Jannis Frank und Die Leerzeit (eBook)

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2024 | 1. Auflage
372 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-21609-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jannis Frank und Die Leerzeit -  Ben Castelle
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Die Reise in der Prometheus geht weiter. Der Kontakt zum Planeten Maa ist mittlerweile abgerissen und die Erde noch lange nicht in Sicht. Um das Leben an Bord erträglicher zu machen, wird für die Schülerinnen und Schüler ein Wettbewerb veranstaltet. Als erster Preis winkt die Landung auf einem fremden Planeten. Doch während Jala alles daran setzt, mit ihrem Team zu siegen, verliebt sich Jannis in June Farrow aus der Ardeshir-Klasse und findet neue Freunde, die aus dem Medizinlager Morelight forte gestohlen haben. Das Psychopharmakon war von den Humanökologen für die schwierige Phase der Leerzeit gedacht, wird jedoch von Thelonious Arden unter Verschluss gehalten. Jannis' zunehmende Drogensucht und seine Auseinandersetzungen mit Damion Dagwood, dem Freund von June, wird mehr und mehr zur Belastungsprobe seiner Freundschaft mit Jala, Alice, Sergej und Hiroto. Doch noch weitaus größere Probleme bereitet schon bald der fremde Planet, der ein Bakterium beherbergt, das Halluzinationen hervorruft. Professor Sterling kann es nicht lassen, Proben dieses Bakteriums auf der Prometheus zu analysieren, und bringt dadurch die gesamte Besatzung an Bord in Lebensgefahr. Selbst der Dronka Donovan bleibt nicht unempfänglich für das neue Bakterium. Währenddessen gelingt es Jala, herauszufinden, dass die Kommandantin einen geheimen Auftrag befolgt und die Prometheus zu einem nicht auf der Route liegenden Feld steuern möchte, in dem sie die überaus wertvollen Überbleibsel einer Neutronenstern-Kollision vermutet. Während Jorge Stankow und Roberto Rammon Damion Dagwood für ihren Rachefeldzug gegen die Humanökologen zu gewinnen versuchen, erklärt Thelonious Arden Jannis, was es mit dem geheimnisvollen Poetikon auf sich hat, und er entschließt sich, den Kindern die von den Humanökologen verbotene Handschrift zu lehren. 'Tiefgründiges Zukunftsabenteuer, liebenswerte junge Helden und eine große Portion Satire sind die Zutaten für diese temporeiche und ungewöhnliche Coming-of-Age-Geschichte. Doch bei allen zu bestehenden Gefahren, die die Protagonisten und Leser gleichermaßen in Atem halten, wird auch immer wieder die Frage nach der Bedeutung der Sprache für die Realität gestellt. Dabei lässt sich die Jannis-Frank-Reihe mit ihrem erzählerischen Witz und schrägen Einfällen nicht zuletzt als Zeit-, Sprach- und Gesellschaftskritik der Gegenwart lesen.'

Ben Castelle wuchs im Münsterland auf, studierte Germanistik, Philosophie und Soziologie und lebt heute als Redakteur und freier Autor in der Eifel. Er schreibt Romane, Erzählungen, Kurze Prosa, Jugendbücher und Haikus. Bei 'tredition' erschienen in den vergangenen Jahren elf Romane, zwei Erzählbände und ein Haiku-Band.

Ben Castelle wuchs im Münsterland auf, studierte Germanistik, Philosophie und Soziologie und lebt heute als Redakteur und freier Autor in der Eifel. Er schreibt Romane, Erzählungen, Kurze Prosa, Jugendbücher und Haikus. Bei "tredition" erschienen in den vergangenen Jahren elf Romane, zwei Erzählbände und ein Haiku-Band.

