Das Haus Zamis 104 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-7289-1 (ISBN)
Sie kamen auf uns zu, die Arme weit ausgestreckt. Ein Mann berührte mich, streifte mich - und sofort breitete sich ein selten gekanntes Gefühl in mir aus. Es versprach Lust jenseits aller Vorstellungskraft, aber auch Hoffnungslosigkeit, Schwäche, Trauer ...
Der Cocktail an Emotionen, dem ich und die anderen Mitglieder der Familie Zamis ausgesetzt war, beinhaltete all das, was während eines sexuellen Aktes empfunden wurde, in völlig willkürlicher Reihenfolge und hundertfach verstärkt.
Dies waren zweifelsfrei die Diener der Todsünde der Wollust, und sie hatten etwas an sich, das es schwer machte, auch nur einen vernünftigen Gedanken zu fassen.
»Zurück!«, rief mein Vater. »Achtet auf ...«
Weiter kam er nicht ...
2. Kapitel
»Guten Tag, Vater. Hallo, Georg.«
Die beiden betraten zögerlich mein Caféhaus. Michael Zamis wirkte reserviert wie immer. Georg hingegen schenkte mir ein Lächeln, als sie zu mir an die Theke traten. Es war knapp bemessen – und dennoch: Wir beide waren so etwas wie Verbündete im Kreis dieser so schwer zu durchschauenden Familie.
Ich schenkte Georg ungefragt ein Glas mit schwerem, vollmundigem Wein ein. Mein Vater bevorzugte seit einiger Zeit erlesenen Whisky. Ich kannte die Geschmäcker der beiden.
Der Abend war hereingebrochen, die Geschäfte liefen gut. Karl hatte alle Hände voll zu tun, um die Wünsche der Kunden zu erfüllen. Ich würde mich über kurz oder lang nach einer Aushilfe umsehen müssen. Der Verlust Lilians war nicht einfach so wegzustecken. Der Geist der Frau war zweifellos zerrüttet gewesen. Doch in ihren vielen guten Phasen hatte sie Erstaunliches geleistet.
»Also, was gibt's?«, fragte mein Vater und durchbrach damit meine Gedanken. »Warum hast du uns herbestellt? Und warum bist du nicht in die Villa gekommen, wie es sich geziemt hätte?«
»Das Café erschien mir für eine Besprechung sicherer.«
»Die Villa ist ebenso ...« Vater brach ab. Er wusste nur zu gut, dass die magischen Schutzeinrichtungen seines Heims in den letzten Monaten und Jahren immer wieder versagt hatten. Leise sagte er: »Ich setze alles daran, um die Villa wieder zu jener Festung zu machen, die sie einmal war. Aber darum geht es nicht. Was willst du von uns?«
»Es geht um das Caféhaus – und um Asmodi.«
Der Name des Herrn der Schwarzen Familie reichte, um meines Vaters Aufmerksamkeit zu erheischen. Er hörte konzentriert zu, während ich ihm von meinem Auftrag erzählte. Von den ominösen Hinweisen auf die Callas, die mittlerweile die Arme am Tresen verschränkt hielt, den Kopf daraufgelegt hatte und leise vor sich hin schnarchte. Von dem, was sich angeblich hinter dem Mauerwerk des Caféhauses verbarg.
