La Louisiane -  Julia Malye

La Louisiane (eBook)

Roman | Der mitreißende Überraschungserfolg aus Frankreich

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
560 Seiten
Gutkind Verlag
978-3-98941-013-8 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
19,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Der große Bestseller aus Frankreich. Drei Frauen. Ein gnadenloses Terrain. Eine seit Jahrhunderten vergessene Geschichte. »Eine brillante Erzählung über ein vergessenes Stück Vergangenheit.« Le Parisien Paris, 1720. Die psychiatrische Anstalt Salpêtrière ist ein überfülltes Sammelbecken für Frauen, die nicht in die Gesellschaft passen. Aus ihren Reihen werden 'Freiwillige' ans andere Ende der Welt verschifft, um dort den Fortbestand der französischen Kolonie La Louisiane zu sichern. Unter ihnen sind drei Freundinnen, durch das Schicksal zusammengeführt: die zwölfjährige Charlotte, eine scharfzüngige Waise. Pétronille, eine enterbte Adelige mit einem riesigen Muttermal im Gesicht. Und Geneviève, eine Engelmacherin, die Frauen liebt. Julia Malye hat ein fesselndes Epos geschrieben über Freundschaft, Begehren, die erschreckenden Kompromisse, die Frauen eingehen müssen, um zu überleben - und den Mut, den es braucht, um gegen alle Widerstände zu bestehen.  »Ein gut recherchierter feministischer Pageturner, mit tiefen Charakteren, die man nie mehr vergisst.« Le Monde »Umwerfender Stil und fantastische Figuren.« Le Figaro »Schockverliebt: eine wunderschöne Geschichte, die Renaissance des historischen Romans.« Elle France

Julia Malye unterrichtet Kreatives Schreiben an der Oregon State University sowie an der Universität La Sorbonne Nouvelle und Sciences Po Paris. Im Alter von fünfzehn Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Roman. Sie recherchierte zehn Jahre für La Louisiane und schrieb den Roman zwei Mal: erst auf Englisch und dann noch einmal auf Französisch.

2


Geneviève


Paris, Juli 1720


Geneviève fällt es schwer, die wechselnden Geschehnisse zu begreifen: Noch zwei Wochen zuvor war sie in einem Heim der Salpêtrière eingeschlossen, und heute, in Paris, wird sie die Kleidung erhalten, die sie auf der anderen Seite des Atlantiks tragen wird. Am Morgen haben die Nonnen alle Mädchen endlich ins Kommissariat von Saint-Victor gebracht, nachdem sie fünfzehn Tage lang in einer Herberge des Viertels hatten warten müssen. Geneviève geht auf Schwester Louise hinter dem Stapel Kleidung zu, auf die Karren und die davor schwitzenden Tiere. Sie klemmt sich ihre endlich nachwachsenden Locken hinters Ohr. Sie hat sie noch nie so kurz getragen – außer im Januar, als ihr geschorener Kopf unter dem Leinenstoff der Haube juckte.

In den vergangenen Wochen, während die Begleiterinnen und die Polizisten die letzten Vorbereitungen für die Reise trafen, hatte Geneviève Zeit, über die Entscheidung der Superiorin nachzudenken. Diese konnte nicht alles über ihre Vergangenheit gewusst haben, nur das, was Madame d’Argenson in ihrem Brief geschrieben hatte – die Marquise hatte geglaubt, alles über sie zu wissen, obwohl sie nichts wusste, oder nur sehr wenig. Um nicht an ihre ehemalige Herrin denken zu müssen, fokussierte Geneviève sich auf die Superiorin. Sie fragte sich, ob die alte Frau nicht ganz einfach den Verstand verloren hatte. Ob sie sie nicht mit einer anderen verwechselt oder nur dazu benutzt hatte, ihre Liste zu vervollständigen. Nur einmal stellte sie sich vor, dass die Superiorin aus Güte gehandelt haben könnte. In jener Nacht lag sie bis zum Morgengrauen wach, lauschte den Glocken des Klosters der Filles-Anglaises und den Rufen der Händler der Halle-aux-Vins. Sie dachte an die Monate zurück, die sie allein in Paris verbracht hatte, nachdem ihre Eltern gestorben waren, und an diesen undurchsichtigen, nicht zu fassenden Zeitraum, die zähen Wochen in der Grande Force. Außer Amélie war niemand gut zu ihr gewesen, und doch hatte Geneviève sie enttäuscht. Nein. In den Augen der Superiorin war sie nur ein Name auf einer Liste.