31

 

Das Schweigen von Jannis wurde langsam unheimlich. Die Kommandantin fragte nach, was im Shuttle los sei und ob es Probleme gebe. Jetzt hörte man, wie Jannis sich räusperte. »Nein«, sagte er, »es ist nur ... es ist etwas Sonderbares ... also am Ende dieser Wüste erhebt sich ein neues Gebirge, und in diesem Gebirge gibt es so etwas wie geometrische Figuren ... wir können uns das derzeit noch nicht erklären ... schwer zu glauben, dass die Natur solche regelmäßigen Formen ... wir gehen gerade noch etwas näher ran ...«

Wieder verstummte Jannis auf längere Zeit, und auch die Anfragen der Kommandantin hatten keinen Erfolg. In der Zwischenzeit waren immer mehr Arbeiter von den Decks in die Versammlungshalle gekommen, als ob sie aus erster Hand hören wollten, was hier vor sich ging. Die Halle war schon übervoll, und Francis Lafrance beschloss, niemanden mehr hineinzulassen. Aber gegen das Gedränge war nur schwer anzukommen. Erstaunlicherweise war es totenstill im Raum, selbst die Neuankömmlinge drängten hinein, ohne einen Ton zu sagen.

Jetzt räusperte sich Jannis wieder. »... wenn ich nicht wüsste, dass dies unmöglich ist, würde ich behaupten, es handelt sich um eine Fatamorgana ... am Hang des Gebirges befinden sich ... nein, wie gesagt, es ist nicht möglich ...«

»Was denn?« rief die Kommandantin. »Nun sag schon, was du siehst!«

»Häuser«, sagte Jannis, »viele Häuser, eine Stadt, eine sehr große Stadt, die Ähnlichkeit mit Xaalina besitzt.«

»Unmöglich«, rief die Kommandantin. »Das ist ausgeschlossen. Siehst nur du diese Stadt?«

»Nein«, ertönte jetzt die Stimme von Jala, »ich sehe sie auch, wir alle sehen sie. Selbstverständlich kann es keine Stadt sein, da stimme ich Ihnen zu. Aber wir sind noch nicht nah genug dran, um zu erkennen, worum es sich bei dieser optischen Täuschung handelt.«

Dann brach die Verbindung erneut ab. Die Spannung im Saal wurde fast unerträglich.

»Ah«, sagte die Kommandantin schließlich und ließ ein künstliches Gelächter vernehmen, »jetzt verstehe ich, das ist eure Rache für den Streich von heute früh. Also gut, es ist euch geglückt. Für einen Moment habt ihr uns alle mächtig in Verwirrung gebracht. Eine Stadt auf dem Planeten meines Namens, okay, der Scherz war gut, aber doch ein wenig überzogen. Da hättet ihr auch gleich ein paar Orlandianer durch die Wüste reiten lassen können. Aber eines interessiert mich nun doch, war die Sache mit dem Relais auch nur ein Bluff? Damit wir nichts sehen, und Jannis uns seine Märchen besser erzählen kann?«

Im Funk blieb es weiterhin still, dann hörte man wieder die Stimme von Jannis: »Tut mir leid, Kommandantin, aber es ist kein Bluff. Die Stadt ist wirklich da. Und wir haben noch ein anderes Problem. Unter uns im Wüstensand liegt ein Shuttle.«

»Jetzt übertreibt es nicht.« In Jennifer Orlandas Stimme klang ein wenig Ärger mit. »Man sollte einen Scherz niemals überreizen.«

»Der Junge scherzt nicht«, meldete sich jetzt die Stimme des Piloten Tomas Wronskij. »Hier liegt tatsächlich ein Shuttle im Sand. Es schauen nur noch das Dach und ein paar Bugfenster heraus. Es scheint menschlichen Ursprungs zu sein, denn es sieht sehr ähnlich aus, wie das Shuttle, mit dem unsere Vorfahren, die Kolonisten, von der Humboldt aus auf dem Planeten Maa gelandet sind.«

