benennen konnten. Sie ließen sich leicht aufwiegeln und vergriffen sich am Priester von Oberdollendorf, am Prediger aus Römlinghoven sowie an dessen Fürsprecher, dem Vater von Leonhards bestem Freund Jost. Sie fesselten alle drei und warfen sie in die eiskalten Fluten des Rheins. Gott würde es richten, wenn sie unschuldig wären. Rüttelschrin, ein Gauner, der sich als Wanderprediger ausgegeben hatte, und Diethelm zu Deutz, Baumeister des Grafen von Sayn auf der Löwenburg, waren unter der Aufsicht des Ritters die treibenden Kräfte. Zu Deutz stieß dabei Leonhards Vater, der sich trotz seiner Fesselungen über Wasser hielt, mit einem Holzstock so lange in die Flussströmung, bis er ertrank. Leonhard war damals erst vierzehn Jahre alt gewesen, als er binnen weniger Stunden beide Elternteile verloren hatte. Die Mönche hatten sich um ihn gekümmert, ihn getröstet, wenn ihn Albträume quälten. Für ihn machten sie eine Ausnahme, denn üblicherweise nahmen sie keine Kinder im Kloster auf. Heute wusste er, sie hatten ihn vor dem Zugriff des brutalen Baumeisters Diethelm zu Deutz bewahrt.
Jost, seinem besten Freund, erging es nicht so gut. Wie Leonhard im letzten Jahr von Bruder Josef, dem uralten Pförtner, erfuhr, war sein Freund in den Steinbruch am Weilberg verschleppt worden. Jost habe diese schlimme Zeit überstanden, versicherte ihm Bruder Josef. Er schuftete jetzt auf der Baustelle der Löwenburg. Die Verhältnisse auf der Burg sollten für die Arbeiter menschlicher sein. Leonhard wünschte es seinem zwei Jahre älteren Freund von Herzen. Bruder Josef, den viele aufsuchten, weil er mancherlei über die Zukunft zu sagen wusste, sagte Leonhard voraus, dass er Jost wiedersehen würde. Leonhard widersprach dem freundlichen alten Pförtner nicht, kannte jedoch seine Bestimmung. Er würde Zisterziensermönch im Kloster Heisterbach[5] . Da...
Erscheint lt. Verlag | 19.11.2024 |
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Reihe/Serie | Bruder Leonhard ermittelt |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror | |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Ermittlungen • Geschichte • Historischer Kriminalroman • Kirche • Kloster • Krimi • Kriminalroman • Mittelalter • Mönch • Mönchtum • Mord • Nonne • Roman • Schwester Fidelma • Verbrechen |
ISBN-10 | 3-8412-3389-9 / 3841233899 |
ISBN-13 | 978-3-8412-3389-9 / 9783841233899 |
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