Das Haus Zamis 106 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-7291-4 (ISBN)
Mit jedem Meter, der wir uns der Insel näherten, stieg meine Wut. Nein, ich würde Asmodi nicht heiraten, nicht mal zum Schein. Zumal ich meine Familie in eine tödliche Falle locken sollte. Der Preis war viel zu hoch. Selbst wenn er mir tatsächlich mein ungeborenes Kind wieder in meinen Leib einsetzen sollte. Aber daran zweifelte ich ohnehin. Solange mich Asmodi damit erpressen konnte, würde er es tun.
Was hatte den Fürsten der Finsternis in diesen plötzlichen Vernichtungswahn gegenüber meiner Familie getrieben? Warum wollte er so abrupt reinen Tisch machen? Darüber zerbrach ich mir schon die ganze Zeit den Kopf.
Wir Zamis waren viel zu mächtig. Wenn er uns alle auf einen Schlag loshaben wollte, musste er uns in einen gemeinen Hinterhalt locken, anders schaffte er es nicht.
Und genau das hatte er offenbar vor ...
1. Kapitel
Der halb verweste Leichnam baumelte am dicksten Ast eines frei stehenden abgestorbenen Baumes, gehalten von einem schmalen Hanfstrick. Der Kopf der Toten schaute grotesk abgeknickt aus der Schlinge. Die weiß belegte Zunge, auf der sich Dutzende Maden tummelten, hing weit aus dem offenen Mund heraus. Feuerrotes Haar umfloss das schneeweiße Gesicht und fiel bis auf Brust und Rücken herab. Die Gehängte trug ein Nonnengewand. Der rote Schein umgab sie wie eine Aureole.
Adalmar war nun doch gespannt, wie es weiterging. Die weit aufgerissenen gebrochenen Augen der Toten begannen sich zu bewegen. Unstet und orientierungslos zuerst, dann fixierten sie den Hexer. Zwei dicke schwarze Spinnen krochen darunter hervor und seilten sich an den eigenen Fäden über das Gesicht ab. Als sie die Höhe der ebenfalls blutleeren, halb weggefaulten Lippen erreichten, schnellte die heraushängende Zunge heran und schnappte sich die Spinnen. Hilflos klebten sie daran, während die Maden auf sie zuwuselten und sie gleich darauf wie zwei kleine Hügel bedeckten. Adalmar glaubte Chitin knacken zu hören. Verächtlich verzog er das Gesicht.
»Sei willkommen, Gast«, flüsterte die Gehängte nun mit einem lasziven Unterton in der Stimme. Die Lippen bewegten sich, obwohl die Zunge draußen blieb. »Ich bin Francesca, die Teufelsnonne. Alles, was ich an Liebeskünsten aufbieten konnte, erlernte ich von Asmodi, dem Fürsten der Finsternis. Erlebe in allen Einzelheiten, wie es mir gelang, als angebliche Schwester vom Orden Maria Bambina Papst Leo den Dreizehnten zu verführen und dadurch seine Seligsprechung zu verhindern.«
Ihre Beine hoben sich plötzlich wie bei einem Hampelmann. Erst jetzt bemerkte Adalmar, dass auf Höhe der Lenden ein Loch in die Ordenstracht geschnitten war. Es legte die glatt rasierte, wohlgeformte Scham der Teufelsnonne frei.
»Steck deinen Finger in mich, Gast«, flüsterte Francesca weiter. »Dann wirst du Papst Leo sein und mit allen Sinnen erfahren, warum selbst der fromme Mann meinen legendären Verführungskünsten nicht widerstehen konnte. Ein Erlebnis der besonderen Art. Du wirst schreien vor Lust und Verlangen, das garantiere ich dir.«
»Mach's dir doch selber«, erwiderte Adalmar zischend, und seine schwarzen Augen blitzten zornig; er verspürte keinerlei Bedürfnis nach dieser Art Vergnügen. Stattdessen stieg ein anderes Verlangen in ihm hoch. Er murmelte einen Zauberspruch und verstärkte ihn durch magische Symbole, die er blitzschnell vor sich in die Luft malte.
