Man spricht über Jacqueline (eBook)

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2024 | 1. Auflage
224 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-02164-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Man spricht über Jacqueline -  Katrin Holland
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Kann und darf man sich für die Liebe verbiegen? Ein Lesevergnügen mit farbigem Zeitkolorit der Goldenen 20er-Jahre und die Wiederentdeckung einer schillernden Autorin! Ihre Freunde nennen sie Jack. Die Männer, mit denen sie amouröse Abenteuer hat, auch. Sie ist bezaubernd, sie ist flatterhaft, und die Herzen, die sie schon gebrochen hat, kann sie kaum zählen. Jacqueline Mamroth ist schlichtweg für ein freies Leben gemacht - bis sie Michael Thomas trifft. Er ist der erste Mann, in den sie sich ernsthaft verliebt. Er ist jedoch altmodisch, hat strenge Moralvorstellungen und mag die Frauen nur, wenn sie das genaue Gegenteil von Jack sind: unschuldig und sittsam. Da sie in Paris, London, Berlin einen gewissen Ruf hat, würde Michael sich nie in sie verlieben, wenn sie ihm offenbaren würde, wer sie ist. Jack überredet ihre schüchterne jüngere Schwester June, die Rolle von Jack anzunehmen, und gibt sich Michael gegenüber als June aus. Fortan ist sie sittsam. Sie kommen zusammen. Aber wer ist Jack nun? Und was geschieht, als die Schwester und Michael zusammentreffen? Diese in vielen Genres produktive und erfolgreiche Autorin ist eine großartige Wiederentdeckung: Dieser Roman ist seit 1930 erstmals neu aufgelegt.

Katrin Holland, geboren 1910 oder 1914 (je nach Quelle) als Heidi Huberta Freybe in Rostock, war eine deutschamerikanische Autorin. 1930 erschien die Erstausgabe von «Man spricht über Jacqueline» unter dem Pseudonym Katrin Holland beim Ullstein Verlag. 1937 emigrierte Freybe, mit einem Umweg über Italien, nach Amerika und verfasste dort unter dem Namen Martha Albrand etliche Spionage- und Mysteryromane, die auch auf Deutsch erschienen. Sie wurde mit dem Grand prix de littérature policière für ihren Roman «After Midnight» ausgezeichnet und stiftete für den P.E.N. den Martha Albrand Award. Sie starb 1981 in New York.   

Katrin Holland, geboren 1910 oder 1914 (je nach Quelle) als Heidi Huberta Freybe in Rostock, war eine deutschamerikanische Autorin. 1930 erschien die Erstausgabe von «Man spricht über Jacqueline» unter dem Pseudonym Katrin Holland beim Ullstein Verlag. 1937 emigrierte Freybe, mit einem Umweg über Italien, nach Amerika und verfasste dort unter dem Namen Martha Albrand etliche Spionage- und Mysteryromane, die auch auf Deutsch erschienen. Sie wurde mit dem Grand prix de littérature policière für ihren Roman «After Midnight» ausgezeichnet und stiftete für den P.E.N. den Martha Albrand Award. Sie starb 1981 in New York.    Magda Birkmann liebt es, ihre Begeisterung für Literatur zu teilen, erst als Buchhändlerin in der Berliner Buchhandlung Ocelot, nun als Zuständige für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Berliner Literaturhauses Lettrétage und als freiberufliche Literaturvermittlerin. Magda Birkmann war Mitglied der Jury für den Deutschen Buchpreis 2024. Nicole Seifert ist gelernte Verlagsbuchhändlerin und promovierte Literaturwissenschaftlerin. Sie lebt in Hamburg und arbeitet frei als Autorin, Übersetzerin und Literaturkritikerin. 2021 erschien bei Kiepenheuer & Witsch ihr Buch FRAUEN LITERATUR. Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt, 2024 folgte "Einige Herren sagten etwas dazu". Die Autorinnen der Gruppe 47. Magda Birkmann liebt es, ihre Begeisterung für Literatur zu teilen, erst als Buchhändlerin in der Berliner Buchhandlung Ocelot, nun als Zuständige für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Berliner Literaturhauses Lettrétage und als freiberufliche Literaturvermittlerin. Magda Birkmann war Mitglied der Jury für den Deutschen Buchpreis 2024.

