Gold wie deine Seele -  Barbara Nelting

Gold wie deine Seele (eBook)

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2024 | 1. Auflage
332 Seiten
Dead Soft Verlag
978-3-96089-734-7 (ISBN)
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Der Mann, der auf der Intensivstation eines Krankenhauses erwacht, erinnert sich an nichts. Nicht, woher er kommt, wie er hergekommen ist, ja, nicht einmal, wie er heißt. Bald wird klar, dass er den Menschen seiner Umgebung überlegen ist, ihre Gefühle lesen und sie beeinflussen kann. Der junge Pfleger Jonas nimmt den attraktiven und faszinierenden Namenlosen mit zu sich nach Hause. Bis die beiden Männer zueinander finden und sich dem Fremden seine Mission offenbart, muss einiges geschehen - hier und in dessen Heimatwelt. Und das ist erst der Anfang ...

 

1


 

Stimmengewirr:

„Oh Gott, oh Gott, das kann doch nicht …!“

„Wir müssen …“

„Die Geräte spielen verrückt!“

„Wiederbeleben …“

„Der Chef soll …“

Herunterfahren!, befahl ihm, der nicht wusste, wer er war, eine Stimme, die nicht zum hektischen Stimmengewirr um ihn passte. Sie schien in ihm zu sein. Ohne zu zögern, folgte er ihr. Nicht wissend, was er tat, holte er tief Luft und zog sich in sich zurück. Schloss die Augen und wurde ruhig.

Sofort verblassten die Stimmen um ihn her zu einem undeutlichen Murmeln, klangen mit der Zeit auch weniger aufgeregt.

Nach einigen Momenten öffnete er die Augen erneut. Sie waren immer noch golden, verstrahlten jetzt jedoch nicht mehr das Licht der Sonne. Auch seine Fingerspitzen, die Funken gesprüht hatten, pulsierten nun nur noch leicht und ausschließlich für ihn selbst wahrnehmbar.

Ohne zu verstehen, wo, noch wer er war, betrachtete er seine Umgebung. Weiße Wände. Blaubekittelte Menschen, die er vorerst ausblendete. Auch die Decke, die seinen Körper bedeckte, war weiß. Zumindest nahm er an, dass sein Körper darunter verborgen lag, denn das war es, was er sah, wenn er seinen Blick an sich hinabwandern ließ. Er befahl seinem rechten Fuß zu winkeln. Prompt kräuselte sich die Bettdecke. Er hieß sein linkes Bein sich zu heben. Brav bewegte sich das Weiß des Lakens auch hier. Dann wäre das ja schon einmal geklärt, wenn auch nicht, wieso er seinen Körper nicht spürte. Er glitt in einer vorsichtigen Bestandsaufnahme tiefer in sich hinein und glich, was er fand, mit den Menschen um ihn herum ab. Er hatte keine Haare, sie schon. Dunkel erinnerte er sich, dass sein Schädel hatte kahl sein müssen für das, was er zuletzt getan hatte, was auch immer das war. Vielleicht sollte er jetzt für neue Haare sorgen, damit er nicht auffiel. Golden würden sie sein, wie seine Augen.

Halt!, sagte es in ihm, langsam! Wenn sich dein Äußeres zu schnell verändert, fällst du erst recht auf! Also blieb sein Kopf, wie er war.

Langsam ließ er die Worte der Menschen seiner Umgebung in seinen Verstand einsickern. Zumindest sein Hör- und Verstehvermögen schien keinen Schaden genommen zu haben bei dem, was um alles in der Welt ihm zugestoßen war. Oder hatte er dies hier geplant?

Die Blaukittel wunderten sich immer noch über den taubstummen, aber offensichtlich wachen „Patienten“. Das Wort kannte er nicht, aber er begriff, dass sie ihn damit meinten. Eifrig waren sie damit beschäftigt, sich das, was sie zuvor so aufgeregt hatte, gegenseitig auszureden. Augen, deren Widerschein blendete? So ein Humbug, vermutlich war es das Licht der von draußen hereinscheinenden Sonne gewesen. Ja, auch an den Händen. Und die Sache mit den EKG – Salven solcher Amplituden konnte doch niemand überleben und man sah doch, dass sich der Mann hier bester Gesundheit erfreute, zumindest physisch. Also musste da eben wohl das Aufnahmegerät gesponnen haben. Na ja, jetzt geht es ja wieder, seht doch, ein perfekter Sinusrhythmus.

