Nordlicht - Das kalte Grab (eBook)
432 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-29678-0 (ISBN)
Ein eiskalter Doppelmord erschüttert die Bewohner der dänischen Insel Als: In einem abgelegenen Haus werden die Leichen des deutschen Immobilieninvestors Konrad Dahlmann und seiner Frau aufgefunden. Blutüberströmt und an einen Heizkörper gefesselt. Ein schiefgegangener Raubüberfall oder steckt ein persönliches Motiv dahinter? Als eine weitere Leiche auftaucht, nimmt der Fall eine unerwartete Wendung und führt Vibeke Boisen und Rasmus Nyborg von der Sondereinheit GZ Padborg weit in die Vergangenheit in den Eiswinter 1978/79 ...
Zwei Ermittler so unterschiedlich wie Ebbe und Flut: Boisen & Nyborg ermitteln in grenzübergreifenden Fällen in Deutschland und Dänemark.
Alle Bände der SPIEGEL-Bestsellerreihe sind eigenständige Fälle und können unabhängig voneinander gelesen werden.
Anette Hinrichs ist als geborene Hamburgerin ein echtes Nordlicht. Ihre Leidenschaft für Krimis wurde im Teenageralter durch Agatha Christie entfacht und weckte in ihr den Wunsch, eines Tages selbst zu schreiben. Heute lebt sie als freie Autorin mit ihrer Familie im Raum München. Ihre Sehnsucht nach ihrer alten Heimat lebt sie in ihren Küstenkrimis und zahlreichen Recherchereisen in den hohen Norden aus. Mit »NORDLICHT«, ihrer Krimireihe um das deutsch-dänische Ermittlerteam Vibeke Boisen und Rasmus Nyborg, begeistert Anette Hinrichs ihre Leserinnen und Leser und erobert regelmäßig die Bestsellerliste.
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 46/2024) — Platz 18
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 45/2024) — Platz 14
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- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 42/2024) — Platz 1
3. Kapitel
Aarhus, Dänemark
Der Wecker schrillte um sechs Uhr dreißig. Bjarne Andresen tastete nach seinem Smartphone auf dem Nachttisch, bekam es schließlich zu fassen, doch es rutschte ihm aus der Hand und landete mit einem lauten Knall auf dem Dielenboden.
Neben ihm murmelte Johanne etwas im Halbschlaf. Sie hatte gestern am späten Abend noch einen Anruf bekommen. Ein Gemeindemitglied war plötzlich verstorben, ein Autounfall mit Todesfolge, und man hatte sie zu den Hinterbliebenen gerufen. Erst gegen drei Uhr morgens war sie schließlich zu ihm unter die Bettdecke geschlüpft.
Jetzt richtete sie sich halb auf, rieb sich schlaftrunken die Augen und machte Anstalten aufzustehen. Ihre blonden Locken standen in sämtliche Himmelsrichtungen ab.
»Bleib liegen, Schatz«, sagte Bjarne, während er mit einer Hand nach seinem Smartphone angelte und es schließlich fest mit den Fingern umschloss. »Ich kümmere mich heute früh um die Kinder.« Da er und Johanne wieder arbeiten mussten, verbrachten die Jungs den letzten Ferientag bei seinen Schwiegereltern. Er musste sie nur hinbringen.
»Echt?«, murmelte sie schlaftrunken. »Du musst doch auch zur Arbeit.«
»Nur weil ich ausnahmsweise eine halbe Stunde später komme, bricht nicht gleich die Abteilung zusammen«, erklärte er mit einem Schmunzeln. »Leg dich wieder hin.«
Johanne sank zurück in die Kissen und schien bereits im nächsten Moment wieder einzuschlafen.
Bjarne schob die Bettdecke beiseite und verließ leise das Schlafzimmer. Nach dem Toilettengang sprang er kurz unter die Dusche, erledigte anschließend seine Morgenroutine und nahm noch seine Tabletten, ehe er die Zwillinge weckte. Magnus und Bjørn waren sieben, zwei Wildfänge, die seine Nerven mit ihren ständigen Streitereien häufig strapazierten und zugleich das größte Glück seines Lebens waren. Zusammen mit Johanne. Hätte ihm jemand vor zehn Jahren gesagt, dass er mit Anfang fünfzig tatsächlich heiraten und Vater werden würde, hätte er die Person für verrückt erklärt. Noch immer haderte er damit, ob er dieses Glück tatsächlich verdiente.
Die blauen Vorhänge im Kinderzimmer waren zugezogen. Durch einen schmalen Spalt blinzelte das Licht der Straßenlaternen und malte geisterhafte Schatten an die Wand. Auf dem Boden herrschte heilloses Chaos. Kreuz und quer verteilten sich Legosteine und Superheldenfiguren zwischen Metallrennautos und Transformers.
