Vergessene Legenden -  Candrac von Hainrich

Vergessene Legenden (eBook)

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2024 | 1. Auflage
384 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-0128-2 (ISBN)
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Nach dem Verlust seiner engsten Vertrauten und beruflicher Perspektiven sieht der Handwerksgehilfe Tantruid keinen Sinn mehr im Leben und verlässt sein Dorf. Während das Land von sonderbaren Dämonenräubern terrorisiert wird und die Bürger unter der Steuerlast der Großfürsten zu verarmen drohen, schwindet im Vagabunden die letzte Lebensglut ... Alsdann erscheint ein rätselhafter Fremder in seiner Penne, der vorgibt, ihn zu kennen. Völlig überraschend bietet er Tantruid an, mit einer Holzapparatur namens Gleitschirm gemeinsam eine Schlucht hinabzuspringen. Sollte er sterben, hätte er endlich Frieden. Sollte der Jüngling jedoch lebendig im Tal ankommen, müsse er dem Fremden sein Geleit zu einem geheimen Mönchsorden in ein Schloss in der Wildnis geben. Nach kurzem Zaudern springt Tantruid los. In ein nie für möglich gehaltenes Abenteuer ... (Leseproben und weitere Infos unter www.von-hainrich.de)

Candrac von Hainrich ist von Beruf Kulturpädagoge und Synchronsprecher. Als autodidaktischer Mythologe beschäftigt er sich seit über 20 Jahren intensiv mit dem Wert und Zweck von Kultur, Sprache, Sagen, Mythen und Märchen. Zu diesen Themen hält er auch Vorträge und gibt Seminare. (Weitere Infos unter www.von-hainrich.de)

I.


Seelensucher


,,Alleinsein ist besser
als schlechte Gesellschaft."

Das Knarzen der alten Dielen verriet, dass jemand das Zimmer betreten hatte. »Überpünktlich. Trotz der Kurzfristigkeit.« Der Mann drehte sich vom Fenster weg. Sein bartumsäumter Mund gab ein nachdenkliches Lächeln preis. »Der Großmeister hält viel von dir.« Hell schien der Mond ins Gemach. Ansonsten wurde die Stube nur von Kerzen beleuchtet. Der Mann setzte sich an den Schreibtisch und entzündete eine Pfeife. Dann blätterte er einige Unterlagen durch, während sein Gast auf dem Stuhl gegenüber Platz nahm. »Die letzten Aufgaben gründlich erledigt. Meister Firmenius schwärmt von deiner Lernbereitschaft. Tantruid, sehr gut!« Der Mann nahm Blickkontakt zu seinem Gast auf. »Es ist Zeit für den nächsten Schritt.«

»Was wollt ihr damit sagen?«

»Vorgestern hat es einen weiteren Überfall gegeben. Diesmal haben Kobold-Banden eine Kleinstadt in Südstatt angegriffen. Sechs Tote. Niemand weiß, wo sie herkamen. Die Bürger fühlen sich nicht mehr sicher. Der Hohe Rat hat verstärkten Schutz angekündigt. Aus Westmark und den Morgenländern sollen Söldner bestellt werden. Die Steuern werden sich erhöhen.«

»Ich verstehe nicht, wie so etwas passieren kann. Warum werden die Angriffe nicht rückverfolgt?«

»Die Angreifer haben sich vor Gefangennahme das Leben genommen. Wie ich gehört habe, scheint es im Hohen Rat zu rumoren. Die Meinungen, wie vorzugehen ist, gehen weit auseinander. Nichtsdestotrotz, wir haben unsere eigenen Aufgaben.« Der Mann erhob sich und ergriff eine Kerze. Mit dem Zeigefinger deutete er auf ein Bild an der Wand. Darauf waren verschiedene Kreise mit Symbolen aufgemalt, die durch Linien in Verbindung standen. »Wie du weißt, besteht unsere Welt aus vier Elementen. Sie bergen die Urkräfte des Lebens. Alle Elemente tragen wir in uns. Alle Kräfte finden wir im Außen wieder. Ein Adept durchläuft diese vier Welten, um sich letztlich Erzwächter zu nennen.«

»Darüber haben wir schon oft gesprochen. Welchen Dienst aber soll ich erweisen?«

»Zum Glück liebt der Mensch Gesellschaft. Aber wer nur im Außen lebt, wird seine Heimat nicht finden. Tantruid, Großmeister Printor und ich haben entschieden, dass du die erste Adepten- Bewährung erhältst. Asija, die Welt der Erde, zu erforschen wird deine Aufgabe sein.« Tantruid fing an, mit den Beinen zu wippen.