4


Es stürmte und regnete in Calais, und es hieß, der Kanal sei zu unruhig und die Überfahrt müsse verschoben werden.

Jack saß hinter der Sperre auf ihrem Koffer und ärgerte sich über den Wind und den Regen, der sie vielleicht verspätet zur Jagd kommen ließ.

Aber dann fuhr man doch.

Das Schiff schaukelte und schaukelte. Über der Reling hingen die Menschen wie grüne und gelbe Mehlsäcke und verfluchten die großen Wellen, indem sie sie anspuckten.

Zum ersten Mal in ihrem Leben verspürte auch Jack ein komisches Gefühl in ihrer Magengegend. Sie erschrak. «Nur schnell etwas essen», dachte sie, «sonst –.»

Sie stieg die Treppe zum Speisesaal hinauf und fand einen freien Tisch an einem Bullauge. Sie setzte sich und bestellte Kaffee und heiße Würstchen. Jack hatte eine Vorliebe für heiße Würstchen. Sie bestellte sie immer, sobald sie allein war, denn ihre Bekannten lachten sie aus und neckten sie mit ihrem ordinären Geschmack. Und Jack gehörte zu den Frauen, die es nicht vertragen können, ausgelacht zu werden, obwohl sie selber herzlich gern andere Leute auslachte. Aber sehr viele, sehr empfindliche Menschen verstehen es gar nicht, auf die Empfindlichkeiten anderer Leute Rücksicht zu nehmen. Vielleicht, weil sie zu viel mit ihren eigenen zu tun haben.

Der Kaffee kam und war wie alle Kaffees, die man in England auf seinen Reisen bekommt, abscheulich. Außerdem verstärkte er nur noch das ekelhafte schwindelige Gefühl im Magen. Jack hielt krampfhaft die Luft an, als sie auf einmal drei Tische weiter den Mann entdeckte, den sie so lange im Zug gesucht hatte.

Aber in demselben Augenblick, als sie ihn sah, streikte ihr Magen. Und Jack wusste, dass es nur noch eine Frage von Minuten sein konnte, bevor auch sie auf eine höchst peinliche Art die Wellen des aufgepeitschten Kanals verfluchen musste.

Das hier vor allen Leuten, womöglich vor seinen Augen. – – –

Sie sprang hastig auf, warf fünf Schilling auf den Tisch, rannte hinaus, fiel fast die Treppe hinunter und lief in die Toilette. Während der ganzen Stunde, die die Fahrt von Calais nach Dover dauerte, hockte sie in der kleinen weißen Toilette und kämpfte einen verzweifelten Kampf gegen die Seekrankheit.

Sie achtete nicht im Geringsten auf die Leute, die an der verschlossenen Tür rüttelten und schüttelten und schimpften.

Sie tat das Dümmste, was sie in ihrer Lage nur tun konnte, aber sie hatte eben keine Erfahrung darin, wie man sich benehmen musste, wenn einen die Seekrankheit überfiel, sie öffnete das Bullauge und starrte hinaus auf das wild bewegte Wasser.

Während sie sich tapfer bemühte, dem Schlingern des Schiffes standzuhalten, dachte sie immer wieder: «Er ist hier – in Dover wird er nicht bleiben, mein Gott, er ist hier. Verdammtes Wetter! Wenn doch die Sonne schiene, dann – o pfui Teufel!»

Und sie hielt sich den Kopf mit beiden Händen.

*

In Dover lag der Nebel so tief über den Kreideklippen, dass sie wie dicke böse Wolken aussahen. Aber Jack hatte scharfe Augen und lange Beine, und sie schlenderte über das Fallreep hinab, an der Zollrevision vorbei, durch die Sperre dem großen, dunklen Manne nach, der sie nicht beachtete.

Vor dem Bahnhof hielt ein schwarz lackiertes Kabriolett.