»Hej, Jungs«, weckte er die Zwillinge mit sanfter Stimme.
»Papa?«, Magnus blinzelte. »Wo ist Mama?«
»Die Mama lassen wir heute mal ausschlafen. Sie hat die halbe Nacht gearbeitet.«
Bjørn, dessen Bett auf der gegenüberliegenden Wandseite stand und der bislang nur ein unwilliges Brummen von sich gegeben hatte, setzte sich auf. »Ist jemand tot?« Er klang schlagartig hellwach.
»Ja, leider.« Bjarne nickte bedächtig. »Es gab gestern einen Autounfall, bei dem jemand gestorben ist. Aber für euch geht es heute trotzdem zu Oma und Opa.« Er bemühte sich um einen strengeren Tonfall. »Also ab ins Bad, putzt euch die Zähne und zieht euch an. Ich machte in der Zwischenzeit Frühstück.«
»Ich möchte ein Brot mit Schokolade«, krähte Magnus.
»Ich auch«, stimmte sein Bruder mit ein.
»Wollt ihr etwa, dass ich Ärger mit eurer Mutter bekomme?« Bjarne schüttelte energisch den Kopf. »Und jetzt raus mit euch aus den Federn.«
Beim Verlassen des Kinderzimmers trat er auf einen Legostein und verzog schmerzerfüllt das Gesicht.
In der Küche stellte er als Erstes das Radio ein, und »555« von Gilli zusammen mit Kesi ertönte, ein Rapsong, der schon seit Wochen rauf und runter gespielt wurde.
Er öffnete einen der oberen Schränke, langte nach den Müslischüsseln, überlegte es sich dann anders und holte stattdessen zwei Teller heraus. Anschließend schnitt er zwei dicke Scheiben von dem Vollkornbrot herunter, das Johanne am Vortag gebacken hatte, bestrich sie dick mit Butter und belegte sie anschließend mit den dünnen Schokoladentäfelchen im Waffelmuster, die es sonst nur an den Wochenenden gab. Ihm war bewusst, dass er die Zwillinge zu sehr verwöhnte und ihm Johanne vermutlich später eine Standpauke halten würde, doch er konnte nicht aus seiner Haut. Er wollte einfach, dass seine Jungs glücklich waren. Und Schokolade machte sie definitiv glücklich.
Er öffnete den Kühlschrank, holte die Milch heraus und füllte zwei Gläser. Im Radio beendeten gerade Gilli und Kesi ihren Song, und der Nachrichtensprecher verkündete, dass am Abend der traditionelle Neujahrsempfang der Königin bei Hofe stattfand, ein letztes Mal unter ihrer Regentschaft, ehe er auf die neuen Regierungsvorschläge für den Pflegesektor zu sprechen kam. Schließlich senkte er seine Stimme und berichtete von zwei Leichenfunden auf Als, bei denen es sich laut Polizeimeldung um einen Doppelmord handeln sollte.
Bjarne horchte auf, als der Name des Ortes fiel. Sarup. Er stellte das Radio lauter, doch der Nachrichtensprecher ging bereits zum Wetter über. Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihm breit.
Er stellte die Milch zurück in den Kühlschrank, griff anschließend zum Telefon und wählte eine Nummer. Seine Hand zitterte leicht, während er dem Freizeichen lauschte. Niemand hob ab.
Schleswig, Deutschland
Die Wolken hingen wie graue Putzlappen am Himmel, als Vibeke mit ihrem Dienstwagen nach halbstündiger Fahrt die A7 verließ, während Rasmus mit müdem Blick auf dem Beifahrersitz saß.
Schleswig lag rund vierzig Kilometer südlich von Flensburg, am Ende der lang gezogenen Ostseebucht Schlei, und hatte einiges an historischen Schätzen zu bieten. Von Wikinger-Häusern und Moorleichen, den berühmtesten Ausstellungsstücken im Schloss Gottorf, über den mächtigen Dom bis hin zum Danewerk, dem größten Bodendenkmal Nordeuropas, das einst als Verteidigungsanlage die südliche Grenze Dänemarks und den Handelsweg zwischen Nord- und Ostsee gesichert hatte. Zudem luden die malerische Altstadt und die idyllische Fischersiedlung Holm zu Spaziergängen ein.
Das Haus von Ulrich Dahlmann lag am Stadtrand direkt am Wald, ein düsteres Fachwerkgebäude mit niedrigen Decken, das seine Glanzzeiten seit Jahren hinter sich hatte. Putz bröckelte von der Fassade, das Holz der Balken war stellenweise morsch, der weitläufige Garten verwildert und ungepflegt.
Die Tür wurde geöffnet, noch ehe Vibeke die Klingel gedrückt hatte.
»Ja, bitte?« Ein untersetzter Mann um die siebzig mit dicken Tränensäcken unter den Augen sah sie fragend an. Auf seinen Wangen schimmerte ein Geflecht aus roten Äderchen.
Vibeke zeigte ihren Dienstausweis vor. »Vibeke Boisen von der Flensburger Polizei«, sie deutete auf Rasmus, »mein Kollege Rasmus Nyborg von der dänischen Polizei. Sind Sie Ulrich Dahlmann?«
Er nickte.
»Dürfen wir vielleicht hereinkommen?«
»Von mir aus«, er machte eine einladende Handbewegung, und sie traten an dem Mann vorbei ins Haus.
Der Flur war schmal und dunkel, und es roch ein wenig muffig, so als wäre schon lange nicht mehr gelüftet worden. Sie folgten der korpulenten Gestalt ins Wohnzimmer. Schwere Mahagonimöbel, Landschaftsgemälde auf Raufaser, vor den Fenstern hingen Spitzengardinen mit Grauschleier. Alles wirkte ein wenig angestaubt und in die Jahre gekommen, die Luft war stickig und abgestanden von Heizungsluft.
»Wir kommen wegen Ihres Bruders«, sagte Vibeke, nachdem sie die Personalien des Mannes überprüft und auf einem Sofa mit Cordbezug Platz genommen hatte.
»Hat er mich tatsächlich angezeigt?«, fragte Ulrich Dahlmann barsch.
Vibeke wechselte einen raschen Blick mit Rasmus, der neben ihr ins Sofapolster gesunken war. »Ihr Bruder ist tot, Herr Dahlmann. Und nicht nur er. Auch Ihre Schwägerin Luise. Die beiden wurden gestern Vormittag in ihrem Haus auf Als gefunden.«
»Tot?« Die Tränensäcke unter seinen Augen nahmen einen dunkleren Farbton an. »Und da liegt kein Irrtum vor?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ihre Identität wurde durch die Rechtsmedizin bestätigt. Ihr Bruder und seine Frau wurden ermordet.«
»Ermordet?«, echote Ulrich Dahlmann. Er klang jetzt sichtlich erschüttert. »Aber wer sollte denn …« Der Rest des Satzes blieb in der Luft hängen. Er fuhr sich mit einer flüchtigen Geste über das schüttere graue Haar.
Vibeke registrierte große, schwielige Hände. Hände, die zupacken konnten.
»Was ist passiert?«
»Die beiden wurden erschlagen.«
»Wie furchtbar.«
»Wann haben Sie Ihren Bruder zuletzt gesehen?«
»Das ist schon eine Weile her. Vor drei oder vier Monaten etwa. Wir kommunizierten ausschließlich über Anwälte.«
»Weshalb?«, erkundigte sich Rasmus. Er schaute ein wenig derangiert aus. Sein Dreitagebart war noch stoppeliger als am Vortag, das Haar vom Schlaf verlegen, zudem sah seine Hose so aus, als hätte er darin geschlafen.
Eine senkrechte Furche bildete sich auf Ulrich Dahlmanns Stirn. »Das ist eine lange Geschichte.«
»Wir haben Zeit«, sagte Vibeke.
Ulrich Dahlmann rieb sich die Schläfen, griff dann nach dem Wasserglas auf dem Couchtisch und trank es in bedächtigen Zügen aus, ehe er es zurückstellte.
»Hatten Sie je mit pflegebedürftigen Angehörigen zu tun?« Sein Blick streifte Vibeke und ging dann weiter zu Rasmus. Beide schüttelten den Kopf.
»Seien Sie froh.« Einen Moment schien er in Gedanken versunken. »Also mein Bruder – Konrad, er...
Erscheint lt. Verlag | 2.10.2024 |
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Reihe/Serie | Boisen & Nyborg ermitteln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 2024 • Anna Johanssen • Bankerin • Bestsellerreihe • Buch für den Urlaub • Dänemark • Deutscher Krimi • Doppelmord • eBooks • Eva Almstädt • Flensburg • Flensburger Förde • Hafen • Häusliche Gewalt • Heimatkrimi • Insel • Krimi • Kriminalromane • Krimi neuerscheinung 2023 • krimi norddeutschland • Krimis • Küstenkrimi • Mord • Mordserie • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2023 • Nordsee Krimi • Notruf Hafenkante • Ostsee Krimi • Polizistin • Rasmus Nyborg • Regionalkrimi • Segeljacht • Segeln • Skandinavische Krimis • Spiegel-Bestsellerautorin • Thriller • Vibecke Boisen • Winter |
ISBN-10 | 3-641-29678-1 / 3641296781 |
ISBN-13 | 978-3-641-29678-0 / 9783641296780 |
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