Die Schlange wird kürzer, der Kleiderberg vor Schwester Louise kleiner. Die Frauen umklammern ihr Bündel und heben ihre Röcke, bevor sie auf die Karren steigen. Der Geruch von Vieh und warmem Heu sticht Geneviève in die Nase. An der Mauer lehnen Pfeife rauchend die Polizisten und überwachen sie. Nervös fährt sie mit der Zunge unter ihre Schneidezähne, befühlt den kleinen Spalt zwischen ihnen. Plötzlich spannt sich der Saum ihres Kleides. Als sie nach unten schaut, sieht sie einen Stiefel, der den grauen Stoff in den Staub tritt.

»Sie war zuerst da.«

Die feinen Gesichtszüge des Mädchens passen nicht zum Klang ihrer Stimme. Verschwitzte blonde Strähnen kleben an ihrer Stirn. Sie zeigt auf die kleine Rothaarige neben sich.

»Charlotte war vor Ihnen da«, sagt sie noch einmal.

Noch vor ein paar Monaten hätte Geneviève nicht einmal geantwortet, aber heute macht sie einen Schritt zur Seite.

»Na, worauf wartet ihr?«, fragt sie.

Die Blonde wirft ihr einen verärgerten Blick zu, aber ihre Freundin schaut weiter zu Boden. Sie bleiben vor dem Tisch stehen, an dem die Nonne weiter Korsetts, Röcke und Blusen in Stoffbeutel stopft. Das Mädchen, das sie angesprochen hat, die Blonde, die auch die Hübschere ist, spuckt sich in die Hand, reibt an einem Fleck an ihrem Ärmel. Die kleine Rothaarige nimmt die beiden Beutel an sich, die man ihnen überreicht.

»Sie werden froh sein, bei unserer Ankunft Kleidung zum Wechseln zu haben«, sagt die Nonne.

Das Gleiche sagt sie zu Geneviève, und schon fällt dieser das Bündel in die Arme, faserig und rau. Die Julisonne brennt auf ihre Schultern, manche Mädchen haben schon leuchtend rote Wangen, und Geneviève fragt sich, ob ihre Haut sich daran erinnert, dass sie in der Provence aufgewachsen ist. Sie geht weiter zu den Karren, sucht nach einem Platz. Als sie nach monatelanger Einsamkeit in die Maison de Correction kam, hätte sie alles für ein bisschen Gesellschaft gegeben. Sie hatte sich angewöhnt, sich zwischen zwei Gebeten leise mit den Frauen zu unterhalten, die in der Nähstube neben ihr saßen. Als die Aufseherin sie zum dritten Mal dabei erwischte, war sie unmissverständlich gewesen: Geneviève übe einen schlechten Einfluss aus, und wenn sie noch einmal das Schweigegebot breche, werde sie in die Grande Force zurückkehren. Geneviève hatte sich davor gehütet, ihr zu erklären, dass sie nur über den Louvre sprachen, über das Viertel Saint-Honoré, ihre alten Stellen. Sie hatte sich wieder an die Arbeit gemacht. Für eine belanglose Unterhaltung würde sie nicht das Risiko eingehen, erneut eingesperrt zu werden.

Ein Stück weiter erblickt sie das Mädchen mit dem Geburtsmal auf der Wange, Pétronille, das ihr die Blumen im Jardin de la Hauteur beschrieben hat, als ob es dort ganze Nachmittage verbracht hätte. Geneviève kann nicht erkennen, ob in dem Wagen, auf dem sie sitzt, noch Platz ist, und eine der Nonnen ruft ihr zu, sie solle sich beeilen, ein Mädchen rempelt sie an, fragt, worauf sie denn warte. Als Genevièves Blick den der kleinen Rothaarigen trifft, ist es zu spät; die anderen Frauen rücken bereits zur Seite, um ihr Platz zu machen. Sie stemmt sich hinauf, spürt, wie das Stroh unter ihren Sohlen nachgibt.

»Ich wollte Sie nicht brüskieren«, erklärt die Blonde, während sie aufrückt. »Aber Höflichkeit bringt einen hier nicht weiter.«

Sie lacht auf, kokett und wohlwollend. Sie neigt sich zu ihrer Freundin – wirklich noch ein Kind, das die zwei Bündel immer noch umklammert hält wie Puppen.

»Ich wusste, dass wir sie kennen«, flüstert die Blonde.

»Das hast du mir schon gesagt«, antwortet die Kleine mit heller, emotionsloser Stimme.

