Forget der Zeitreisende (eBook)
142 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7693-2973-5 (ISBN)
Friedrich Schmidt wurde 1962 in Saarbrücken geboren. Sein erster Roman wurde 1999 im R.G. Fischer Verlag, mit dem Titel Weg ins Licht und zurück veröffentlicht. Danach folgten weitere Bücher, meist Dramen und Sciense Fiktion aber auch Krimis. Der vorliegende Roman ist sein zehntes Buch.
Kapitel 1
Vorm Start... Überlegungen - 2043
Es war noch Nacht, aber an Schlaf war nun nicht mehr zu denken. Dafür war ich viel zu aufgeregt. Und ich hatte auch allen Grund zu dieser inneren Unruhe... ICH war der Auserwählte! Wahrscheinlich Einer unter Hunderten, die in Frage gekommen sind, dachte ich, obwohl es einen Grund gab, dass sie gerade mich ausgesucht hatten. Weil... ich war eigentlich nur noch ein halber Mann. Arme, Beine und andere...
eh, Teile, wurden durch Robotertechnik ersetzt. Daher brauchte ich auch so gut wie keinen Schlaf. Genaugenommen brauchte nur mein Gehirn zwischendurch mal eine Ruhephase. Viele meiner Wegbegleiter nannten mich Androide – was auch eigentlich stimmte. In mein Gehirn war sogar ein zusätzlicher Speicherchip. Sie dachten wohl, dass es schwierig sein könnte, sich über einen so langen Zeitraum zu erinnern! Der Chip speicherte also alles – jeden Tag! Ich war tatsächlich eher eine Maschine, statt ein Mensch. Mit einer Ausnahme; mein Bewusstsein – mein ICH – blieb vollkommen erhalten. Doch davon – und warum, will ich später noch erzählen.
Jetzt jedenfalls stehe ich hier an diesem Abgrund. Etwa zwei Meter weiter und etwa zehn Meter tiefer befand sich der laut rauschende, und zu dieser Jahreszeit, eher kalte Atlantik. Der Geruch von Salzwasser stieg in meine Nase... oder Rezeptoren.
Es war ein toller Anblick, selbst in diesem halbdunkel. Ja, es war kurz nach drei Uhr morgens und eigentlich noch zu dunkel um wirklich viel zu erkennen. Doch der Vollmond schien gespenstisch zwischen den dunklen Gewitterwolken. Es war September, der dreißigste, 2043 und der Sommer schien nicht enden zu wollen. Selbst jetzt noch, wo alle anderen ihren Schönheitsschlaf genossen, konnte ich hier in kurzer Hose und T-Shirt stehen, ohne zu frieren... also, wenn noch was zum frieren dagewesen wäre! Ja, ab und zu hatte ich noch meine Probleme. Das Verständnis, dass ich beispielsweise nicht mehr frieren kann, hatte sich noch nicht tief genug in meinem Gehirn verwurzelt. Dass ich mehr Maschine als Mensch war – das hatte mein Ich noch nicht zu hundert Prozent erfasst. Es war mehr als schwierig zu akzeptieren, wenn man die Arme und Beine nicht spürt – kein Gefühl da ist, wie vorher... man aber gehen und greifen kann, wie eh und je.
„Warum ich noch Kleidung anhatte?“ - hatten mich auch einige gefragt, und ich antwortete dann, dass es eben Gewohnheit sei und ich mich auch nicht so von den anderen Unterscheiden wollte.
Ich lief jedenfalls gerade eben, auf dem Weg zum Ausgang, an einem digitalen Thermometer vorbei. Das zeigte noch 18° C Außentemperatur an – für die Nacht ein sehr guter Wert. Nun, wir befanden uns, wie wir Amerikaner sagen, im Sunshine State von Amerika, in Florida. Dass der kommende Start genau dort stattfinden würde, hatte seinen Grund. Je näher südlich man sich befand – möglichst in der Nähe des Äquators, um eine Rakete zu starten, je weniger Energie muss man aufwenden, um der Erdanziehung zu entkommen. Deshalb hatten sie daran, seit dem ersten Start zum Mond, 1969 nichts geändert. Der gleiche Startort wie damals, an der Ostküste. Nur dass mein Raumschiff viel kleiner war, als die damalige Atlas-Rakete, die über 130 Meter maß. Kleiner – aber viel, viel schneller, war mein Schiff, das sie liebevoll Torvi nannten. Das war die Ideengeberin des Schiffes. Sie war eine geniale Physikerin. Aber sie war leider, durch einen Autounfall, kurz vor dem Start gestorben. Ihren Vornamen erhielt das Raumschiff also, und mir würde nicht im Ansatz einfallen, da etwas daran zu ändern! War Torvi nicht eine nordische Göttin oder Schönheit? Egal. Sie war so stolz auf ihr Projekt gewesen, und ich hätte es ihr so gegönnt, wenn sie den Start hätte miterleben können. Lag das ganze Projekt daher, wie viele sagten, nun unter einem schlechten Stern? Ich denke nicht.
Verschiedene Dinge sind einfach nicht zu verhindern. Schicksal nennt man es dann einfach. Wie auch immer: Das Leben ist nicht immer gerecht, das sagte schon immer mein seliger Vater.
Und da hatte er wohl Recht. Und daran ändert sich wohl auch so schnell nichts. Das sogenannte Schicksal wird – immer wieder einmal, erbarmungslos zuschlagen. Und uns kleinen Menschen bleibt dann nur stumm den Kopf zu schütteln und verständnislos vor uns hinzustarren. Tatsächlich gibt es keinen Grund darüber nachzudenken, ob von nun an alles schiefläuft.