»Namtaru also«, murmelte mein Vater. »Ich habe schon lange nichts mehr von ihm und seiner Sippe gehört.«
»Du kennst ihn?«
»Ich hörte immer wieder Gerüchte über ihn. Man sagt, dass er ein uraltes Wesen sei. Hättest du deinen Unterricht in Dämonologie mit ein wenig mehr Eifer verfolgt, wüsstest du, dass bereits im Reich der Akkadier und der Sumerer ein Geschöpf mit diesem Namen verehrt wurde. Er wurde auch als Pestgott bezeichnet.«
Ich erinnerte mich. Aber ich hatte mich niemals sonderlich für derartige Geschichten erwärmen können. Die Zeit, in der ich lebte, barg Schrecken genug. Ich wollte mich nicht zusätzlich mit denen vergangener Tage auseinandersetzen. »Und du meinst, dass dieser Namtaru tatsächlich mehr als fünftausend Jahre auf der Erde überlebt hat und nach wie vor sein Unwesen treibt?«
»Das ist eine Frage, die dir bestenfalls Asmodi beantworten kann. Aber du weißt ja, wie wenig auskunftsfreundlich unser ... Herr ist.«
Ich machte mir eine geistige Notiz. Ich würde mich genauer über Namtaru informieren müssen. Im Internet, aber auch in alten Folianten und Schriften.
»Dich beschäftigt ein anderes Problem viel mehr, nicht wahr?«, fragte Georg.
Ich blickte ihn an und nickte. Er kannte mich gut und wusste, womit ich mich eigentlich beschäftigte. »Richtig erkannt, Bruderherz. Ich fühle seit einigen Tagen einen Einfluss, der vom Café ausgeht. Es existiert eine nichtkörperliche Präsenz, die sich auf meinen Geist legt und mir Schwierigkeiten bereitet.«
»Dann gib das Café Zamis endlich auf und komm in die Villa zurück! Es ist dort viel ...« Mein Vater verstummte. Er sah mich an und wusste, dass ich mich nicht so einfach vom Caféhaus trennen konnte. Es war mir zur Heimat geworden. Zur sicheren Klause, in die ich mich zurückzog, sobald mir das vermeintlich freie und unabhängige Leben zu viel wurde.
»Was ich fühle, stammt aus diesen Mauern.« Ich deutete auf einen mit sonderbaren Kacheln versehenen Wandbereich schräg links hinter der alten, aber nach wie vor gut funktionierenden Espresso-Maschine. »Ich hatte bereits eine Begegnung mit Geschöpfen, die dahinter hervorgekrochen kamen und mich töten wollten.«
»Weiter.« Michael Zamis näherte sich dem gekachelten Bereich, legte eine Hand gegen die Wand und zog sie gleich darauf wieder zurück, so, als hätte er sich verbrannt.
»Ich hatte eine Begegnung von Geschöpfen, die aus einem Bildnis entsprungen zu sein schienen.«
»Welches Bildnis?«, fragte Georg neugierig.
»Dem der Sieben Todsünden von ...«
»... von Jheronimus van Aken«, vervollständigte mein Vater, »auch Hieronymus Bosch genannt. Ein Freund der Dämonen, der im sechzehnten Jahrhundert lebte und über den die Menschen kaum etwas wissen. Aber seine Bilder sind ihnen in Erinnerung geblieben. Weil sie sehr lebensnah wirkten. Kein Wunder, hat er die gemalten Figuren doch alle gesehen und ihr Wirken gespürt.«
Ich hoffte, dass mein Vater weiterreden würde. Doch er schien entschlossen, mir nicht mehr Informationen als notwendig zukommen zu lassen.
»Die Figuren, die hinter den Kacheln hervorgekrochen kamen«, begann ich weiterzuerzählen, »stammten aus dem Bild über die Todsünde der Völlerei, mit dem lateinischen Wort gula beschriftet.«
»Und nun glaubst du, dass sich Gestalten eines weiteren Bildes bemerkbar machen?«, hakte Georg nach.
»Ich bin mir sicher.« Ich fühlte in mein Inneres. Ich konnte die Veränderungen spüren, die in diesen Minuten, Stunden und Tagen vor sich gingen. Eine Saat ging auf, eine Art Schleusentor öffnete sich. Gedanken, böse und verdorben, drangen aus der Wand hervor. Sie breiteten sich aus, unsichtbar für meine Gäste, aber spürbar. Sie verbreiteten Respekt. Oder Angst.