Er schloss von Neuem die Augen. Außer, dass er hier noch niemals gewesen war, wusste er nichts. Erlebte er vielleicht gerade eine Wiedergeburt, die Nidation seiner Seele in einem neuen Körper? Doch wieso dann diese innere Stimme, die ihm riet? Sollte er sie in diesem Fall nicht in seinem alten Leben zurückgelassen haben, damit sie ihm nicht in sein neues pfuschte? Sowie er nach dem, was er einstmals über Reinkarnation gewusst hatte – anscheinend gewusst haben musste! – griff, entzog es sich ihm und hinterließ eine unangenehme, schwammige und nicht ganz weiße Leere. Die Entdeckung, nein, die Entstehung dieses blinden Flecks in seinem Inneren versetzte ihn in Panik. Ohne, dass er etwas dagegen tun konnte, beschleunigten sich seine Atmung und sein Herzschlag erneut. Er wusste, dass es nur eine Frage von Sekunden wäre, bis die Monitore, an denen er hing, wieder ausschlugen. Diese verräterischen Dinger. Also gut. Wenn er den Aufruhr in sich nicht beruhigen konnte, musste er eben die Geräte zum Schweigen bringen - und fertig!

Es war geradezu lächerlich einfach. Ein einziger Impuls genügte und die Bildschirme zeigten eine Nulllinie. Die Blaubekittelten begannen schon wieder zu lamentieren, doch glücklicherweise nicht über ihn, da er ja offenbar bei Bewusstsein war, sondern über die Unzuverlässigkeit der Technik. Selbst hier auf Intensiv! Alles wegen der Sparmaßnahmen! Das seien Zeiten!

Er lächelte. Innerlich, nur für sich. Sie sollten nicht sehen, dass er sie verstand und Gefühle zeigte. Gefühle waren gefährlich. Mehr noch: falsch, zumindest für ihn. Das wusste er, doch woher?

Egal. Er erlaubte sich einen kurzen Moment der Zufriedenheit und des Rückzugs in sich selbst, wurde jedoch gestört durch eine Wahrnehmung zu seiner Rechten. Aufmerksamkeit. Bewunderung. Begierde? Vorsichtig öffnete er ein Auge und blickte in helles, klares Blau. Rund um die Pupillen hatte es die Farbqualität von Wasser, in dessen Wellen er sich verlor, bevor er ins Schwarz der Mitte fiel. Ein junger Mann. Nein, ein Junge, korrigierte er sich. Er wirkte fehl am Platz unter den erwachsenen Frauen und Männern, die ihn umringten. Und doch war er ebenso gekleidet wie sie, blauer Kittel, blaue Hose. Der Ton biss sich unglücklich mit dem seiner helleren Augen.

Der Junge, so begriff er sofort, stellte seinen Weg hier hinaus, in die Freiheit dar. Er und die Gefühle, die er ihm entgegenbrachte. Sie machten ihn nur allzu anfällig für Manipulation und Täuschung. Doch noch nicht jetzt. Er spürte, dass alle ihn Umringenden und langsam ihre Gemüter Beruhigenden ihm für den Moment wohlgesonnen waren. Ja, vermutlich wollten sie sein Bestes. Gleichzeitig ahnte er, dass sie nicht den geringsten Schimmer hatten, was „das Beste“ für einen wie ihn sein könnte.

Für einen wie ihn. Ein weiterer Abgleich erbrachte dasselbe Ergebnis wie vor wenigen Minuten. Äußerlich glich er bis auf seine momentane Haarlosigkeit der Spezies um ihn her. Und doch wusste er, dass sie nicht so waren wie er. Neben seinem tiefen, untrüglichen und uralten Wissen, dessen Quelle er nicht ergründen konnte, sagte ihm dies auch die Logik. Wenn sie mit derselben Schärfe wahrnähmen wie er, dann hätte er sie nicht so leicht täuschen können. Dann hätten sie gewusst, dass die jetzt tote Linie auf dem Monitor rechts von ihm sehr wohl seinem Herzschlag entsprach, auch in jenem Moment, als das Organ in seiner Brust mit einer Kraft schlug, die ihnen fremd war.