Nein, so tragisch der Unfall auch war, er hängt sicher nicht mit dem Projekt zusammen. Aber der Aberglaube vieler Menschen hielt sich nun mal bis ins einundzwanzigste Jahrhundert, und würde wohl noch einige Zeit in den Köpfen einiger Leute umherschwirren! Ich war mir jedenfalls sicher, dass dieser dumme Unfall keine dunklen Schatten auf das Unternehmen warf. Nein, ich war sehr zuversichtlich, was mein Projekt anging. Schließlich hatte das Schicksal auch bei mir bereits zugeschlagen! Und das mehr als hart. Damals auf dem Mond - ich komme noch darauf zurück. Jedenfalls war, genaugenommen, dieser Schicksalsschlag, der Grund, warum sie gerade mich auserwählt hatten. Ich würde alt genug werden, lebend den Planeten zu erreichen. Der Flug würde 200 Jahre dauern. Einen anderen Astronauten hätten sie in Kryo-Schlaf versetzen müssen. Diese Technik, jemanden einzufrieren und wieder zu wecken, war zwar seit kurzem vorhanden, aber erstens wäre das teurer gewesen und zweitens (was noch wichtiger war) – sie trauten der Technik noch nicht. Sie war noch nicht erprobt genug.
Die Reise ging auch nicht wieder zum Mond, sondern zu einem vielversprechenden Planeten, auf dem sie Leben vermuteten. Das war ein Grund warum ich dahin sollte. Die Lebensmittelknappheit und die dazugehörige Überbevölkerung. Um es mit wenigen Worten zu sagen - die Erde wurde zu klein, und man suchte einen Platz, auf dem wenigstens die oberen Zehntausend... so meine Vermutung, leben konnten. Mir gefiel der Gedanke nicht, dass mal wieder, die Reichen in den Genuss kamen. Das hatte auch nie jemand so behauptet. Das hatte ich mir selbst zusammengereimt. Aber war es denn jemals anders? Waren nicht immer die Leute mit viel Geld, diejenigen, die als erste/r was besonderes hatten?
Die ersten Touristen im All – Leute mit Geld. Die ersten Menschen in der Tiefsee? Reiche Menschen! Menschen, denen ganze Inseln gehörten. Oder, die Autos in der Garage hatten, die es sonst nur noch ein einziges mal auf der Welt gibt. Dies, und noch mehr konnten sich gewöhnliche Menschen nie leisten. Eine Spezialbehandlung im Krankenhaus – so, dass jemand weiterlebte, während der Kollege im Nachbarzimmer, an der selben Krankheit starb. So war es doch nur allzu oft!
Was sollte sich also dieses mal daran ändern? Nein, auch daran würde sich so schnell nichts ändern, das war eben so klar, wie die Geschichte mit Schicksal – wenn es denn im negativen Sinne zuschlug. Gott sei Dank war die Welt vielfältiger. Es gab schließlich nicht nur Pechvögel, arme und reiche Leute, sondern auch Lottogewinner, Unternehmer mit Verantwortung und viele gute Menschen, die beispielsweise an diesem Projekt mitgearbeitet hatten. Torvi... sie lag nun auf dem hiesigen Friedhof. Die halbe Mannschaft war mit zur Beerdigung gewesen. Und ich würde sie noch, wie viele andere auch, für lange Zeit, in guter Erinnerung behalten. Aber, so beschloss ich in dem Moment... wenn ich einen guten, lebensfreundlichen Planeten finden würde, so würde ich mich wieder an diesen Moment hier erinnern... würde den Gedanken mit den reichen Menschen wieder heraus kramen.
Nun, ich ließ meinen Gedanken weiter ihren Lauf. Deshalb stand ich schließlich hier... um mich zu sammeln. Mich vorzubereiten. Geistig Kraft zu schöpfen, für die Aufgaben, die sich mir stellen würden. Ich würde Entscheidungen treffen müssen. Kam vielleicht in eine Notsituation, wo ich schnell reagieren musste. Ich musste gewappnet sein, selbst für das Unbekannte. So ließ ich mir also den warmen Wind um die metallene Nase wehen und schloss die Augen. Sofort kamen mir Bilder in den Sinn. Von Dingen, Ländern und Begebenheiten, die ich erlebt hatte. Ich sah meine Tochter und meine Frau, wie im Film, mein Auto und mein Haus, und meinen Fußabdruck, den meine Schuhe auf dem weichen Mondboden hinterlassen hatten. Das war im Schnelldurchlauf meine Vergangenheit – und nun würde die Zukunft beginnen.
Für mich und – vielleicht – für die gesamte Menschheit...
irgendwann jedenfalls! Ja, alle diese Gedanken ließen mich nicht schlafen. Aber es war gut dass ich hier war. Das hatte ich gebraucht. Ja, meine Gefühlswelt funktionierte ganz normal, wie bei jedem anderen Menschen... ich sah nur nicht mehr so aus wie ein gewöhnlicher Mensch.
Am Horizont erschien langsam, aber deutlich sichtbar, ein schmaler orangener Streifen. Die Sonne ging auf. In kürzester Zeit würde sich der mittlerweile wolkenfreie Himmel hellblau verfärben. Ja, die dunklen Wolken, die am Abend zuvor aufgezogen waren, hatten sich in Luft aufgelöst oder waren verflogen. Zum größten Teil jedenfalls. Weiter westlich waren noch einige Wolken da, aber es waren keine Gewitterwolken mehr. Ich wertete das als gutes Zeichen. Es konnte losgehen – ich war jetzt soweit und hatte ein...
Erscheint lt. Verlag | 21.10.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Fantasiedrama • Happy End • Klug und neu • Spannung • Zeitreisender |
ISBN-10 | 3-7693-2973-2 / 3769329732 |
ISBN-13 | 978-3-7693-2973-5 / 9783769329735 |
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