Ein Earl für Miss Tallie (eBook)
384 Seiten
CORA Verlag
978-3-7515-2703-3 (ISBN)
Miss Thalia Robinson, genannt Tallie, weiß, dass auf sie - trotz ihrer Jugend - im Leben nicht mehr viel wartet. Als Waise darf sie glücklich sein, dass sie eine Beschäftigung darin gefunden hat, die drei niedlichen Kinder ihrer Cousine zu erziehen. So verbringt sie ihre Zeit mit stillen Tagträumen von der Liebe, bis ihre Cousine sie erneut zurate zieht: Magnus, der Earl of d'Arenville, ist auf Brautschau! Doch der anspruchsvolle Earl hat bisher jede Braut verschmäht. Vielleicht findet Tallie ja die junge Dame, die sein eisiges Herz zum Schmelzen bringt? Wenn sie sich nur nicht selbst danach verzehren würde, die zärtliche Aufmerksamkeit des Earls zu erringen ...
<p>Schon als junges Mädchen begeisterte sich Anne Gracie für die Romane von Georgette Heyer - für sie die perfekte Mischung aus Geschichte, Romantik und Humor. Geschichte generell, aber auch die Geschichte ihrer eigenen Familie ist Inspirationsquelle für Anne, deren erster Roman für den RITA Award in der Kategorie beste Erstveröffentlichung nominiert war. Ihr Urgroßvater, ein Seemann, ging Ende des 19. Jahrhunderts in Australien an Land und blieb dann für immer weil er sich dort in ein Mädchen verliebt hatte, das er später heiratete. Anne selbst lebt in Melbourne in einem kleinen Holzhaus und widmet sich in ihrer Freizeit der Imkerei. Zudem unterrichtet sie an einem College Englisch um so ihre Liebe zur englischen Literatur weiterzugeben und in einem Programm zur Bekämpfung des Analphabetentums erteilt sie Erwachsenen Unterricht. Das Faszinierendste am Schreiben ist für Anne die Entstehung der Charaktere und die Entwicklung ihrer Leben. Oft wacht sie mitten in der Nacht auf und hat eine bestimmte Szene im Kopf, die dann häufig der Beginn des nächsten Romans ist.</p>
PROLOG
Yorkshire, Februar 1803
„Mylord, ich … ich bin mir sicher, dass Mr. Freddie …“ „Freddie?“, fuhr Magnus, Lord d’Arenville, dem Dienstmädchen ungnädig ins Wort. Das Mädchen errötete und strich sich mit den Händen fahrig über die gestärkte weiße Schürze.
„Äh … Hochwürden Winstanley, meine ich, Sir. Er wird Sie nicht mehr lange warten lassen, Sir, es ist nur so, dass …“
„Eine Erklärung ist nicht nötig“, beschied Magnus ihr kühl. „Ich bin gewiss, dass Hochwürden Winstanley erscheinen wird, sobald es ihm möglich ist. Ich werde warten.“ Er richtete den stählernen Blick seiner grauen Augen auf ein Aquarellgemälde, das in der Nähe hing, und signalisierte ihr damit unmissverständlich, dass sie entlassen sei. Das Dienstmädchen ging hastig rückwärts aus dem Salon, drehte sich um und rannte fast den Korridor entlang.
Magnus schaute sich im Zimmer um und bemerkte dessen wenig elegante Proportionen ebenso wie das verschlissene, schäbige Mobiliar. Durch ein einsames winziges Fenster sickerte spärliches Licht herein. Er schlenderte hinüber, sah hinaus und legte die Stirn in Falten. Das Fenster ging auf den Friedhof hinaus und gewährte den Bewohnern des Hauses einen deprimierenden Ausblick auf die Sterblichkeit.
Gott, wie unfassbar trostlos, dachte Magnus und setzte sich auf ein fadenscheiniges Sofa. Ob alle Pfarrer so lebten? Das nahm er nicht an, aber sicher war er sich nicht, denn sein Lebenswandel brachte ihn nicht gerade auf Tuchfühlung mit dem Klerus. Ganz im Gegenteil. Und hätte sein ältester Freund Freddie Winstanley sich nicht den Kragen eines Geistlichen umgelegt, würde Magnus nach wie vor in seliger Unwissenheit schwelgen.
Er seufzte. Angeödet, weltmüde und von einer unerklärlichen Unruhe erfasst, hatte er sich spontan entschieden, den langen Weg bis hinauf nach Yorkshire zu fahren, um Freddie zu besuchen, den er seit Jahren nicht gesehen hatte. Und nun, da er hier war, fragte er sich, ob es richtig gewesen war, unangekündigt in dem beengten, heruntergekommenen Pfarrhaus aufzutauchen.