Je mehr er nachdachte und sich auf den Fluss seiner kausal miteinander verbundenen Gedankenketten einließ, desto stiller wurde die ihm ratende Stimme, die ihn bis hierher immer wieder mit mehr wertenden denn nützlichen Kommentaren begleitet hatte. Das ärgerte ihn einerseits – er wollte ihrer habhaft werden, ihr kommandieren und sie zwingen, ihm sein verlorenes Inneres zu offenbaren. Gleichzeitig erfüllte ihn ihr Schweigen mit einer grimmigen Zufriedenheit. Denn was taugte ein Ratgeber, der sich nicht erklärte? Der ihn mit schnippischen Befehlen traktierte, ohne dass ihm, der alles vergessen hatte, deren Sinn einleuchtete?

Immerhin, die Stimme hatte ihn bis zu diesem Punkt durchgebracht. Dennoch wollte er sich von jetzt an lieber auf die Eindrücke seiner Sinne und seinen Verstand verlassen – und war überrascht, als die Stimme genau hierzu ihre ausdrückliche Zustimmung äußerte.

 

Später, am Abend, als es ruhig geworden war, war es leichter, seine Sinne wandern zu lassen und die Umgebung mit ihnen abzutasten. Denn das musste er ja: Seines Gedächtnisses beraubt, musste er sich der vorhandenen Möglichkeiten bedienen, um die notwendigen Informationen zu sammeln und aus ihnen zusammenpuzzeln, was hier vor sich ging. Zuallererst einmal musste er herausfinden, wer er war. Was er hier wollte und wie er hierhergekommen war.

Zuvor hatten sie unter Verwendung verschiedener Sprachen versucht, ihn zum Sprechen zu bewegen. In unregelmäßigen Abständen waren Menschen an seinem Bett aufgetaucht und hatten es mit immer wieder neuen Mundarten probiert. Es erfüllte ihn mit Befriedigung, dass er jeden Einzelnen verstand. Eine Befriedigung, die er wie jede andere Reaktion sorgsam hinter einer starren Maske der Gleichgültigkeit verbarg. Zwar war er sich recht sicher, ihre Sprachen auch mit eigener Stimme sprechen zu können. Doch dann müsste er dies auch. Reden. Sich erklären. Besäße er auch nur eine Antwort auf ihre unzähligen Fragen!

Selbst die erste, scheinbar einfachste, überforderte ihn. Wie es ihm ginge. Mit sich, in seinem Kopf, fühlte er sich abgesehen von der Erinnerungslosigkeit wohl. Sein Körper jedoch sagte etwas anderes. Jeder Muskel, soweit er sie unauffällig, wenn die Blaukittel nicht hinsahen, durchgetestet hatte, gehorchte seinen Befehlen. Seinen Leib konnte er aber weiterhin nicht spüren. Nicht den Kontakt des Lakens mit seiner Haut. Nicht die Stelle, wo die Nadel, mit der sie ihn im Laufe des Abends stachen, in dieselbe drang. Und ebenso wenig den Eintritt noch den Weg jener schmalen Schläuche, die in ihn führten. Dennoch war er sich sicher, dass das, was die Decke verbarg und was wohl trotz allem sein Körper war, ihm gehorchen und ihn von hier forttragen würde, wenn er es ihm denn befahl.

Nicht, dass er das gemusst hätte. Ohne es ausprobieren zu müssen, wusste er, dass er sich sowie andere Dinge auch ohne Muskelkraft bewegen konnte. Allein durch die Macht seiner Gedanken. Die Menschen hier vermochten es offenbar nicht. Fast den ganzen Tag verbrachten einige von ihnen ausschließlich damit,...

Erscheint lt. Verlag 30.10.2024
Verlagsort Mettingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Elben • Elfen • Gay Fantasy Romance • LGBTQ • male male romance • Queer Love • schwule liebesgeschichte • Weltenportal
ISBN-10 3-96089-734-0 / 3960897340
ISBN-13 978-3-96089-734-7 / 9783960897347
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