Jerry Cotton 3518 (eBook)

Suspendiert

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Aufl. 2024
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6839-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jerry Cotton 3518 - Jerry Cotton
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Es sah nach einem Routinetreffen aus, als ein ehemaliger FBI-Kollege mir Informationen zu einem unserer Fälle geben wollte. Plötzlich zog der Mann eine Waffe. Ich hatte keine andere Wahl, als zu schießen. Er starb, und ich konnte mir nicht erklären, warum er mich hatte töten wollen. Kurz darauf entdeckten Phil und ich in seiner Wohnung Beweise, die mich mit verschiedenen kriminellen Aktivitäten in Verbindung brachten. Und so tragisch und gleichzeitig lächerlich mir diese Geschichte erschien, sie kostete mich meinen Job und beinahe auch mein Leben!

Suspendiert

Es war Nacht, und dünner Regen legte einen Schleier über alles, was das spärliche Licht der Laternen aus der Dunkelheit hob, als sich eine Gestalt aus den Schatten der Hafencontainer löste.

Es war Joseph Usher. Ich hatte ihn ewig nicht gesehen, erkannte ihn aber sofort wieder.

Gestern hatte er mich angerufen und mir erklärt, dass er Informationen über einen Fall habe, den wir gerade bearbeiteten. Dementsprechend gespannt war ich, was er mir zu sagen hatte.

Ich ging auf ihn zu und hob die Hand, um ihn zu begrüßen.

Eine schnelle Bewegung meines ehemaligen Kollegen ließ mich zusammenzucken. Usher griff unter seinen Regenmantel. Noch bevor ich realisierte, dass es eine Waffe war, die er zog, hatte ich meine Glock in der Hand. Und als der Lauf seiner Waffe für einen Moment im Licht der Laternen aufblitzte, hatte ich auch schon geschossen.

»Ich kann es mir auch nicht erklären«, sagte ich zu Phil, nachdem die Kollegen den Reißverschluss des Leichensacks über dem Gesicht des Toten zugezogen und ihn abtransportiert hatten. Es regnete immer noch Bindfäden, aber über den stählernen Wänden aus Containern wurde es langsam heller. »Ich habe dem Mann nie etwas getan. Wir haben kein einziges Wort miteinander geredet. Er hat sofort, als er mich sah, die Waffe gezogen.«

»Muss wohl mit unserem aktuellen Fall zu tun haben«, sagte Phil.

Ich zuckte mit den Schultern und sah dem Leichenwagen hinterher, der gerade um die Ecke verschwand.

»Er sagte nicht, dass es um den Mord an William Davis geht, nur dass er etwas über einen der Fälle, die wir gerade bearbeiten, wisse. Plural. Also kann er das nur gesagt haben, um mich in eine Falle zu locken, unabhängig von unserem aktuellen Fall.«

»Gab es irgendetwas in eurer gemeinsamen Vergangenheit, was ihm Anlass dazu gegeben hätte, dich zu töten?«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich kannte ihn nur flüchtig. Nach unserer gemeinsamen Ausbildung in Quantico verbrachte er seine ersten Dienstjahre in New York, allerdings nicht in derselben Abteilung wie ich. Irgendwann wechselte er nach Chicago. Vor ein paar Jahren verließ er das FBI. Er stand nicht in dem Ruf, ein Ehrenmann zu sein. Schon damals in Quantico nicht, aber das hier ... Ich kann es mir nicht erklären.«

Ich zog die Brieftasche des Toten, die ich an mich genommen hatte, aus meiner Tasche und durchsuchte sie nach etwas Brauchbarem.

