Luna (eBook)
416 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491797-9 (ISBN)
Phillip P. Peterson arbeitete als Ingenieur an zukünftigen Trägerraketenkonzepten und im Management von Satellitenprogrammen. Neben wissenschaftlichen Veröffentlichungen schrieb er für einen Raumfahrtfachverlag. »Transport« war sein erster Roman, der zum Bestseller wurde. Mit »Paradox« gewann er 2015 den Kindle Storyteller-Award, bei FISCHER Tor erschien zuletzt »Janus«. Zu seinen literarischen Vorbildern gehören die Hard-SF-Autoren Stephen Baxter, Arthur C. Clarke und Larry Niven.
Phillip P. Peterson arbeitete als Ingenieur an zukünftigen Trägerraketenkonzepten und im Management von Satellitenprogrammen. Neben wissenschaftlichen Veröffentlichungen schrieb er für einen Raumfahrtfachverlag. »Transport« war sein erster Roman, der zum Bestseller wurde. Mit »Paradox« gewann er 2015 den Kindle Storyteller-Award, bei FISCHER Tor erschien zuletzt »Janus«. Zu seinen literarischen Vorbildern gehören die Hard-SF-Autoren Stephen Baxter, Arthur C. Clarke und Larry Niven.
1
Der Mond.
Riesengroß prangte er draußen vor dem großen Cockpitfenster. Zu groß, als dass er in seiner Gänze erkennbar gewesen wäre.
Bin ich wirklich hier?
Sie schloss die Augen und öffnete sie wieder.
Es wirkte gar nicht wie ein Raumflug, sondern eher, als würde sie mit einem Passagierflugzeug über eine Wüste fliegen.
Aber der Boden mit den schroffen Felsen, den dunkelgrauen Staubflächen und den zahllosen Kratern war blendend hell, während der Himmel über ihnen pechschwarz war.
Mit im Cockpit des Mondschiffes »Taurus« saßen Grant Torben, Elly Washington und natürlich Max Dekker, dem Luna diese unglaubliche Reise zu verdanken hatte.
Max war ein niederländischer Selfmade-Milliardär, der durch eine mit künstlicher Intelligenz arbeitende Statistik- und Datenauswertungssoftware innerhalb von kürzester Zeit unermesslich reich geworden war. Ein Branchengigant hatte die Software aufgekauft. Gerade mal 28 Jahre alt, groß gewachsen mit buschigen schwarzen Haaren und einem schelmisch wirkenden Lächeln, würde Max nun den Rest seines Lebens damit beschäftigt sein, das aufgetürmte Geld auszugeben. Allerdings konnte seine Leidenschaft für den Weltraum gut und gerne dafür sorgen, dass seine Reichtümer schneller dahinschmolzen, als viele Journalisten glauben wollten. Über hundert Millionen Dollar hatte er der Raumfahrtfirma FrontierTech bezahlt, damit sie ihn mit ihrer neuesten Entwicklung, dem Taurus-Schiff, zum Mond brachte. Damit das Ganze nicht zu egoistisch wirkte, hatte er Wissenschaftler eingeladen, im Nutzlastraum Experimente zu installieren und einen Platz in seiner Crew einer jungen Lehrerin angeboten, um die nachwachsende Generation für Technik und Naturwissenschaften zu begeistern.
Luna hatte sich beworben, um mit einer Mission zum Mond ihren Horizont zu erweitern, war aber nicht davon ausgegangen, ausgewählt zu werden. Zu ihrer Überraschung hatte dann ohne jede Ankündigung Max Dekker mit einem Blumenstrauß vor ihrer Tür gestanden. Ganz schnell war so viel Rummel um sie gemacht worden, dass sie gar keine Chance mehr gehabt hatte, die Teilnahme an der Expedition noch in Frage zu stellen oder gar abzulehnen.
Und so fand sie sich nach dem anhaltenden Protest ihrer Mutter, einem viel zu kurzen Training in Florida, einem nervenaufreibenden Start und einer dreitägigen Reise bei einer im Fenster immer kleiner werdenden Erde nun in einem niedrigen Mondorbit wieder.
In einer Stunde würde sie als erste Frau in der Geschichte der Menschheit in einem Raumanzug einen Fußabdruck auf dem staubigen Mondboden hinterlassen.
Luna Patel – ein Name für die Geschichtsbücher.
