Im Warten sind wir wundervoll (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
384 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60573-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Im Warten sind wir wundervoll -  Charlotte Inden
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»Fräulein Luise Adler, das Mädchen mit den goldenen Haaren, hatte nicht geplant, berühmt zu werden ...« New York, 1948: »Ich warte auf dich«, hatte er in seinem letzten Brief geschrieben. Doch nun, da Luise am Idlewild Flughafen gelandet ist, ist Jo nicht da. Wo bleibt ihr Verlobter?, fragen sich auch die New Yorker Zeitungen, die auf das Schicksal der jungen deutschen War Bride aufmerksam werden. Taucht Jo nicht auf, muss Luise ins Nachkriegsdeutschland zurückkehren. Das wollen die New Yorker verhindern. Als hunderte Heiratsanträge eingehen, muss Luise sich entscheiden. Sieben Jahrzehnte später inspiriert Luises Schicksal ihre Enkelin Elfie, ebenfalls über den Atlantik zu fliegen. Auf der Suche nach der Liebe - der ihrer Großmutter und ihrer eigenen. Klug, voller Humor und einfach unwiderstehlich - Charlotte Indens großer Roman nach einer wahren Begebenheit. So charismatisch wie Bonnie Gamus' »Eine Frage der Chemie«, so mitreißend wie Susanne Abels »Stay away from Gretchen«

Charlotte Inden, geboren 1979, studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Film- und Fernsehwissenschaften in Marburg, London und Straßburg. Sie lebt mit ihrer Familie in Karlsruhe, arbeitet als Redakteurin bei einer Tageszeitung und schreibt seit 15 Jahren erfolgreich Kinder- und Jugendbücher. Inspiriert von einer wahren Begebenheit legt die Autorin mit »Im Warten sind wir wundervoll« ihren ersten Roman für Erwachsene vor. 

Charlotte Inden, geboren 1979, studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Film- und Fernsehwissenschaften in Marburg, London und Straßburg. Sie lebt mit ihrer Familie in Karlsruhe und arbeitet als Redakteurin bei einer Tageszeitung. 

III


1


Ihr Foto schaffte es nicht auf die Titelseite.

Aber ihr Foto schaffte es in die New York Times. In die Post. Und in die Daily News. Und in all die anderen Zeitungen, die im Dezember 1948 in New York so gelesen wurden.

»Jetzt sieh dir das an«, sagte Mr Solomon Newton zu seinem Sohn Benjamin, der gerade sein hastiges Frühstück beendete. »Dieses reizende Mädchen hier. Mit dem Koffer. Steht einsam und verlassen am Flughafen. Armes Ding. Gestrandet. Was soll sie jetzt machen? ›Lovely War Bride‹, schreiben sie. Und sie haben recht. Dieses goldene Haar. Wie die Loreley.«

»Dad«, sagte Benjamin, ohne hinzuschauen. »Wie willst du erkennen, dass sie goldenes Haar hat? Es ist ein Zeitungsfoto. Schwarz-weiß.«

Mr Newton ignorierte das. »Du solltest ihr schreiben«, sagte er. »Deine Dienste anbieten. Die kann sie brauchen. Sonst werden sie das arme Kind zurückschicken.«

»Bitte?«, sagte sein Sohn. »Nein. Ganz sicher nicht.«

»Aber sie ist reizend!«

»Du wiederholst dich.«

»Und braucht Hilfe.«

»Die brauche ich auch. Wie konnte ich nur denken, es sei eine gute Idee, Jura zu studieren? Ich hätte mich wie du für deutsche Lyrik entscheiden sollen. Nichts als Heinrich Heine und goldenes Haar den ganzen Tag.«

Mr Newton kannte dieses regelmäßig wiederkehrende Lamento und ignorierte auch das. »Du wirst ihr nicht schreiben?«

»Nein, sorry, Dad«, sagte sein Sohn, schob seinen Stuhl zurück, klemmte sich die abgegriffene Ledermappe unter den Arm und klopfte seinem Vater im Vorbeigehen freundlich auf die Schulter.