Jetzt war Jack dem lieben Gott plötzlich für sein schlechtes Wetter dankbar. Ohne gesehen zu werden, konnte sie ihn wie ein kleiner Taschendieb verfolgen. Sie hörte, wie der Chauffeur ihn begrüßte «Guten Tag, Sir.»

«Guten Tag, Forster», antwortete der Mann mit einer Stimme, die, warm getönt, gut mit seinem dunklen Typus harmonierte.

Dann steckte etwas sehr Reizendes den Kopf aus dem Inneren des Autos und schrie: «Hallo, hallo, Michael Thomas.»

Jack sah, wie das Reizende aus dem Wagen sprang und Michael Thomas stürmisch begrüßte.

Obgleich Jack alles sehr interessierte, vergaß sie über eine plötzlich erwachte Eifersucht nicht, erst einmal die Nummer des Wagens festzustellen und noch etwas anderes zu bemerken, was noch wichtiger war als das «Reizende», es war ein Londoner Auto. Jack verschwand, ein kleines Gespenst, das seine Neugier gestillt hatte, im Nebel und eilte auf den Bahnhof zurück.

Es war einfach das, was man ihr «Glück» nannte, dass der Zug für London noch dastand, als warte er auf sie. Der Gepäckträger, der einzige Gepäckträger hier, stieß sie hinein.

Der Zug war ziemlich leer. Sie fand ein vollkommen unbenutztes Abteil und setzte sich etwas erschöpft in die Fensterecke.

Sie lehnte den blonden Kopf an das weiße Strickdeckchen über der roten Plüschgarnitur.

Michael Thomas!

Was für ein netter Name!

Es klang in jeder Sprache gut. Michael, so hießen die russischen Flüchtlinge oder die Dichter in England, die Bauern in Deutschland.

Michael.

Aber das «Reizende» störte sie ein bisschen. Was mochte es sein?

Freundin, Schwester, Frau?

Schade, sehr schade.

Jack war sehr fair gegen ihr eigenes Geschlecht. Vielleicht war dies der einzige männliche Zug ihres Charakters.

Sie hätte nie einer Frau wehgetan, wenn es nur irgend zu umgehen war. Sie wusste zu genau, dass Frauen, selbst die schönsten und raffiniertesten Frauen, sehr armselige kleine Geschöpfe waren.

Sie selber freilich war noch nie in dieser vermaledeiten Situation gewesen, wo einem das Gehirn in den Magen rutscht und das Herz in den Kopf, aber sie hatte genug Gelegenheit gehabt, diese Zustände bei anderen Leuten zu beobachten, und sie vermied es, Frauen in derartige Situationen zu bringen.

Jacks Schamgefühl war trotz ihrer ganzen leichtsinnigen Art besonders stark ausgeprägt. Und sie fand Frauen ohne Stolz fast noch schlimmer als Männer. Männern verzieh man es leichter, weil es eigentlich etwas sehr Schönes und Ersehntes war, einen starken, stolzen Mann den Kopf verlieren zu sehen. Überdies konnte man jemandem nichts übel nehmen, wozu man selbst der Anlass war.

Jack seufzte ein bisschen.

Sie nahm den Hut ab, kämmte das Haar und betrachtete sich eingehend in dem großen Spiegel ihrer Handtasche.

Alle kleinen Frauen bevorzugen große Handtaschen, und Jack war eine kleine Frau, die leidenschaftlich große Hüte, riesige Koffer und schwere Blumen liebte. Männer sind manchmal noch so dumm, sich darüber zu wundern, anstatt von vornherein zu wissen, dass auch Frauen Instinkt für reizvollen Kontrast besitzen.

Manchmal aber spielte Jack auch einen Buben, in Baskenmütze und Schlips und mit einer Marguerite im Knopfloch ihrer bunten Westen.

Doch niemand erriet, dass sie diesen kleinen Jungen, der mutig, leichtsinnig und ein bisschen roh das Leben nahm, wie es ihm passte, nur spielte.

