Mord am Main - Ich suche dich (eBook)
230 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-9291-4 (ISBN)
Angela Neumann hat nach Jahren in der Wissenschaftsverwaltung gemeinsam mit Monika Rielau zu der Reihe Mord am Main gefunden. Sie lebt mit einer ihrer beiden Töchter in Frankfurt am Main.
6
Ansgar stieß die Tür des Internetcafés auf. Can Kanfour erhob den Kopf und nickte dem eintretenden athletischen Mann zu. Er wurde nicht recht schlau aus seinem Stammkunden. Er sah nicht so aus wie die üblichen Jugendlichen, die bei ihm verkehrten, genauso wie auch die Bauarbeiter aus der Umgebung, die in ihren Containern keinen Computer hatten. Dass der gut gekleidete blasse Mann mittleren Alters ein Datingportal besuchte, hatte er schnell bemerkt. Ansgar verzichtete hier auf jede Heimlichtuerei. Er wird wohl verheiratet sein, spekulierte der Cafébetreiber und nahm sich vor, den Kunden einmal in ein Gespräch zu verwickeln. Er war hier der Einzige, der Wein bestellte. Ansgar hatte den Laden ausgewählt, weil man gut mit der U-Bahn hinfahren konnte, sodass die Sonnenexposition vermeidbar war. Er musste jeweils nur wenige Meter laufen.
Jetzt wollte er sich endlich der Metzgereiverkäuferin Carla zuwenden, welcher er schon länger eine Antwort auf ihre Anfrage schuldete. An Mareike mochte er nicht mehr denken, jedenfalls nicht jetzt. Ihre endgültige Trennung war dumm gelaufen, das sah er ein. Einerseits quälte ihn die demütigende Suche, die sich nun noch länger hinzog. Aber anderseits, er wollte die Frau an seiner Seite finden. Mittlerweile lernten sich mehr als fünfzig Prozent aller Paare im Internet kennen.
Gebeugt saß der hoch gewachsene Mann vor dem Rechner. Gedankenverloren strich er mit seiner Hand über den dunklen Bartschatten in seinem hellen Gesicht. Was sollte er dieser Carla schreiben? Sie zeigte sich mit einem braunen Kurzhaarschnitt, ungeschminkt und mit einem netten Lächeln. Dazu schien sie etwas übergewichtig. »Vielen Dank für deine Zuschrift, liebe Carla. Sie hat mich sehr gefreut. Ich konnte nicht eher antworten, weil ich noch einen anderen Kontakt zu Ende führen wollte. Ich fahre eingleisig. Jetzt weißt du schon eine Menge über mich. Und ja, was soll ich noch viel schreiben? Ich bevorzuge die direkte Konfrontation. Wollen wir uns treffen? Wenn ja, dann warte ich auf deine Zeitund Ortsangabe. Gegen Abend bin ich flexibel, aber ich würde mir auch eine andere Zeit einrichten. Wir sehen dann, ob es passt oder nicht, aber ich habe ein gutes Gefühl. Liebe Grüße von einem Unbekannten, der die Suche ernst nimmt.« Er lehnte sich zurück und blieb eine Weile inaktiv auf der Datingseite. Vielleicht schrieb ihm seine Metzgereiverkäuferin gleich zurück. Sie sollte jetzt sicherlich Feierabend haben.
Can Kanfour, der Besitzer des Internetcafés, kam näher. »Wollen Sie vielleicht morgen wiederkommen? Ich öffne um 11.00 Uhr. Jetzt muss ich zu meiner Frau nach Hause. Sie hat Geburtstag.« »Das verstehe ich gut. Verzeihen Sie bitte, dass ich Sie aufgehalten habe.« Ansgar lächelte höflich, als er sich ausloggte und aufstand. An Kanfour vorbei strebte er zum Ausgang. »Sie sind immer so gut gekleidet, bestimmt haben Sie eine interessante Arbeit«, ließ sich dieser vernehmen. »Makler«, antwortete sein Gast, bevor er die Tür zufallen ließ. Dass man durch seine verkürzte Auskunft auf Immobilien schließen konnte, geschah mit voller Absicht. Er würde mindestens zwei Tage warten, bis er wieder hier vorstellig wurde. Es gab auch andere Internetcafés. Vielleicht sollte er doch das Telecafé, welches in der Nähe seiner Wohnung lag aufsuchen, es würde vieles vereinfachen. Er konnte einen Umweg laufen, aus der anderen Richtung erscheinen und auch ebenso zurückkehren. Er wollte verhindern, dass sich jemand aus seiner Nachbarschaft an seine Fersen heftete. Auch das gehörte zu seinem Vorsatz, keine Spuren zu hinterlassen. Überdies war er ein Einzelgänger und wollte es bleiben, die Umstände hatten ihn dazu gemacht. Nur der einen Partnerin, die ihm die mütterliche Zärtlichkeit zu geben bereit war, würde er sich zu einem späteren Zeitpunkt öffnen. Während er auf die U-Bahn wartete, musterte er die Frauen auf dem Bahnsteig. Bauchfreie Oberteile und lange schlapperige Hosen zu Turnschuhen entsprachen nicht seinem Design. Zum Glück zeigte sich der Abendhimmel wolkenverhangen.