»Dann tu ich’s«, rief Mr Newton ihm nach. »Ich werde schreiben: Mein Sohn, der Anwalt, kann helfen. O ja, ich schreibe.«

Und er tat es.

Er sollte nicht der Einzige bleiben.

2


Idlewild Airport war 1948 noch recht überschaubar.

Kein Jahr alt.

Mit nur einem Terminal.

Aber der verdammt noch mal beste Flughafen der Welt, sagte Bürgermeister La Guardia.

Mit sechs Landebahnen. Lang genug, dass Jumbojets und Militärmaschinen sie anfliegen konnten.

Mit zwölf Fluglinien, die Flüge in alle Welt anboten. Peru? Paris? In Reichweite.

Der Duft der weiten Welt umwehte Idlewild Airport.

Er lag nur fünfundzwanzig Kilometer von Manhattan entfernt und war im Sumpfgebiet der Jamaica Bay errichtet worden. Wer zu Fuß über das Rollfeld lief, konnte das Meer riechen. Und mit salzigen Lippen die Gangway erklimmen.

Wer kein Ticket hatte, stand auf dem Aussichtsdeck und sah den Maschinen beim Starten und Landen zu. Während ein Sternenbanner über dem Tower im Wind schlug.

Früher hatte es hier einen Golfplatz gegeben. Idlewild hatte er geheißen. Ein guter Name. Er hielt sich hartnäckig, auch wenn nun Douglas DC-3s statt Golfbällen über das Marschland flogen.

Offiziell hieß der Flughafen International Airport.

Und wirklich: Er war in diesen Tagen das Tor zu einer anderen Welt.

Vor allem für die War Brides.

Jene junge Frauen aus Europa und dem Pazifikraum, die sich mit in der Fremde stationierten Soldaten verlobt oder verheiratet hatten. Und ihnen jetzt, da die Männer heimwärts zogen, nachreisten. Die Damen wollten in den Vereinigten Staaten von Amerika ein neues Leben beginnen, weit weg von den Nachkriegswirren ihrer Heimat.

Eigentlich war das Einwanderungsgesetz bedauerlich unnachgiebig. Liebe war darin nicht vorgesehen. Aber besondere Zeiten erforderten besondere Maßnahmen. Und waren die Mitglieder der US-Streitkräfte nicht sämtlich Helden? Musste man ihnen da nicht entgegenkommen?

Also machte der Kongress es möglich und entwarf eine Ausnahmeregelung. Den War Brides Act. Er erlaubte für einen kurzen Zeitraum die Einreise der Angetrauten und Verlobten.

Sie kamen in Scharen.

Die meisten per Schiff. Aber einige per Flugzeug. Vor allem jetzt, kurz bevor sich das Jahr dem Ende zuneigte und die Ausnahmeregelung auslief.

Die Zeit drängte.

Noch zehn Tage bis Neujahr.

Noch drei Tage bis Weihnachten.

3


»I’ll be home for Christmas«, sang Rosie, die frisch wie der frühe Wintermorgen über der Jamaica Bay an ihrem Schalter von American Airlines in Terminal eins stand.

Die Stirn weiß wie Schnee.

Die Lippen rot wie Christbaumkugeln.

Und lächelte.

Ernest kannte sie nicht anders als lächelnd.

Vielleicht ist es der Job, dachte er. Aber vielleicht ist es auch einfach nur Rosie.

Ihr Halstuch war lässiger geknüpft als bei den Mädchen der anderen Airlines links und rechts. Die gekonnt aufgedrehten Locken wippten munterer, und ein oder zwei hatten trotz aller Haarspangen so eine Art, ihr frech in die Stirn zu fallen.