»Meint ihr das wirklich ernst? Ich meine, ich bin noch nicht mal ein Jahr euer Adept?«

»Ich kenne unsere Tradition. Wir ehren sie nicht, indem wir ihre Asche verwahren, sondern uns ihres Feuers entsinnen. Es sei denn, du fühlst dich noch nicht bereit dafür?«

»Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Aber wenn ihr mich empfehlt, möchte ich es versuchen.«

»Sehr schön. Dann werde ich dir nun die Einzelheiten deiner Aufgabe enthüllen. Östlich unseres Schlosses befindet sich der Kie-fernwurzelwald. Mit dem Pferd ein halber Tagesritt. Dort sollst du das Geheimnis der Aboraner entschlüsseln. Sie sind ein menschenähnliches Volk, das seit Urzeiten dort lebt. Die Geister des Waldes werden dir ein hervorragender Lehrmeister sein und dich belohnen, solltest du die Prüfung bestehen. Wir bitten dich außerdem, während deiner Reise nichts zu essen. Deine Kraft wirst du mehr für den Kopf als für den Bauch brauchen. In fünf Tagen ist der Mond gerundet. Du solltest bis dahin losziehen.« Tantruid hopste auf.

»Ich reise auch gern schon jetzt ab. Nur frage ich mich, wie ich die Aufgabe lösen soll? Ich habe nur Geschichten über diese Waldwesen gehört, nie etwas über ein Geheimnis.«

»Glaube mir, Tantruid, du bist bestens vorbereitet. Wenn der Wille zu etwas gegeben ist, werden die Dinge sich danach formen.« Tantruids Mentor lächelte nachdenklich. »Du wirst sehen. Deine größere Sorge sollte darin bestehen, in den Stallungen eine nachtaktive Begleitung zu finden.«

»Darüber braucht ihr euch keine Gedanken zu machen«, gab Tantruid schmunzelnd zurück.

»Dann bin ich gespannt auf deine Rückkehr und wünsche dir alles Gute.«

Tantruid lief durch die Korridore des Schlosses zurück in sein Gemach und packte die wichtigsten Dinge zusammen. Danach ging es in die Stallung. Ruhig war es, als er an den Gehegen vorbeilief. Hin und wieder ertönte ein leises Grunzen. Sein Weg führte vor eine schulterhohe Tür. Tantruid entriegelte den Durchgang und sah Sunev aus dem Fenster starren. Der Adept wusste, dass er sich auf seine Lieblingsstute verlassen konnte. Die Haflingerdame war ursprünglich eine Helferin für die Arbeiten ums Schloss gewesen. Tantruid hatte sich nach der Aufnahme in den Erzwächter-Orden schnell mit ihr angefreundet und sie immer öfter für Ausritte genutzt.

Ohne, dass es großer Führung bedurfte, folgte Sunev nach draußen. Nachdem sie gesattelt war und etwas getrunken hatte, zogen sie los. Der Mond schien kraftvoll über die Ebene und die angenehm laue Nachtluft, kündend vom nahenden Sommer, machte den Adepten euphorisch.

Nach hundert Metern Ausritt blickte er zurück. Nachts sah das Schloss der Erzwächter noch schöner aus als bei Tag. Einige Türme waren illuminiert und das Mondlicht verwandelte die Zinnen in bizarre Fratzen.

Tantruid ritt die Nacht nahezu durch. Nur selten machten sie Pausen, um etwas zu trinken oder die Beine auszuschütteln. Im Morgengrauen trabten sie der Sonne entgegen. Und gegen Vormittag erkannte er einen riesigen Wald am Horizont.