Ein leises Kichern riss ihn aus seinen Betrachtungen. Stirnrunzelnd schaute er sich um. Niemand zu sehen. Wieder ertönte das Kichern. Magnus’ Miene verfinsterte sich. Er wurde nicht gern verspottet.
„Wer ist da?“
„Hallo, Mann.“ Die Stimme kam, leicht gedämpft, von einer kaum sichtbaren Ausbuchtung in den Vorhängen. Während er diese betrachtete, teilten sich die Vorhänge, und ein schelmisches kleines Gesicht spähte hervor.
Magnus blinzelte. Es war ein Kind, ein sehr kleines Kind – ein Mädchen, befand er nach einem Augenblick. Zwar war er noch nie einem Kind dieser Größe begegnet und verstand auch nichts von Kindermode, aber es schien ihm eher weiblichen Geschlechts zu sein. Es hatte dunkles lockiges Haar und große braune Rehaugen. Und es musterte ihn auf dieselbe vereinnahmende Weise, auf die so viele weibliche Wesen ihn ansahen.
Flüchtig schaute er zur Tür in der Hoffnung, irgendwer würde das Kind holen und dorthin zurückbringen, wohin es gehörte.
„Hallo, Mann“, wiederholte der kleine Fratz.
Magnus hob eine Augenbraue. Offenbar wurde von ihm eine Antwort erwartet. Wie zum Teufel redete man mit Kindern?
„Guten Tag“, sagte er nach einem Moment.
Daraufhin lächelte die Kleine und stürzte auf unsicheren Beinchen auf ihn zu. Entsetzt erstarrte Magnus. Entgegen seiner Erwartungen gelang es ihr, das Zimmer zu durchqueren und sein Knie zu erreichen, ohne zu Schaden zu kommen. Strahlend sah sie zu ihm auf und grub ihre feuchten, pummeligen Fäuste in seine makellose Hirschlederhose. Magnus zuckte zusammen. Sein Kammerdiener würde einen Anfall erleiden. Die Hände des Kindes waren zweifellos schmutzig. Und klebrig. Magnus mochte nicht das Geringste über Kinder wissen, aber davon war er aus unerfindlichen Gründen überzeugt.
„Hoch, Mann.“ Der Fratz reckte seine Ärmchen in der eindeutigen Absicht, hochgehoben zu werden.
Stirnrunzelnd starrte Magnus auf die Kleine hinab, darauf vertrauend, dass seine bis dato unangefochtene Fertigkeit, sich unerwünschte weibliche Geschöpfe vom Hals zu schaffen, auch in Bezug auf dieses zwergenhafte Exemplar nicht versagen würde.
Der Fratz starrte stirnrunzelnd zurück.
Magnus starrte finsterer.
Der Fratz starrte finster zurück. „Hoch, Mann“, wiederholte die Kleine und hämmerte mit ihrer winzigen Faust auf sein Knie ein.
Magnus warf einen gehetzten Blick zur offenen Tür, die nach wie vor erschreckend leer war.
Mit seiner kleinen klebrigen Faust zupfte das Mädchen ihn am Arm. „Hoch!“, befahl es erneut.
„Nein danke“, erwiderte er höflich, aber möglichst frostig. Herrgott, wollte denn niemand kommen und ihn retten?
Die großen Augen wurden umso größer, und ein trauriger Zug legte sich um den kleinen Rosenknospenmund. Die Unterlippe bebte. All dies in Magnus’ zynischen Augen unmissverständliche Zeichen dafür, dass ein weibliches Wesen kurz davorstand, in lautstarkes, erpresserisches Wehgeschrei auszubrechen. Offenbar begannen sie früh damit. Kein Wunder, dass sie es so formvollendet beherrschten, sobald sie erwachsen waren.
Das kleine Gesicht verzog sich.
O Gott, dachte Magnus verzweifelt. Ihm blieb nichts anderes übrig – er würde die Kleine hochheben müssen. Mit spitzen Fingern fasste er sie bei der Taille und hob sie behutsam hoch, bis sie auf gleicher Augenhöhe mit ihm war. Ihre winzigen Füße baumelten herab, während sie ihn ernst musterte.