Kommissar Horst Müller musste bis in die frühen Nachmittagsstunden auf den Durchsuchungsbeschluss warten. Nach dem Abgang des Zeugen Reinhold war Müller in die Uniklinik gefahren, um zu versuchen, das Opfer zu befragen. Selbstverständlich ließ man ihn nicht zu der schwerstverletzten Mareike Reimers. Müller interviewte ersatzweise das diensthabende Pflegepersonal der Intensivstation. Nein, die Patientin habe gar nichts gesagt, auch sei niemand gekommen, um sie zu sehen oder sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Der diensthabende Arzt sagte, es sei ein Wunder, dass die Versehrte überhaupt noch am Leben sei. Das Messer habe die Lunge getroffen, sodass Frau Reimers im Begriff stand, innerlich zu verbluten. Die nächsten Stunden würden zeigen, ob sie über den Berg war. Die Chancen stünden fünfzig zu fünfzig.
Müller hatte die Staatsanwaltschaft über den Sachverhalt informiert und endlich den Beschluss für die Öffnung der Wohnung des Opfers erhalten. Er betrat eine dämmrige, sehr aufgeräumte Wohnung. Nur ein leiser Sauerkrautgeruch erinnerte an die Tätigkeit der Bewohnerin. Deren Anwesenheit lag wohl noch nicht so lange zurück.
Routinemäßig begann die Spurensicherung ihre Arbeit, Schublade um Schublade, Schranktüren wurden Stück für Stück geöffnet, jedes Kissen, jedes Blatt umgedreht, jeder Fussel, falls es einen solchen gegeben hatte, eingesammelt und in Plastik verpackt. Horst Müller hatte den Laptop an sich genommen, die Garderobe des Opfers inspiziert und ließ nun das Gesamtensemble der Wohnung auf sich wirken. So wohnt also eine Kellnerin eines Apfelweinlokals, dachte er. Interessant. Der Kleiderschrank hatte zwei schwarze Hosen und zwei schwarze Röcke enthalten sowie weiße und schwarze Blusen in allen Varianten, daneben aber gab es eine Jogginghose und zwei schöne geblümte Sommerkleider. Sie hingen unter schwarzen Blazern, die wohl auch die Hosen und Röcke ergänzten. Auch gab es schwarze Pullover und eine Strickjacke. Frau Reimers zeigte hier einen subtilen Geschmack, der sich jedoch nicht auf den Pyjama erstreckte, der mit rosafarbigen Teddybären bedruckt war. Müller interessierte sich dafür, ob es Hinweise auf Familienmitglieder oder Freunde des Opfers gab. Die Spurensicherung verneinte. »Wiedersehen«, sagte der Hauptkommissar schließlich und ging. Er war froh, das Siebzigerjahre-Ambiente verlassen zu können. Offenbar hatte Mareike Reimers die Wohnung möbliert übernommen. Müller war schon an der Haustür, als man ihm von oben noch zurief, dass ein graues Barthaar gefunden wurde. »Ja«, sagte Müller. »Ich danke für die Information. Wir benötigen selbstverständlich die DNA.«
Als er im Präsidium ankam, erhielt er die Nachricht, dass Mareike Reimers soeben gestorben war. Ein Anflug von Trauer beschlich ihn. Er beschloss, Feierabend zu machen und nach Hause zu fahren. »Bernadette, ich bin unterwegs«, kündigte er sich seiner Ehefrau an. Horst Müller gelang es immer noch, ein Gefühl der Verliebtheit zu entfalten, wenn er an seine Frau dachte. Bernadette war eine schlichte Brünette, faltenfrei und mit einer üppigen Figur ausgestattet. Sie kochte überdies sehr gut.
Siggi behielt die Tür im Auge, was sich ab 17.30 Uhr schwierig gestaltete, wenn Ulis Stammtrinker das Kleine Wirtshaus fluteten. Er saß ganz hinten am Tresen, sodass er sich sofort verdrücken konnte, wenn Gefahr im Verzug war. Allerdings hatte Annalene Waldau ihn beruhigt. Es sei eine Beziehungstat gewesen. Der Täter würde sich keinesfalls zeigen, sondern eher abtauchen. An Personen, die nichts mit seiner Beziehung zu tun hatten, sei er nicht interessiert. Die Polizeipräsidentin schätzte Hauptkommissar Müllers Idee, die Siggi ihr kolportiert hatte, dass er nämlich den Lockvogel spielen sollte, eher als nicht zielführend ein.
»Wir brauchen dringend Hilfe.« Die dicke Anna stürzte auf Uli zu. »Das Lokal wird überrannt, seit die Zeitungen von dem Mord an der Kellnerin Mareike R. berichtet hatten. Du weißt doch, dass ich dir immer geholfen habe«, stieß Anna atemlos in Richtung Uli hervor. »Siggi muss kommen und uns helfen. Wir schaffen den Andrang nicht alleine.« Ihr Blick glitt suchend über Ulis Gäste, bis sie den sich klein machenden Siggi im Visier hatte. »Siggi, bitte, du kommst gleich mit.« Als dieser sich noch mehr wegduckte, stapfte die Ex-Wirtin Anna nach hinten und zog Siggi mit einer Hand von seinem Barhocker. Dabei schwang sie mit der anderen Hand eine Kellnerschürze. »Na, geh schon«, kommentierte Uli das Geschehen. »Ich komme hier schon alleine klar. Meine Stammgäste passen auf, dass keiner die Zeche prellt, wenn ich in der Küche bin. Außerdem verkehren bei mir keine Zechpreller«, fügte er noch in Richtung Anna hinzu. Siggi ließ sich jetzt widerwillig mitziehen.
Im Apfelwein-Walther stürzte er sich nach zwei Gratisschoppen in den Hochbetrieb und war schneller als gedacht in seinem...
Erscheint lt. Verlag | 16.10.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
ISBN-10 | 3-7597-9291-X / 375979291X |
ISBN-13 | 978-3-7597-9291-4 / 9783759792914 |
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