»Ich liebe Bing Crosby einfach«, rief Rosie quer über den Gang hinweg. »Sie nicht auch, Ernest?«

Nein, Ernest nicht. Ernest hätte Mr Crosby jederzeit für Charlie Bird Parker im Regen stehen lassen. Der schrieb seine Musik immerhin selbst, Mr Crosby nicht mal seine Texte. Und mit Texten nahm Ernest es sehr genau. Immerhin hatte Ernest von Earnest Books and Papers, der eher Papers denn Books führte, sein Leben lang von einer eigenen Buchhandlung geträumt. Immer gedacht, wie viel friedvoller so ein Laden sein musste im Vergleich zu einer Zeitungsredaktion. Jetzt hatte Ernest einen Flughafen-Zeitungsstand. In einer eingeschossigen Betonschachtel von Terminal, die zwar im Winter kaum beheizt und im Sommer nicht klimatisiert wurde, aber bei Eröffnung mit Salutschüssen und einer Flugschau gefeiert worden war.

War Ernest nicht stolz? War er zufrieden? Schrieb er Briefe nach Hause, in denen stand: Ich bin angekommen?

Ernest McIntry hatte drei Brüder. Alle verheiratet. Alle mit Kindern. Alle angestellt im Familienunternehmen McIntry and Sons. Drillich aus dem Mittleren Westen. Drillich für die Streitkräfte. Im Krieg hatte man gut verdient. Wenn sie etwas lasen, dann kein Buch, sondern die Zeitung. Und wenn sie die Zeitung lasen, dann vor allem den Sportteil.

Ernest las auch den Sportteil. Aber Ernest las zuerst die Titelseite. Dann die Leitartikel. Dann das Feuilleton. Und nach dem Wetter endlich den Sport.

Und er schrieb nach Hause: Habt ihr das Spiel gesehen? Die Cubs könnten es wieder in die World Series schaffen.

Er schrieb nicht: Hört auf mit dem Quatsch, es gibt keinen Fluch. Das ist reine Selbstsuggestion.

Er schrieb auch niemals: Ich bin Pazifist.

Und niemals: Seid Ihr sicher, dass Ihr Geld mit dem Krieg machen wollt?

Er schrieb: Danke für den Kaffee, wie geht es den Kindern, was macht Dads schlimmer Fuß? An Weihnachten muss ich arbeiten, leider.

Ernest konnte sehr diplomatisch sein.

Seine Ex-Frau nannte ihn feige, bevor sie ihn verließ.

»Wenn du meinst«, hatte er geantwortet.

»Ist das alles?«, fragte sie eisig.

»Jawohl«, sagte er.

Sie hatten keine sehr leidenschaftliche Beziehung gehabt.

»Mr Crosby hat eine schöne Stimme«, antwortete Ernest jetzt, diplomatisch. »Kaffee, Miss Rosie?«

Rosie nickte, dass die Locken tanzten.

Ernest wandte den Blick ab, denn immerhin war er Mitte vierzig und Rosie sicher erst kürzlich von der Schulbank gerutscht.

Er holte seine Thermoskanne aus dem Regal, angelte die zwei Becher von dem Bord mit den broschierten Kriminalromanen, goss Kaffee hinein und fügte Zucker hinzu. Viel Zucker.

Manche mögen’s süß, dachte Ernest, während er sorgfältig umrührte. Das wäre ein schöner Filmtitel. Als sie gleichzeitig nach dem Zucker griffen, trafen sich ihre Blicke. Das wäre ein guter Satz für ein Drehbuch. Wie viele Paare wohl bei Kaffee mit Zucker zusammenfanden? Darüber müsste mal jemand eine Geschichte schreiben. Eine...

Erscheint lt. Verlag 26.9.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 40er Jahre • Als Großmuter im Regen tanzte • Bestseller • Bonnie Garmus • Bücher zum Träumen • Buch zum Träumen • Eine Frage der Chemie • Ein ganzes Leben • Emanzipation • Familiengeheimnis • Frauenroman • Geschenkbuch • Geschenkbücher für Frauen • Lebensfreude • Liebe • Liebesroman • Nachkriegszeit • Neuanfang • New York • Reise in ein neues Leben • Robert Seethaler • Roman auf zwei Zeitebenen • Romane • Starke Frau • Stay away from Gretchen • Susanne Abel • Trude Teige • war bride • war brides
ISBN-10 3-492-60573-7 / 3492605737
ISBN-13 978-3-492-60573-1 / 9783492605731
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