Sie streckte die rundlichen, mit Grübchen übersäten Arme aus. „D’ücken!“
Wieder war ihre Forderung unmissverständlich. Vorsichtig barg er sie an sich, doch sie schlang ihm jäh die Arme um den Hals und klammerte sich überraschend fest an ihn. Binnen Sekunden hatte sie es sich auf seinem Schoß bequem gemacht und sich an einen seiner Arme geschmiegt, wobei sie ihm eifrig das Krawattentuch ruinierte. Es derart kunstvoll zu falten hat mich ja auch nur eine geschlagene halbe Stunde gekostet, dachte er bissig.
Sie plapperte in einem fort vertraulich auf ihn ein, mit einer Mischung aus Englisch und einem unverständlichen Kauderwelsch. Dann und wann unterbrach sie sich, um ihm, so klang es jedenfalls, eine Frage zu stellen, die Magnus mechanisch beantwortete. Allmächtiger, wenn irgendwer ihn so sähe, wäre sein Ruf unrettbar dahin. Aber er hatte keine Wahl – er wollte nicht noch einmal sehen, wie sich dieses kleine Gesicht verzog.
Einmal hielt sie mitten in einer Geschichte inne, die offenbar besonders verzwickt war, schaute zu ihm auf und betrachtete sein Gesicht mit einem höchst sonderbaren Blick. Leises Unbehagen befiel Magnus. Er fragte sich, was sie vorhaben mochte. Prompt streckte sie die Hand aus und zeichnete die lange, vertikale Vertiefung in seiner rechten Wange mit einem ihrer kleinen, weichen Finger nach.
„Was is’ das?“
Er wusste nicht, was er antworten sollte. Eine Falte? Eine Furche? Ein langes Grübchen? Niemand hatte je die Dreistigkeit besessen, ihn darauf anzusprechen. „Ähm … das ist meine Wange.“
Abermals fuhr sie nachdenklich über die Vertiefung, ehe sie sein Kinn in die Hand nahm, seinen Kopf drehte und mit dem Finger über die Furche auf der anderen Wange glitt. Danach strich sie sanft und feierlich über beide Furchen gleichzeitig. Einen Moment lang sah sie ihn eingehend an, bevor sie lächelnd den Faden ihrer Geschichte wieder aufnahm. Dann und wann hob sie die Hand, um ihm mit einem winzigen Finger über die Linie auf seiner Wange zu fahren.
Allmählich verstummte ihr stetes Geplapper, und immer wieder sackte ihr der kleine Lockenkopf nach vorn. Plötzlich gähnte sie und kuschelte sich tiefer in seine Armbeuge. „Heia machen“, murmelte sie, und schon spürte er, wie der kleine Körper zutiefst entspannt gegen ihn sank.
Sie schlief. Tief und fest – hier in seinen Armen.
Kurz versteifte Magnus sich und überlegte, was er tun solle, ehe er langsam wieder zu atmen begann. Er war sich seiner Stärke bewusst – sowohl seiner körperlichen als auch seiner weltlichen –, doch nie zuvor in seinem Leben war ihm das warme Gewicht eines schlafenden Kindes anvertraut worden. Es war eine Verantwortung, bei der ihm angst und bange wurde.
Etwa zwanzig Minuten lang saß er reglos da, bis sich im Korridor etwas rührte. Eine hübsche junge Frau lugte herein, einen gehetzten Ausdruck auf dem Gesicht. Freddies Gattin. Joan. Jane. Oder war es Jenny? Magnus war sich ziemlich sicher, sie von der Hochzeit her wiederzuerkennen. Sie setzte an, etwas zu sagen, ehe sie die kleine schlafende Gestalt in seinen Armen entdeckte.
„Oh, dem Himmel sei Dank!“, rief sie aus. „Wir haben sie schon überall gesucht.“
Sie drehte sich um und rief jemandem im Korridor zu: „Martha, lauf und richte Mr. Freddie aus, dass wir sie gefunden haben.“
Sie wandte sich wieder Magnus zu. „Es tut mir sehr leid, Lord d’Arenville. Wir dachten, sie wäre in den Garten entwischt, und haben alle draußen nach ihr gesucht. War sie arg lästig?“
Magnus gedachte seines ruinierten Krawattentuchs und seiner nicht länger makellosen Hirschlederhose. Er hatte einen Krampf im Arm, weil er sich nicht rühren konnte, und ihn beschlich der unschöne Verdacht, dass er einen feuchten Fleck auf dem...
Erscheint lt. Verlag | 14.12.2024 |
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Reihe/Serie | Historical Gold |
Übersetzer | Nina Hawranke |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
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ISBN-10 | 3-7515-2703-6 / 3751527036 |
ISBN-13 | 978-3-7515-2703-3 / 9783751527033 |
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