Sie schüttelte den Kopf und dachte an die vielen NASA-Astronauten, die jahrelang trainiert und ihr ganzes Leben darauf ausgerichtet hatten, irgendwann einmal in den Weltraum zu fliegen.
Und hier sitze ich und habe einen simplen Wettbewerb gewonnen!
Insgeheim fragte sie sich natürlich, ob es eher an ihrem überaus passenden Vornamen als an irgendwelchen persönlichen Leistungen gelegen hatte, doch diese Selbstzweifel verschwanden, als ihr bewusstwurde, dass sie gleich wahrhaftig auf dem Mond landen würde. Das Kribbeln ganz tief im Bauch wurde von Sekunde zu Sekunde stärker.
»Wir unterschreiten eine Flughöhe von fünfzig Kilometern über der Mondoberfläche«, sagte Grant Torben mit seiner gewohnt ruhigen Stimme. »Abstiegszündung in zehn Minuten.«
Der Pilot hatte früher für die NASA gearbeitet und war einmal zur internationalen Raumstation ISS geflogen, bevor er zu dem Raumfahrtkonzern FrontierTech gewechselt war. Vor zwei Jahren hatte er den Prototypen des Taurus-Raumschiffes auf seinem gewaltigen Booster zu einer kurzen Runde in den Erdorbit geflogen. Probleme mit den Triebwerken hatten laut seinen anekdotenhaften Erzählungen eine sofortige Rückkehr zur Erde nötig gemacht. Luna konnte nur hoffen, dass nun alle Kinderkrankheiten des Raumschiffes beseitigt waren. Aber sowohl Grant als auch seine Copilotin Elly wirkten entspannt und zuversichtlich.
Elly beugte sich über ihre Bildschirme. Während Grant das Schiff mit Blick aus dem Fenster und den Händen an den Kontrollen steuerte, war seine Kollegin für die Systeme und die Navigation verantwortlich. Nur selten hob sie für eine Sekunde den Kopf in Richtung Fenster. Im Gegensatz zu ihrem Boss hatte Elly keine NASA-Vergangenheit. Sie war Testpilotin bei Boeing gewesen, hatte sich dann bei FrontierTech als Astronautin beworben und in deren Simulatoren ihre Astronautenpilotenausbildung gemacht. Der Mondflug war gleichzeitig auch ihr erster Raumflug, das hatte sie mit Luna gemeinsam. Aber Elly war Expertin und Luna war trotz des wochenlangen Trainings nur Passagier.
»Taurus, Capcom«, sagte die Stimme von Jenn Marsden in Lunas Kopfhörern. »Von unserer Seite aus seht ihr gut aus für die Landung auf dem Mond. Alle Systeme grün. Ihr habt Freigabe für die Landung. Ich wiederhole: Ihr habt die Landefreigabe.«
Jenn war die Stimme des Kontrollzentrums. Wie bei der NASA üblich, redete nur der Capcom mit den Astronauten. Dennoch konnte Luna den Kontrollraum mit den Dutzenden Controllern vor ihrem geistigen Auge sehen, die von der Erde aus den Flug vor ihren Computern überwachten. Sie hatte viele der dort arbeitenden Menschen, meist Ingenieure und Techniker, kennengelernt. Vor allem der ruhige, ausgeglichene Michael Burbank hatte sie beeindruckt, der als Flight Director die Mission vom Boden aus leitete. Der Ingenieur hatte so kompetent gewirkt, als würde er schon seit Jahrzehnten Raumflüge überwachen. Dabei war der kleine, drahtige, immer ernste Mann gerade mal 32 Jahre alt.
»Verstanden, noch zwei Minuten bis zur Zündung«, antwortete Grant.
Luna blickte auf den Bildschirm vor ihrem Sitz. Weder beim Start von der Erde noch beim Reiseflug oder bei der Landung auf der Mondoberfläche hatte sie irgendeine Rolle zu spielen. Was den Flug anging, waren sie und Max als Passagiere ganz der Kompetenz von Grant, Elly und der Bodencrew ausgeliefert. Darum war sie dankbar für den kleinen Bildschirm, auf dem sie die wichtigsten Flugdaten im Blick hatte. Es gab ihr wenigstens die Illusion einer gewissen Kontrolle.