Der Himmel hatte sich über den Tag verdunkelt und große Regentropfen stürzten bald zu Boden. Tantruids Kleidung war schnell durchnässt. Der Grund wurde matschig und schwer. Nebelschwaden stiegen von den Bäumen auf und fast sah es aus, als würde der Wald atmen.

Nachdem zwei Raben krächzend an Tantruid vorbeiflogen, hatten sie die ersten Ausläufer erreicht. Der Regen hatte mittlerweile aufgehört. Es war ein angenehm lauer Tag. Der Waldrand war so dicht an hohen Bäumen, dass er fast einer Stadtmauer glich. Nachdem er eine Weile suchte, erkannte Tantruid einen Einlass. Die Äste zweier mächtiger Ebereschen hatten sich so merkwürdig ineinander verknotet, dass der Raum darunter wie ein Torbogen wirkte. Es war die einzige Öffnung weit und breit. Sunev schnaubte, wechselte in den Schritt und trug Tantruid ohne Aufforderung in die Burg aus Bäumen. Der Adept senkte das Haupt.

Tantruid atmete tief. Das Eintreten in das grüne Ebenmaß glich dem Gang in den Badezuber nach einem harten Arbeitstag. Es war kühler als draußen, doch er gewöhnte sich schnell an die Luft. Der Geruch von Pilzen und alter Borke stieg in seine Nase. Die Stille war himmlisch. Durch das Blattwerk brach wenig Licht. Im Abstand von einigen Kutschenlängen ragten Baumriesen wie Säulen empor. Ihre untersten Äste hatten sich wie ein Spinnennetz mit den Kronen der kleineren Geschwister verwoben. Die Walddecke erschien dadurch wie ein leuchtender Smaragd-Himmel, der die Erde darunter – zwischen Dickicht, Unterholz und Büschen – zu einer dämmrigen Schattenwelt werden ließ. Eine geheimnisvolle Ehrfurcht erfüllte Tantruid – einschüchternd, aber auch irgendwie Geborgenheit spendend. Das Reich der Feen und Dryaden. Tantruid fühlte sich willkommen.

Er ritt über den moosbedeckten Boden tiefer ins grüne Idyll. Das Laub raschelte leise unter den Hufen und bald musste er feststellen, dass auch Sunev wie gebannt war. Nur langsam kamen sie voran und der Adept wurde das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Die Höhe der Baumriesen war nicht abzuschätzen. Der Durchmesser ihrer Stämme ähnelte kleinen Hütten. Manche trugen Öffnungen. Und bei anderen krümmten sich Äste und Wurzeln so abstrakt, dass wundersame Tore entstanden. Hin und wieder erschienen am Weg Gräben, Unterhöhlungen und Anhöhen. Mal plätscherte ein Bächlein vorbei oder eine Felswand erhob sich. Aus der Ferne drang das Klopfen eines Spechts an die Ohren. Leise summte ein Waldbienenvolk aus ausgehöhlter Borke. Tantruid war sich sicher, hier mussten neben unzähligen Tieren auch andere Geschöpfe ein Zuhause haben.

Er ließ sich von Sunev tragen, ohne Ziel oder ein Gefühl für Zeit. Tiefer und tiefer ins Reich der Bäume.

Irgendwann knurrte sein Magen. Und schlagartig kam er zu Bewusstsein zurück. Er hatte eine lange Reise hinter sich. Auch Sunev zuliebe war es höchste Zeit, zu rasten.

Auf der Suche nach dem passenden Lager, rief er sich seine Aufgabe ins Gedächtnis. Er war immer noch überrascht, von Meister Degister so früh zur ersten Bewährung bestellt worden zu sein. Das Geheimnis der Aboraner entschlüsseln. Wesen, die es nur in Legenden gab. Tantruid hatte keine Vermutung, wie er dies bewerkstelligen sollte. Doch einen klaren Verstand würde er dafür brauchen. Und einen Ort zum...

Erscheint lt. Verlag 7.10.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
ISBN-10 3-7597-0128-0 / 3759701280
ISBN-13 978-3-7597-0128-2 / 9783759701282
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