»Gehen Sie runter und schauen Sie sich das Shuttle aus der Nähe an!« Die Kommandantin schien von jetzt auf gleich bereit zu sein, Abschied von der Vorstellung zu nehmen, dass es sich um einen Scherz handelte. Gleichzeitig sah man ihr an, dass Sie nervös wurde und die ersten Schweißtropfen sich an ihren Schläfen zeigten. Sie schaltete die Verbindung aus und wandte sich an Ihren Ersten Offizier: »Brown, sagen Sie mir, was das soll? Das ist doch schlechterdings nicht möglich.«

Balram Brown blies seine Wangen auf und griff sich ins Haar. »Lassen Sie es uns differenziert betrachten«, sagte er, »was die vermeintliche Stadt angeht, so geben ich Ihnen Recht, das kann nicht sein. Menschliches Leben ist auf diesem Planeten aufgrund der atmosphärischen Bedingungen unmöglich. Ein Shuttle in der Wüste hätte allerdings eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Es wäre möglich, dass beim großen Exodus auch Kolonisten hier gelandet sind und aus welchen Gründen auch immer, ihr Shuttle zurückließen. Vielleicht, weil es defekt war.«

»Und wie sind sie dann zurück ins Raumschiff gekommen?«

»Vielleicht hatten sie ein zweites Shuttle«, antwortete Brown, »es gab Riesenschiffe wie die Kolumbus oder die Amundsen, die sogar über drei Shuttles verfügten.«

Jennifer Orlanda wandte sich ab und schaute zum Bugfenster hinaus. Der Planet war immer noch eingenebelt. Was ging dort unten vor? Sollte sie den sofortigen Rückzug befehlen? Sobald klar war, was es mit dem Shuttle im Wüstensand auf sich hatte, würde sie mit Brown diese Option bereden. Aber solange es nur den Hauch einer Möglichkeit gab, dass vielleicht doch Menschen auf diesem Planeten lebten, hatte sie die Pflicht, diese ausfindig zu machen.«

»Drei, zwei, eins, Kontakt«, ertönte die Stimme des Piloten Tomas Wronskij jetzt. Eigentlich war vorgesehen, dass die Zuhörer in diesem Moment applaudierten, aber niemand im Saal konnte sich dazu aufraffen.

»Der Sand erweist sich als erstaunlich fest«, ergriff Jannis jetzt wieder das Wort. »Das Shuttle muss hier schon ewig liegen, um so tief eingesunken zu sein, oder der Sand hat sich nach und nach über das Shuttle gelegt, aber dafür müsst es so etwas wie Wind geben. Wir werden uns jetzt für den Ausstieg bereit machen.«

»Jannis und Jala erforschen das Shuttle, die anderen kümmern sich um die Bodenproben«, wies die Kommandantin die Crew an. »Und Jannis, du berichtest uns weiterhin detailliert, was du gerade machst und siehst.«

»In Ordnung«, erwiderte Jannis, »zurzeit bin ich dabei, meinen Helm aufzusetzen, deshalb muss ich den Kontakt kurz unterbrechen.« Es knackte ein paar Mal entsetzlich laut in der Leitung, dann meldete sich Jannis zurück. »Wir montieren jetzt unsere Atemluftgeräte, dann begeben wir uns in die Schleuse.«

Die Kommandantin wischte sich den Schweiß von den Schläfen und schürzte angespannt die Lippen.

»Sind jetzt in der Schleuse ... die Verriegelung läuft ... warten auf den Druckausgleich ... Prozess erfolgreich ... die Außenbordtür öffnet sich ... wir haben unter uns ausgemacht, dass Jala den ersten Schritt auf den Planeten unternehmen darf ... Jetzt steigt Jala die Treppe herab ... sie ist auf der untersten Stufe angekommen, sie winkt uns nochmals zu, hebt ihren rechten Fuß und setzt ihn langsam in den rotgelben Sand. Jetzt zieht sie den anderen Fuß nach. Es ist geschafft, wir haben den Planeten Orlanda betreten.«