Seit Tagen schon hatte sich niemand mehr in den beiden Nischen nahe der Kachelwand niedergelassen. Der Instinkt sagte Menschen und Dämonen, dass sie sich von dem Ort fernhalten mussten.
»Ich dachte, dass es im Café Zamis keine Magie gibt?« Georg folgte seinem Vater. Auch er wandte sich rasch wieder ab, angewidert und kopfschüttelnd.
»Natürlich gibt es sie!« Ich deutete auf verschiedene Einrichtungsgegenstände im näheren Umkreis. »Ich konnte einige Schutzzauber identifizieren, die hier drinnen für Sicherheit vor dämonischen Nachstellungen sorgen.« Ich zeigte auf übereinandergestapelte Putztücher. »Sie stammen aus dem Fundus im Keller des Lokals. Wir verwenden diese Fetzen zum Reinigen der Theke, der Sitzmöbel, der Fensterscheiben und vielem mehr.«
Georg ließ sich ein frisches Tuch reichen und schnüffelte daran. »Das riecht ein wenig sonderbar.«
»Es wurde mit dem Hautabrieb getöteter Mörder imprägniert und mit dämonischer Magie aufgeladen. Dank der Tücher wird der Schutz des Café Zamis immer wieder gestärkt.« Ich lächelte meinen Vater an. »Hast du schon mal was von den Filobranen gehört?«
»Selbstverständlich. Ich wollte, ich hätte einige dieser Putzteufelchen für die Villa zur Verfügung.«
»Ich würde dir gerne welche von mir leihen, aber meine sind ans Lokal gebunden.«
»Was, bei den schwarzen Seelen, sind Filobranen?«, fragte Georg.
»Schmutz- und Schutzgestalten«, sagte ich. »Sie sind nicht größer als eine Hand. Sie halten ein Haus in Ordnung und lassen sich kaum einmal blicken.«
»Sie gehören also zur Familie der Kobolde? Wie langweilig ...«
»Vielleicht sind sie weit entfernte Verwandte der kleinen irischen Wesen«, unterbrach ich meinen Bruder. »Aber die Filobranen haben ihre Besonderheiten: Sie bestehen aus gemahlenen Finger- und Zehennägelresten von Dämonen, die mit blutigem Sperma aneinandergepappt wurden. Ich habe erst dreimal welche von ihnen zu Gesicht bekommen, und das auch bloß für Sekundenbruchteile. Sie sehen wie unförmige Kartoffeln aus, die mit Glassplittern gespickt wurden. Sie halten das Café Zamis in Schuss und füllen Lücken, sobald der magische Schutz nachlässt.«
Ich führte Vater und Bruder im Café Zamis umher. »Teile des Inventars gehörten meiner Meinung nach einmal zum Schwarzen Zimmer. Zum Beispiel diese Griffel, die aus Menschenknochen bestehen. Die Metallspitzen wurden aus den Wunden Getöteter gezogen. Die dazugehörigen Wachstafeln sind aus gegerbter Menschenhaut, überzogen mit Menschenfett. Manchmal erscheinen Botschaften, Bilder und Töne darauf, die unerklärlich bleiben. Zumindest vorerst.«
Vater verzog das Gesicht, als ich das Schwarze Zimmer erwähnte. Glücklicherweise zeigte es im Moment keinerlei Aktivität. Als hätten wir damit, dass wir den Zugang in Kaliningrad endgültig geschlossen hatten, auch dem Schwarzen Zimmer in Wien zumindest vorerst einen Schlag versetzt. Alexei Zamis ließ sich nicht mehr blicken. Morde waren seitdem keine mehr verübt worden. Es schien, als ginge alles...
Erscheint lt. Verlag | 5.10.2024 |
---|---|
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond |
ISBN-10 | 3-7517-7289-8 / 3751772898 |
ISBN-13 | 978-3-7517-7289-1 / 9783751772891 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 2,3 MB
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich