Die Berghebamme – Hoffnung der Frauen (eBook)
400 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3624-1 (ISBN)
Die Hebamme einer neuen Zeit.
Oberbayern, 1893: Maria kehrt auf Bitten ihres Jugendfreundes Max in ihr Heimatdorf zurück, um die Nachfolge der Berghebamme Alma anzutreten. Doch hier ist Maria als »Bankert« geächtet, und Alma weigert sich standhaft, für die junge, moderne Hebamme das Feld zu räumen. Gleichzeitig muss Maria nicht nur gegen das Kindbettfieber ankämpfen, das immer mehr Frauen das Leben kostet, sondern auch gegen ihre aufflammenden Gefühle für Max. Denn der ist verheiratet, und bei der Schwangerschaft seiner Frau kommt es immer wieder zu Komplikationen ...
Eine berührende Geschichte über Tradition, Mut und über den Zusammenhalt der Frauen.
Hinter LINDA WINTERBERG verbirgt sich Nicole Steyer, eine erfolgreiche Autorin historischer Romane. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern im Taunus. Im Aufbau Taschenbuch und bei Rütten & Loening liegen von ihr zahlreiche Romane vor, darunter die Berliner Hebammen-Saga mit den Titeln »Jahre der Veränderung«, »Aufbruch in ein neues Leben«, »Schicksalhafte Zeiten« und »Ein neuer Anfang«. Nach dem großen Erfolg dieser Reihe widmet sich die Autorin nun ihrem Herzensprojekt: eine Hebammengeschichte aus ihrer eigenen Heimat zu erzählen.
2. Kapitel
12. März 1893
So ist es gut«, lobte Maria die junge, auf dem Gebärstuhl liegende Frau, die gerade fest presste und dabei lautstark wimmerte. »Nur noch ein klein wenig, dann ist es geschafft. Ich kann das Köpfchen bereits sehen.«
Neben Maria stand die diensthabende Nachthebamme, eine hagere Frau mit rotem Lockenkopf, die nach Zigaretten roch, weil sie gern und häufig am Hinterausgang der Gebäranstalt gemeinsam mit den Krankenschwestern ihr Kippchen rauchte. Fleiß zählte nicht zu den Tugenden von Margarethe Kleinschmidt. Sie überließ die Arbeit gern anderen, und vor Nachtschichten drückte sie sich die meiste Zeit erfolgreich. Dieses Mal hatte es jedoch nicht funktioniert, denn es waren unter den Hebammen aufgrund eines umgehenden Magen-Darm-Infekts ungewöhnlich viele Ausfälle zu verzeichnen, und jede gesunde Hand wurde gebraucht.
Maria war jetzt seit fünfzehn Stunden auf den Beinen, und ein Ende war noch immer nicht in Sicht, denn ausgerechnet heute hatten viele Säuglinge beschlossen, das Licht der Welt erblicken zu wollen. So auch das Kleine einer ihrer am besten zahlenden Patientinnen: Clara Meisinger, Tochter eines einflussreichen Stadtrats, der es sich ordentlich was kosten ließ, dass seine Tochter so anonym wie möglich in der Anstalt ihr Kind zur Welt brachte. Nur wenige Hebammen hatten mit ihr Kontakt, Maria war eine von ihnen. Clara war achtzehn Jahre alt und mit dem Sohn des Innenministers verlobt. Im nächsten Frühjahr sollten die Hochzeitsglocken läuten. Für die Welt außerhalb der roten Backsteinmauern der Gebäranstalt befand sich Clara in England bei ihrer Tante, angeblich um ihren Horizont zu erweitern.
Die Wehe ebbte ab, und Claras Kopf sank nach hinten. Schweiß rann ihr die Schläfen hinunter, das kastanienbraune Haar klebte an ihrer Stirn.
»Ich kann nicht mehr«, weinte sie. »Dann soll es eben drinbleiben. Es tut so schrecklich weh.«
Die Geburt zog sich nun bereits seit über zwölf Stunden, was Claras Erschöpfung erklärte. Diese Zeitspanne war bei einer Erstgebärenden jedoch nichts Ungewöhnliches.
»Es kann nicht drinbleiben, Liebes«, antwortete Maria. »Aber es ist gleich geschafft, das verspreche ich dir. Nur noch wenige Male pressen, dann ist das Kleine auf der Welt. Du machst das großartig. Wir schaffen das gemeinsam.«
»Es geht wieder los«, vermeldete Clara und ging nicht auf Marias tröstende Worte ein. Sie presste erneut kräftig, und das Köpfchen trat aus. Der Körper des Kindes rutschte gleich hinterher.
»Nun ging es doch schneller als gedacht«, freute sich Maria und blickte kurz zu Margarethe, die ihr lächelnd zunickte. »Gut gemacht.«
Auch wenn es von der faulen Margarethe kam, freute sich Maria über das Lob. Das Kind zwischen den Beinen der jungen Frau regte sich bereits und greinte leise, somit mussten sie ihm nicht auf den Po schlagen. Die Lungen funktionierten.
»Es ist ein Mädchen«, teilte Maria Clara mit. »Und es ist wunderschön.« Sie durchtrennte mit geübtem Griff die Nabelschnur und wickelte die Kleine in ein sauberes Tuch.
»Möchtest du sie halten?«, fragte sie Clara. Viele der jungen Frauen wollten es nicht, denn für sie war das Neugeborene eine Last, die sie endlich abgelegt hatten. Manch eine bereute es später jedoch, ihrem Kind nicht in die Augen geblickt zu haben, und weinte deshalb bittere Tränen. Clara entschied sich nach kurzem Zögern dafür, ihre Tochter sehen zu wollen, und Maria legte sie ihr in den Arm. Mit leuchtenden Augen betrachtete die junge Mutter das kleine Mädchen mit dem blonden Flaum auf dem Kopf, das so wunderbar friedlich aussah. Eine wenig zerknautscht noch, etwas Käseschmiere klebte an seiner Stirn, aber ansonsten war es perfekt. Zärtlich berührte Clara die kleinen Fingerchen ihrer Tochter und sagte: »Sie hat sogar schon Fingernägel.«
»Selbstverständlich hat sie die«, antwortete Maria lächelnd. »Und fünf Finger an jeder Hand, auch die Zehen hab ich gezählt. Es ist alles so, wie es sein soll. Sie ist perfekt, und ich finde, sie sieht dir ähnlich.«
»Ich weiß nicht recht«, zweifelte Clara. »Die Nase hat sie eher von ihrem Vater, meine ist kleiner und nicht so spitz. Ach, wenn er sie doch nur sehen könnte. Er würde sie so sehr lieben.« Sie stieß einen Seufzer aus.
Ihre wenigen Worte sagten so vieles aus. Sie erzählten von einer Liebe, die nicht sein durfte, von Drama und Schmerz. In welcher sozialen Schicht sie auch immer lebten, überall hatten die Frauen ihr Päckchen zu tragen. Dessen war sich Maria während ihrer Zeit an der Gebäranstalt erst so richtig bewusst geworden. Der Abschied von ihrer Tochter würde Clara das Herz brechen, und vermutlich würde es niemals wieder vollständig heilen. Sie dachte an ihre eigene Mutter und stellte sich mal wieder die Fragen, die sie sich schon so oft im Leben gestellt hatte: War sie noch irgendwo dort draußen? Dachte sie manchmal noch an sie? An das kleine Mädchen, das sie in einer eisigen Winternacht vor die Pforte einer Kirche gelegt und zurückgelassen hatte. Hatte ihre Mutter um ihr Kind bittere Tränen geweint?
»Ich finde, sie sieht wie eine Agnes aus. Was meinst du?«, fragte Clara und riss Maria aus ihren Gedanken.
»Ein hübscher Name«, konstatierte sie und betrachtete das kleine Gesicht näher. »Ja, ich finde, er passt großartig zu ihr. Dann schreiben wir ihn erst einmal in ihre Karte.«
Eine der neueren Hebammenschülerinnen betrat nun mit einer weiteren Patientin den Kreißsaal, die sich vor Schmerzen krümmte.
»Ach, das Kind ist schon auf der Welt«, meinte die junge Frau erleichtert. »Das ist gut, denn hier geht es anscheinend recht flott voran. Die Fruchtblase ist erst vor zehn Minuten geplatzt, und jetzt hat sie ohne Unterlass Wehen.«
Maria sah sich nach Margarethe um, doch diese war wieder einmal verschwunden. Sie stieß einen Seufzer aus und murmelte leise: »Verdammtes Weib. Soll sie an ihrer dämlichen Zigarette ersticken.«
Sie wies die Hebammenschülerin an, die Frau zum Nachbarbett zu bringen, und bat sie, Margarethe vom Hinterhof zu holen.
Just in diesem Moment betrat eine Krankenschwester den Raum, und sie brachte eine weitere Schwangere, die ebenfalls lauthals stöhnte.
»Kundschaft«, sagte sie. »Der Muttermund ist schon acht Zentimeter eröffnet. Das könnte jetzt flott gehen.« Maria stieß einen erneuten Seufzer aus und antwortete: »Dann mal los. Bett drei ist noch zu haben.«
Als es einige Stunden später hell wurde, war es geschafft. Zwei weitere Kinder hatten das Licht der Welt erblickt, ein Junge und ein Mädchen, beide waren gesund und munter. Maria hatte eben im Speisesaal gefrühstückt, nun lief sie einen der langen Flure entlang. Trotz des starken Kaffees, den sie getrunken hatte, fühlte sie sich noch immer erschöpft. Die Oberhebamme hatte ihre großartige Arbeit der Nacht gelobt und sie ins Bett geschickt. Die Vorlesung dürfte sie heute ausnahmsweise schwänzen. Maria erreichte das Treppenhaus. Dort begegnete sie zu ihrer Verwunderung Clara Meisinger. Sie trug ihren dunkelblauen Morgenmantel aus Seide, ihr Haar war ordentlich gebürstet und zu einem Zopf geflochten.
»Clara, was tust du denn hier?«, fragte sie verdutzt. »Du gehörst ins Bett und musst dich ausruhen. Auf dem Flur hast du nichts zu suchen.«
»Ich will aber zu meiner kleinen Agnes«, antwortete Clara. »Ich vermisse sie so sehr und will sie noch ein Weilchen halten. Wenn ich schlafe, geht das nicht, und schon bald werden sie sie mir wegnehmen. Mama hat doch alles bereits arrangiert. Es wird jemand kommen und sie holen, sie haben eine Familie für sie ausgesucht, fremde Menschen, die ich nicht einmal kenne. Ich darf sie niemals wiedersehen. Ich weiß nicht, ob ich das ertragen kann. Sie ist doch meine Tochter, ein Teil von mir.« In ihren Augen schwammen jetzt Tränen, und in Maria regte sich Mitleid.
»Also gut«, sagte sie und verabschiedete sich gedanklich fürs Erste von ihrem wohlverdienten Nickerchen. »Ich bringe dich zur Säuglingsstation. Sie ist im dritten Stock. Aber wir bleiben nicht lange, denn du musst dich ausruhen. So eine Geburt ist eine große Anstrengung für den Körper, wir wollen doch nicht, dass du krank wirst.«
Als die beiden in der Säuglingsstation...
Erscheint lt. Verlag | 17.9.2024 |
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Reihe/Serie | Kinder-der-Berge-Saga |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Alpen • Anne Stern • Baby • Bayern • Bestseller • Das Geheimnis der Hebamme • Frauen • Frauenroman • Geburt • Hebammen • Hebammensaga • Heimatroman • Kinder • Liebesroman • neuerscheinung 2024 • Nicole Steyer • Sabine Ebert • Saga • Säugling • spiegel bestseller • Starke Frauen • Wochenbett |
ISBN-10 | 3-8412-3624-3 / 3841236243 |
ISBN-13 | 978-3-8412-3624-1 / 9783841236241 |
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