 

32

 

Professor Guntram Sterling saß vor seiner Glastafel und machte eine ernste Mine. Über den Bordlautsprecher hatte er alles mitbekommen, was dort draußen vor sich ging. Die Angelegenheit war für ihn genau so rätselhaft wie für alle anderen. Er hatte seine Glastafel mit dem Szientikon verbunden und suchte schon seit Stunden nach einer Studie, die er einmal gelesen, jedoch als Unsinn ad acta gelegt hatte. Dummerweise konnte er sich weder an den Autor der Studie noch an das Bakterium erinnern, das Gegenstand dieser Studie gewesen war.

Immer wieder sprang er auf und lief fluchend in seinem kleinen Raum hin und her, wobei er ab und an gegen eine der Metallwände hämmerte. Es war doch stets dasselbe, die Dinge, von denen man ausging, dass sie einen nicht zu interessieren hatten, entpuppten sich kurz darauf als genau das, was man benötigte, um ein neu entstandenes Problem zu lösen. Er hatte das schon so oft in seinem Leben erlebt, aber nie eine Konsequenz daraus gezogen. Wenn er wenigstens ein Arbeitstagebuch führen würde, aber nein, selbst dort wäre ihm eine Studie, die er für Unfug hielt, keine Anmerkung wert gewesen. Er besaß also nur sein Gedächtnis, um sich zu erinnern. Irgendwo dort tief im Inneren einer alten Gehirnwindung lag das Wissen bereit. Nur hatte er keinen Zugriff darauf.

Meistens half es, sich mit irgendetwas anderem zu beschäftigen, dann fiel einem das Gesuchte ganz von selbst wieder ein. Aber er fühlte sich unter Zeitdruck gesetzt und das war für das Wiederfinden keine gute geistige Grundlage. Man musste entspannt dazu sein und das Wiederfinden nicht mehr sklavisch wollen. Er zwang sich daher, an etwas anderes zu denken und beschäftigte sich eine Weile mit einem seiner Lieblinge, dem Bacillus subtilis, einem weitverbreiteten Bakterium, das im Boden, im menschlichen Darm, in Tieren, Pflanzen, im Staub und in der Luft vorkam. Dieses Bakterium war ein Alleskönner. Da es resistent gegenüber Extrembedingungen wie Hitze oder Säure war und sich rasant schnell vermehren konnte, vermochte es andere krankheitserregende Keime in Schach zu halten, deren Ausbreitung nicht wünschenswert war. Ganz nebenbei benutzte man es auch, um Styxor zu fermentieren, das ohne diesen Fermentationsprozess Halluzinationen auslöste.

Erst gestern hatte er ein ausführliches Gespräch mit Pieter De Jong geführt, um ihm den Gebrauch des Bakteriums in seiner Bauwirtschaft nahezulegen. »Sie sollten sich unbedingt die Fähigkeiten von Bacillus subtilis zunutze machen«, hatte er gesagt. »Wenn Sie beispielsweise etwas gegen alterungsbedingte Risse in Ihren Bauwerken unternehmen wollen, nebeln sie diese mit dem Bakterium ein. Es wird sich daraufhin in den Rissen absetzen und bei eindringender Feuchtigkeit antwortet das Bakterium mit einem rasend schnellen Wachstum von Sporen, die wiederum Carbonat-Ionen bilden, welche die Risse verschließen.«

...

Erscheint lt. Verlag 15.8.2024
Reihe/Serie Jannis Frank
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Coming-of-age • Dystopie • Erwachsenwerden • Freundschaft • Generationsübergreifend • Gesellschaftskritik • Jugendabenteuer • Selbstfindung • Serie • Soft-Science-Fiction • Sprachkritik • Vielfalt • weltraumgeschichten • Zukunftsgeschichte
ISBN-10 3-384-21609-1 / 3384216091
ISBN-13 978-3-384-21609-0 / 9783384216090
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