Francescas Kopf blähte sich auf wie ein Ballon – und zerplatzte lautlos. Haut- und Fleischfetzen, Hirn und längst geronnenes Blut spritzten nach allen Seiten weg, während das rote Leuchten in sich zusammenfiel. Der Torso, der nun keinen Halt mehr hatte, rutschte aus der Schlinge und knallte zu Boden. Dort blieb er verkrümmt liegen.
Der Hexer schnaubte. Er fühlte sich gleich besser – obwohl er den Esel gemeint, aber den Sack geschlagen hatte. Asmodi, diese Pestbeule, traf er mit dieser Aktion natürlich nicht. Immerhin hatte er etwas ausgemerzt, das auf diesen Mistkerl zurückzuführen war. Wie jeder Zamis hatte er gleich mehrere Hühnchen mit Asmodi zu rupfen und hasste den Fürsten der Finsternis abgrundtief. Eines der wenigen Gefühle, zu denen er wirklich fähig war.
»Sie zerstören das Eigentum des Gastgebers? Auch eine Art, sich zu vergnügen.«
Adalmar fuhr herum. Im ersten Moment sah er nicht, woher die weibliche Stimme mit dem leicht spöttischen Unterton gekommen war.
»Sie können mich ja bei Ottilo Nervi verpfeifen, wenn's Ihnen Spaß macht«, gab er aggressiv zurück. »Möglicherweise ist es aber das Letzte, was Sie tun werden. Verräter kann ich nämlich auf den Tod nicht ausstehen.«
Ein leises Kichern antwortete ihm. Die Frau, die es ausstieß, trat zwischen zwei Bäumen hervor und näherte sich. Sie war groß gewachsen und üppig gebaut, ohne dick zu wirken. Ihre pechschwarzen Haare waren streng nach hinten gekämmt und zu einer kunstvollen Hochfrisur gesteckt. Darüber spannte sich ein filigranes Netz aus menschlichen Fingerknöcheln, die mit sich windenden Würmern verbunden waren. Das bodenlange schwarze Cocktailkleid lag hauteng an, der Ausschnitt, dessen Saum mit toten Fliegen besetzt war, schien ihre Brüste gerade noch so zu bändigen.
Das bemerkte Adalmar aber nur am Rande. Auch der bleiche Katzenschädel, den sie an einer gefüllten Darmschlinge um den Hals hängen hatte, interessierte ihn bestenfalls mäßig. Der magische Schleier, mit dem sie ihr Gesicht verbarg, dagegen schon eher. Er reichte ihr bis unters Kinn und schien aus wild flackernden blauen Flammen zu bestehen. Das alleine hätte Adalmars Aufmerksamkeit noch nicht auf sich gezogen; der Hexer spürte sofort die Kraft, die dem Schleier innewohnte. Es musste sich um ein ziemlich mächtiges magisches Artefakt handeln. Das Verlangen, den Schleier magischen Experimenten zu unterziehen, um ihn genau kennenzulernen, erwachte schlagartig in ihm.
»Keine Angst, ich schweige wie ein Grab«, erwiderte die Frau, bei der es sich zweifelsohne um eine Dämonin handelte. »Von mir wird es Ottilo nicht erfahren. Gleichfalls kann ich mir vorstellen, dass er nicht sehr erfreut sein wird, wenn er das sieht.«
Die Frau ging vor dem Torso in die Knie, drehte ihn leicht und steckte ihren Finger in die Scham. »Es funktioniert nicht mehr. Schade um das schöne Gimmick. Ich hatte auch meinen Spaß dran.«
Adalmar ballte die Fäuste. »Natürlich funktioniert es nicht mehr. Glauben Sie, ich mache halbe Sachen? Ich bin schließlich keine Frau.« Er spuckte aus.