Ein längst abgelaufener Bibliotheksausweis mit einer Adresse in Dallas, wo Usher aufgewachsen war, wie ich wusste. Zwei Fotos, die Usher mit seinen Eltern zeigten. Eines war im Winter aufgenommen worden. Im Zoo hatte sich die Familie fröhlich vor dem Bärengehege fotografieren lassen. Das zweite zeigte Usher und seine Eltern vor einem Haus, das an der Hausnummer als diejenige Adresse zu erkennen war, die in dem Bibliotheksausweis stand. Ein paar Dollars. Ein Führerschein mit Adresse in New York.

»Jetzt wissen wir, wo wir ansetzen können«, sagte ich und wedelte mit dem Führerschein. »Queens, 175th Street, Nummer 79.«

Die Nummer 79 in der 175th Street in Queens war ein schmales zweistöckiges Haus mit einer Garage und einem vernachlässigtem Vorgarten. Wir parkten unseren Wagen am Straßenrand und gingen zur Eingangstür, wo ein wackeliger Briefkasten mit Ushers Namen hing.

Der Briefkasten war leer. Ich klingelte, doch es schien niemand im Haus zu sein. Ich knackte das Schloss in weniger als zehn Sekunden.

Die Einrichtung legte den Schluss nahe, dass Usher Single gewesen war. Nirgends Blumen oder Topfpflanzen. Keine Bilder auf dem Kaminsims. Keine Frauenkleidung in den Schränken. Das Wohnzimmer wurde von einem riesigen Fernseher dominiert, auf einem Beistelltisch neben dem Fernsehsessel standen ein halbes Dutzend leerer, zerdrückter Bierdosen.

Wir durchsuchten Schubladen, Schränke und ein paar Koffer, die im Schlafzimmer auf einem Schrank lagen, fanden aber nichts, was auf illegale Aktivitäten hingedeutet hätte.

Ich wollte gerade die Kellertreppe hinuntersteigen, um sicher zu sein, dass wir nichts verpassten, als Phil mich zurück ins Wohnzimmer rief.

»Hier ist vielleicht etwas«, sagte er und zeigte mir einen USB-Stick, den er aus einer kleinen Schachtel nahm. »Steckte in der Ritze des Fernsehsessels.«

Ich nahm auf einem Stuhl Platz, nickte Richtung Fernseher, und Phil fand sofort einen Port, in den er den Stick steckte. Ich betätigte die Fernbedienung und aktivierte den Stick.

Was wir sahen, verschlug uns die Sprache.

Es waren zwei leicht verwackelte Filme, nicht mehr als Schnipsel, in denen Usher zu sehen war, hier in seinem Wohnzimmer, wie er sich mit einer männlichen Person unterhielt.

Und diese Person war eindeutig ich!

Ich saß auf demselben Stuhl, auf dem ich nun saß. Usher hockte in seinem Fernsehsessel, und wir unterhielten uns über das letzte Spiel der Yankees. Das Spiel hatte mit einem Sieg der Tigers geendet, und ich machte ein paar enttäuschte Bemerkungen. Das Filmchen brach ab, sofort startete das zweite.

Jetzt stand ich hinter dem Stuhl, mit beiden Händen auf die Rückenlehne gestützt und Usher stand mit verschränkten Armen neben seinem Sessel. Der Fernseher lief. Ein Nachrichtensprecher verlas die Wetternachrichten und ich erklärte Usher gerade, dass wir so nicht weiter machen könnten. Die ganze Sache würde mir zu heiß. Ich würde aussteigen, und zwar sofort. Er solle mir mein restliches Geld geben und das wäre es dann. Unsere Wege würden sich wieder trennen und ich wollte in Zukunft nichts mehr mit ihm zu tun haben.

Das Filmchen brach ab, ohne dass zu erfahren war, worum es genau ging, und danach war nur noch weißes Rauschen auf dem Bildschirm zu sehen.

Phil und ich schauten uns entsetzt an.