Flughöhe über Grund, Geschwindigkeit, Statusanzeigen der Triebwerke und eine Karte des Mondes, über die sich eine wellenförmige Linie zog. Das war ihr Kurs. Ein kleines, rotes Dreieck markierte ihre Position und ein schwarzer Kreis das anvisierte Landegebiet, das sich in einem weiten Tal inmitten des Taurus-Littrow-Gebirges befand. Dort war in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts Apollo 17 gelandet. Mit Gene Cernan und Harrison Schmidt hatten damals die letzten Menschen Spuren auf dem Mond hinterlassen. Es erschien Luna passend, dort nach fast sechzig Jahren die Erforschung des Mondes wieder aufzunehmen.
Die Taurus hatte sich auf ihrer elliptischen Umlaufbahn dem Mond nun bis auf zwanzig Kilometer angenähert. Krater rasten mit irrsinniger Geschwindigkeit vor den Fenstern vorbei. Wenn sie eine Höhe von zehn Kilometern erreichten, würden die Triebwerke entgegen der Flugbahn feuern und nach und nach das Schiff verlangsamen, bis es wenige Minuten später sanft im grauen Staub aufsetzen würde.
So weit die Theorie.
Luna holte tief Luft.
Hoffentlich klappte das auch in der Praxis.
Immerhin war vor drei Monaten ein unbemannter Testflug erfolgreich absolviert worden.
»Noch eine Minute bis zur Zündung der Abstiegstriebwerke«, meldete Grant.
»Systeme grün«, sagte Elly. »Ich aktiviere die Hydrauliksysteme und öffne die Vorventile. Flugbahn wird angepasst.«
Das Schiff drehte sich, bis es entgegen der Flugrichtung ausgerichtet war. Die Triebwerke zeigten nun nach vorne.
Luna spähte nach rechts auf die Computerbildschirme der Copilotin, die komplexe Schemata der Systeme im Bauch der Taurus zeigten. Sie wusste nur, dass alle zuverlässig arbeiten mussten, damit sie sicher auf dem Mond landen oder einen erfolgreichen Notstart zurück in den Mondorbit schaffen konnten.
Und dann mussten sie natürlich auch noch in der Nähe der Taurus-Mondstation landen, die FrontierTech vor zwei Monaten zum Erdtrabanten gebracht hatte. Das Raumschiff führte nicht genügend Energie und Verbrauchsstoffe mit, um sie auf dem Mond länger am Leben zu erhalten. Verfehlten sie die Station, würden sie nach einem kurzen Spaziergang auf der Oberfläche wieder starten müssen, statt – wie geplant – eine Woche auf dem Mond zu bleiben.
Luna konnte nicht anders als zu schmunzeln.
Es wäre der teuerste Spaziergang in der Geschichte der Menschheit.
»T minus dreißig Sekunden.« Grants Stimme drückte nicht die geringste Spur von Anspannung aus.
Dieser Mann musste Eis in seinen Adern haben.
Luna blickte zu Max. Das Gesicht des Milliardärs war durch das Glasvisier seines Raumhelms nur undeutlich zu erkennen. Aber er presste die Lippen aufeinander, so dass sie nur noch schmale Striche waren.
Machte er sich Sorgen um sein Leben oder um seine milliardenschwere Investition in dieses Unternehmen?
»Flughöhe zehn Kilometer über der Mondoberfläche«, sagte Elly. »Zündung in zwölf, elf, zehn, neun …«
Luna atmete tief ein. Sie wusste, dass die kommenden fünf Minuten von der Zündung der Abstiegstriebwerke bis zur Landung auf dem Mond die kritischsten des ganzen Fluges waren. Gefährlicher als der Start mit der monströsen Boosterrakete von der Erde. Gefährlicher als der noch bevorstehende Rückstart vom Mond.
»Zwei, eins,...
Erscheint lt. Verlag | 1.9.2024 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Astronomie • Deutsche Science Fiction • Hard Science Fiction • Harte Science Fiction • Mondlandung • Near Future SF • Neue Science Fiction 2024 • Raumschiff • Science Fiction • science fiction bestseller • Science Fiction Novität 2024 • Sci-Fi Roman • Sci-Fi-Thriller • SF-Roman • spannende Science Fiction |
ISBN-10 | 3-10-491797-3 / 3104917973 |
ISBN-13 | 978-3-10-491797-9 / 9783104917979 |
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