Die Dämonin erhob sich und führte ihren Finger in Richtung Mund. Er verschwand halb im Schleier. Wahrscheinlich schleckte sie ihn ab. Als er wieder erschien, glänzte er tatsächlich feucht. Wahrscheinlich handelte es sich also um kaltes Feuer. »Das habe ich nicht angenommen, nein.«
»Dass ich eine Frau wäre?«
»Nein, nicht das. Ein Adalmar Zamis macht keine halben Sachen.«
»Sie kennen mich?«
»Anscheinend.«
»Woher?«
Wieder kicherte die Frau. »Sie sind selbst eine der Attraktionen des Schwarzen Sabbats hier, Signore Zamis. Die anderen anwesenden Dämonen flüstern hinter vorgehaltener Hand über Sie.«
»Ach ja?«
»Ja. Aber ist das ein Wunder? So oft kommt es ja nicht vor, dass Sie unsere hübschen kleinen Blut-Partys besuchen. Da kommt Ihr Erscheinen hier natürlich einer mittleren Sensation gleich. Immerhin sind Sie nicht irgendwer, sondern ein mächtiger Hexer.«
»Natürlich bin ich das. Sie kennen mich also. Und wer sind Sie?«
»Jemand weitaus Unbedeutenderes als Sie, Signore Zamis.«
»Ich will Ihren Namen wissen.«
»Nennen Sie mich Schleiereule.«
Adalmar Zamis schaute sie verblüfft an und spuckte erneut aus. »Ah, eine ganz Witzige. Die mag ich am liebsten. Aber gut, wenn Sie meinen, Schleiereule. Wären Sie immerhin so nett, den verdammten Feuerschleier abzunehmen? Ich schaue meinem Gegenüber nämlich gerne ins Gesicht, wenn ich mit ihm rede.«
»Das geht nicht.«
»Und warum nicht?«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen. Darf ich Sie Adalmar nennen?«
»Ich wüsste nicht, wieso. Leute, deren Gesicht ich noch niemals gesehen habe, gestatte ich kein vertrauliches Du. Frauen schon gar nicht, egal ob Schleiereule oder sonst was. Sie nehmen immer gleich den ganzen Arm, wenn man ihnen den kleinen Finger anbietet. Das mag ich nicht.«
»Warum so griesgrämig? Sie scheinen der einzige Schwarzblütige hier zu sein, der keine Freude an dem Sabbat empfindet. Darf ich Sie vielleicht etwas aufheitern, Signore Zamis? Immerhin eilt Ihnen der Ruf voraus, ein ziemlich geiler Bock zu sein. Das würde mir gefallen.« Sie strich von unten über ihre Brüste und ließ sie aus dem Dekolleté springen.
»Lassen Sie mich bloß in Ruhe, und packen Sie Ihre Dinger gefälligst wieder ein. Sie interessieren mich nicht.«
Schleiereule schien nicht beleidigt zu sein. Sie zog das Kleid wieder hoch. »Darf ich fragen, warum Sie so abweisend sind, Signore Zamis?«
»Dürfen Sie. Ob ich darauf antworte, ist wieder eine ganz andere Frage.«
Adalmar Zamis würde den Teufel tun und sie mit seinen Befindlichkeiten vertraut machen. Tatsächlich war er nur auf dem Sabbat erschienen, um die Lage auszuloten. Er wollte wissen, ob sich die Ungeheuerlichkeit, die er durch seinen eigenen Vater erdulden musste, bei den anderen Dämonen herumgesprochen hatte.
Michael Zamis hatte seinen ältesten Sohn per Schwarzer Depesche nach Wien beordert; Adalmar sollte dessen Nachfolge als Familienoberhaupt antreten, wenn Michael Zamis im Kampf gegen den Dämon Wolkow unterlag. Adalmar war von dieser Niederlage ausgegangen und hatte bereits begonnen, seine Pflichten als neues Oberhaupt wahrzunehmen, indem er die Sicherheitsmaßnahmen der Villa Zamis verstärkte und seine degenerierten Brüder in die Schranken wies. Dummerweise war Michael Zamis siegreich zurückgekehrt, hatte ihm die Macht wieder entzogen und ihn mit...
Erscheint lt. Verlag | 2.11.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond |
ISBN-10 | 3-7517-7291-X / 375177291X |
ISBN-13 | 978-3-7517-7291-4 / 9783751772914 |
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