Sie fand sich blass und elend aussehend, aber sie gehörte nicht zu der Sorte Menschen, die sich nach einer solchen Konstatierung sofort interessant, wichtig oder bemitleidenswert vorkommen.

Sie massierte ein wenig die Schläfen, dann trat sie hinaus in den Gang und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür ihres Abteils.

Die Schnelligkeit des Zuges benahm ihr fast den Atem. Sie hatte ganz vergessen, dass sie in einem englischen Zug saß, der wie verrückt durch die Landschaft tobte, als wollte er Felder, Ortschaften, Bäume und Seen ob ihrer Stille und Stetigkeit verhöhnen.

So albern war das Tempo einer englischen Bahn.

Es nahm einem alle Luft weg, verursachte abscheuliche Kopfschmerzen, nur weil es dem Zug Spaß machte, dass kein Auto mit ihm ein Wettrennen wagte. Dann kam der Kellner, klappte ein langes schmales Brett im Kupee auf und servierte ein schreckliches Dinner mit der geschulten Geste eines Jongleurs. Noch einige Leute fanden sich ein. Eine alte würdige Dame mit typischen großen Pferdezähnen, die verächtlich und neidisch Jack beobachtete, die einen Kognak nach dem anderen trank. Den Platz ihr gegenüber nahm ein kleiner dicker Mann ein, der sich verstohlen in der Nase bohrte.

Im Ganzen keine angenehme Gesellschaft, wenn man verliebt ist wie ein Spatz, gern von etwas Nettem träumen möchte und immer wieder, durch andere Leute vor den Kopf gestoßen, in den Alltag der Gedanken zurückfällt.

Endlich London.

Tumult. Autotaxen.

In dem leichten Nebel hingen die elektrischen bunten Reklamen in der Luft wie verrutschte Sterne. Chelsea, Lawrence Street, Dukes House, in dem die Mutter damals gestorben war und das Jack nun geerbt hatte. Hannah, im schwarzen Alpakakleid und mit weißem Häubchen, stand an der offenen Tür und begrüßte sie freudig. Sogar Adrettchen, eine kleine französische Bulldogge, sprang von ihrem weichen seidenen Kissen herab, um Jack zu beschnuppern.

«Bad fertig, Miss», sagte Hannah, die sich von ihrer Herrin die knappe Sprechweise angewöhnt hatte, und schüttelte Jack kameradschaftlich die Hand.

«Noch Sandwiches?»

«Nur Tee, Hannah.»

Großes, zartgrün gestrichenes Schlafzimmer, das an eine Wiese im Frühling erinnerte. Telefongebimmel. Queens Hall.

«Hallo, Jackie?!»

«Hallo, Leslie!»

«Wie geht es dir?»

«Okay, Leslie. Wann beginnt die Jagd?»

«Sechs Uhr, Jack. Pünktlich sein, hörst du.»

«Jawohl.»

Schluss. Der Apparat brummte noch einmal unwillig über den heftig aufgeworfenen Hörer, dann war alles still.

«Gute Nacht, Hannah. Halb fünf bitte wecken.»

«Ja. Gute Nacht, Miss Jack.»

«Hannah – das Auto in Ordnung?»

«Ja. Pete sah es heute nach.»

«Gut. Kusch, Adrettchen.»

Hannah schloss mit einem liebevollen Augenblinzeln die Tapetentür.

Jack sprang noch einmal...

Erscheint lt. Verlag 12.11.2024
Reihe/Serie rororo Entdeckungen
Nachwort Magda Birkmann
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte bücher literatur • Die goldenen Zwanziger • Frauen in der Literatur • Frauenlesestoff • Frauenliteratur • Frauenromane • Historischer Roman • Liebesroman • Liebe und Beziehungen • Mädchen mit Prokura • Roman zum Eintauchen • rororo Entdeckungen • schöner Roman für Frauen • Schwesterngeschichte • Schwesternroman • Starke Frau • was darf eine Frau? • wiederentdeckte Frauen • Wiederentdeckte Literatur • Zwanziger Jahre
ISBN-10 3-644-02164-3 / 3644021643
ISBN-13 978-3-644-02164-8 / 9783644021648
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