»Das ist ...«, stammelte ich, brach jedoch ab, weil ich im Moment wirklich nicht zu sagen wusste, was mir gerade durch den Kopf ging. Am ehesten war es noch mit dem weißen Rauschen zu vergleichen, das auf dem Fernseher zu sehen war. Absolute Leere. Ein Durcheinander an aufsteigenden Vermutungen, Bildern, Verneinungen und Ratlosigkeit, die wie zersplittertes Glas mein Hirn durchfluteten.

»Das muss eine Fälschung sein«, kam Phil als Erster auf die naheliegendste Idee.

»Aber wie ...?«, fasste ich mich langsam. »Und warum ...?«

Phil stand auf, ging zum Fernseher, zog den Stick aus dem Port und hielt ihn mir entgegen, als wolle er ihn mir schenken.

»Die wichtigste Frage ist zuerst einmal, was wir jetzt damit machen«, sagte er. »Man hat dir eine Falle gestellt, das ist klar. Wer und warum, das müssen und werden wir klären, doch jetzt müssen wir erst einmal darüber nachdenken, wie wir hiermit umgehen.«

Ich stand auf, nahm ihm den Stick aus der Hand und sah das Ding an, als könne es sprechen und wolle nur nicht. Und wir mussten es zwingen.

»Wir müssen es Ben Bruckner geben«, sagte Phil. »Er soll herausfinden, wie die das gemacht haben. Es ist ein Produkt von KI, das ist klar. Ich hab ja schon so einiges an Unsinn gesehen, was man damit alles anstellen kann, nur so echt, das ist schon ...«

»Erschreckend«, nahm ich meinem Partner das Wort aus dem Mund. »Aber ich denke, wir sollten es zuerst Mr High zeigen. Ich will nicht, dass der Verdacht aufkommt, dass Ben, nur um mir zu helfen, daran herumgespielt hat.«

Wir berichteten Mr High, was sich letzte Nacht zugetragen hatte. Er sah sich die Videoschnipsel und schwieg eine Weile.

»Ich muss das sofort dem Kollegen von den internen Ermittlungen zeigen«, sagte er schließlich.

Ich nickte. Es war noch kein Wort darüber gefallen, wie er die beiden kurzen Videos bewertete, ich hatte jedoch keine Sekunde das Gefühl, dass er auch nur daran dachte, dass sie echt sein könnten.

Ich sah unserem Chef die Bedrückung an, die ihn beschlich, und ahnte wohl wie er auch, dass das keine leichte Sache werden würde. Ein Mensch war durch mich ums Leben gekommen, und wir hatten keinerlei Erklärung, warum er mich angegriffen hatte. Natürlich gab es immer, wenn so etwas passierte, auch intern Fragen zu klären, doch in den meisten Fällen war das Routine, die nur bestätigte, was tatsächlich vorgefallen war.

Hier würde es wohl komplizierter werden.

»Am besten, Sie warten in Ihrem Büro, bis ich mit dem Kollegen geredet habe«, sagte Mr High. »Aiden Kennedy ist seit einiger Zeit verantwortlich für interne Ermittlungen. Ich hatte bisher nur flüchtig Kontakt mit ihm. Er gilt als eitel, dafür gründlich und hat eine steile Karriere hinter sich. Vom einfachen Agent zum Leiter der internen Ermittlungen in knapp zehn Jahren. Sobald ich mit ihm gesprochen habe, werde ich Sie rufen.«

Ich konnte nur wieder nicken und stand auf. Phil folgte meinem Beispiel. Mr High erhob sich ebenfalls auf und reichte mir die Hand über den Tisch. Ich ergriff sie, und er hielt sie für eine Sekunde länger, als er es üblicherweise tat.

»Das wird schon«, sagte er mit einem Lächeln.

Dann verließen wir sein Büro, während er zum Telefonhörer griff.

»Das war unangenehm«, meinte Phil, als wir unsere Bürotür hinter uns...

Erscheint lt. Verlag 16.11.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
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ISBN-10 3-7517-6839-4 / 3751768394
ISBN-13 978-3-7517-6839-9 / 9783751768399
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