Beide wirken jung genug, dass sie in der Maison Saint-Louis mit den anderen Waisenmädchen aufgewachsen sein könnten. Und doch werfen sie ihr nicht die gleichen misstrauischen Blicke zu wie die drei Mädchen gestern Abend beim Essen. Geneviève sagt sich erneut, dass die Bewohnerinnen der Maison de Correction nicht alle den Ruf haben, gefährlich zu sein, dass ihre Fehltritte nicht schlimmer sein können als ihre. Dass keine der Reisenden in den Karren weiß, dass sie in der Grande Force eingesperrt war, dem Frauengefängnis, aus dem eigentlich niemand mehr herauskommt. Die Blonde wendet sich Geneviève zu.

»Wir haben Sie einmal im Jardin de la Hauteur gesehen«, sagt sie. »Sie waren allein.«

Sie hat die Güte, die Sœurs officières nicht zu erwähnen, die wütend angelaufen kamen, nachdem sie bemerkt hatten, dass jemand in der Katechismusstunde fehlte. An dem Morgen war Geneviève schwer atmend erwacht, und als es Zeit zum Abendessen war, wurde ihr schwindelig bei dem Gedanken, von der Menge von Frauen umschlossen zu sein. Sie irrte eine Zeit lang durch das Krankenhausareal bis zum Garten. Dort sah sie zu, wie Mädchen der Maison Saint-Louis spielten und Gärtner das Unkraut herausrissen. Zwischen ihren gebeugten Rücken tauchten die Unteraufseherinnen, die Sous-officières, auf. Geneviève musste nicht geführt werden, sie wusste, wohin man sie brachte. Unten in der Zelle schnürte ihr der Gestank von Schimmel und Urin den Hals zu. Ein paar Stunden später hatte sie die unregelmäßigen Schritte der Superiorin gehört und mit angehaltenem Atem gewartet, als der Schlüssel sich im Schloss des Kerkers drehte.

Die Blonde legt ihr die Hand auf den Arm.

»Ich heiße Étiennette«, sagt sie.

Ihre Augen sind von einem so dunklen Blau, dass man sie an einem Tag ohne Sonne fast für schwarz halten könnte.

»Und das ist Charlotte.«

Das Mädchen schenkt ihr ein scheues Lächeln. Unter seiner zu großen Haube wischt es sich den Schweiß ab, der ihm über die Sommersprossen rinnt. Als Geneviève ihren Namen nennt, weiten sich Charlottes Augen.

Schwester Gertrude hat die Zählung der Frauen beendet und gibt den Polizisten ein Zeichen. Die Männer, die sich ihrer feuchten Baumwolljacken entledigt haben, gehen zum Tor. Drei Mädchen steigen glucksend auf ihren Wagen.

»Was hatten Sie an dem Morgen draußen zu suchen?«

Geneviève spürt immer noch Charlottes Blick auf sich. Sie zieht die Beine an, um einer weiteren Mitreisenden Platz zu machen.

»Ich war Luft schnappen.«

»Hör dir das an! Luft schnappen.« Étiennette lacht. »Und ich nehme an, dass Sie ein falscher Tanzschritt in die Maison de Correction geführt hat.«

Da Geneviève sie nicht korrigiert, fragt sie: »Wie sind Sie in die Salpêtrière gekommen?«

In den ersten Tagen in der Herberge in der Rue des Boulangers stellte Geneviève den ehemaligen Insassinnen flüsternd die gleiche Frage. Eine von vielen Möglichkeiten, ihre eigene Stimme zu hören. Sie hatte die Drohungen der Sœur officière in der Nähstube nicht vergessen, und man hütete sich, in Anwesenheit der Schwestern auch nur ein Wort zu sagen. Aufmerksam hörte sie sich die Geschichten der Frauen an. Eine von ihnen hatte man in das Hospital geschickt, weil ihr Vater sie nicht mehr ertrug, eine andere, weil ihre Stiefmutter die wahrhaft Schamlose war, die eigentlich in die Maison de Correction gehörte. Pétronille, die Frau mit dem Geburtsmal, hatte begonnen zu antworten, zu leise, als dass Geneviève sie hätte verstehen können, bevor ihre Stimme von der einer Brünetten übertönt wurde, die sie als heuchlerische Aristokratin verspottete. Geneviève schlug die Augen nieder. Sie wagte sich kaum vorzustellen, was dieses Mädchen...

Erscheint lt. Verlag 26.9.2024
Übersetzer Sina de Malafosse
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-98941-013-X / 398941013X
ISBN-13 978-3-98941-013-8 / 9783989410138
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 5,8 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99