SPURLOS (eBook)
384 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-31737-9 (ISBN)
Robin Grafs Job ist es, Menschen verschwinden zu lassen - spurlos und besser als jeder Zeugenschutz. Doch dann werden zwei ihrer wichtigsten Klienten zeitgleich ermordet. Ihre Alarmglocken schrillen: Wie konnten die beiden untergetauchten Kronzeugen enttarnt und aufgespürt werden? Waren sie nur die ersten Opfer auf einem blutigen Rachefeldzug? Und wem kann Robin jetzt noch trauen? Als sie selbst zur Zielscheibe wird, muss sie sich eingestehen: Niemand ist mehr sicher, auch nicht ihre Familie. Es gibt nur einen Ausweg: Sie muss alles aufgeben, um ihre Liebsten vor der mörderischen Jagd zu schützen.
Packend, rasant, atemraubend. Der fulminante neue Thriller von Leon Sachs
»Intelligent und mit raffinierten Twists jagt uns Leon Sachs durch die Seiten. ATEMLOS sollte dieser Roman heißen!« Romy Fölck
Leon Sachs (das Pseudonym des Autors und Journalisten Marc Leon Merten) ist gebürtiger Kölner, lebt in Bonn und arbeitet in seiner Heimatstadt. Sachs ist Mitglied im SYNDIKAT, dem Verein für deutschsprachige Kriminalliteratur. Wenn er sich nicht gerade rasante Thriller ausdenkt, steht er im Stadion des 1. FC Köln und feuert als treuer Fan seine Lieblingsmannschaft an.
Prolog
Die Dunkelheit fraß sich durch jede Lichtquelle. Selbst die starken Scheinwerfer konnten die Schwärze kaum durchdringen. Mond und Sterne hatten schon vor Stunden ihren Kampf gegen eine massive Wolkenwand aufgegeben. Und Straßenlaternen suchte man hier vergebens.
Robin Graf umklammerte das beheizte Lenkrad des Bentley Flying Spur wie einen Rettungsring auf dem offenen Meer. Ihr Chef hatte darauf bestanden, dass sie die zweihunderttausend Euro teure Limousine nehmen würde. Und so steuerte sie das Luxusgefährt mit seinen 625 PS vorsichtig durch die Nacht, während ihr Blick im Sekundentakt zwischen der Straße und dem Rückspiegel hin- und hersprang.
Es war niemand zu sehen. Weder vorne noch hinten.
Sie war allein. Allein mit der Dunkelheit.
Wenn man von dem Mann absah, der auf der ledernen Rückbank saß.
Er war vierzig Jahre alt, trug einen stahlgrauen Anzug, hatte seine Beine im geräumigen Fußraum lässig überkreuzt, und Robin bezweifelte, dass er ihren Namen kannte. In den vergangenen Stunden hatte er sie lediglich Tiger genannt, nachdem er ihre gemusterten Stiefeletten begutachtet hatte. Robin hatte sich nur mit Mühe eine bissige Bemerkung verkniffen. Sie mussten es nicht mehr lange miteinander aushalten und würden sich nie wiedersehen. Kein Grund also zu offener Feindseligkeit.
Die eisblauen Augen des Mannes, in der Dunkelheit für Robin im Rückspiegel nur schwach auszumachen, blickten stur geradeaus. Die markanten Augenbrauen waren zu einem ständigen Runzeln verzogen. »Wie weit noch?«, lauteten die einzigen Worte, die er wiederkehrend an sie richtete, seit sie losgefahren waren. Ein Blick auf das Navi in der Mittelkonsole hätte es ihm verraten. Doch offenbar schien es ihm wichtig, sie alle halbe Stunde danach zu fragen.
Zumindest nannte er sie dabei nicht ständig Tiger.
»Noch zwanzig Kilometer«, erwiderte Robin nun, als sie seine Stimme erneut vernahm. Sie versuchte das Zittern in ihrer Antwort auf ein Minimum zu beschränken. Es gelang ihr nicht.
Vor wenigen Minuten hatten sie die A 21 verlassen und waren abseits der Autobahn in die Dunkelheit eingetaucht. Statt weiter nach Wien zu fahren, steuerte Robin über die Bundesstraße 210 südöstlich in Richtung Baden. Sie blickte auf den Bordcomputer. Es war 5:28 Uhr. Die Sonne würde erst in über zweieinhalb Stunden aufgehen und die Wolkendecke grau schimmern lassen. Bis dahin hätte sie ihre Mission erfüllt.
Zumindest hoffte sie das.
Die Landstraße schlängelte sich zwischen bewaldeten Hügeln hindurch. Robin hatte sich die Strecke vor ihrer Abfahrt genau eingeprägt, gerade diese letzten Kilometer. Jede größere Kreuzung, jeden Orientierungspunkt wie die Cholerakapelle im Helenental, an der sie gerade vorbeifuhren. Sie hatte perfekt vorbereitet sein wollen für diese Aufgabe, ihre erste im Außendienst der Agentur, für die sie seit einem Jahr arbeitete.
Vor zwei Tagen hatte die erste Etappe sie von Frankfurt nach München geführt. Dort hatte sie den Klienten bei den nötigen Vorbereitungen unterstützt. Sie hatte sein Penthouse am Gärtnerplatz gesäubert, alle Beweise vernichtet und alle Spuren beseitigt. Währenddessen hatte Gregor Thomanek an seinem Firmensitz auf der Leopoldstraße unauffällig dasselbe getan, unterstützt von seiner langjährigen Assistentin Julia Hamm.
Dann hatte die zweite Etappe begonnen. Am Abend hatte sich Thomanek mit seiner Assistentin und zwei seiner engsten Mitarbeiter in der Bar Giornale getroffen. Er hatte ihnen versichert, nichts mit dem Skandal zu tun zu haben. Er hatte – wider besseren Wissens – betont, MoneyLine sei ein seriöses Unternehmen, und er könne sich die fehlenden Milliarden in der Bilanz nicht erklären. Er hatte versprochen, schon am nächsten Tag höchstpersönlich nach Singapur zu fliegen, um in der dortigen Dependance die nötigen Beweise für seine Unschuld zu sammeln. In wenigen Tagen würde er zurück sein, um alle Vorwürfe gegen sich und gegen MoneyLine zu entkräften.
Erst nach Mitternacht waren sie auseinandergegangen, während Robin die ganze Zeit im Bentley vor dem Edel-Italiener gewartet und die Unterhaltung über einen Transmitter mitgehört hatte. Die Verabschiedung zwischen Gregor Thomanek und Julia Hamm hatte keine Fragen offengelassen, dass zwischen dem milliardenschweren Firmenboss und seiner Assistentin, einer hochgewachsenen Schönheit mit slawischem Einschlag und einem frechen Kurzhaarschnitt, mehr gewesen war als berufliche Professionalität.
Doch mit der Verabschiedung hatte ihre Beziehung geendet.
Auch wenn Julia Hamm dies erst später realisieren würde.
So wie alle Beziehungen des Gregor Thomanek in dieser Nacht enden würden.
Und es die ganze Welt erst später realisieren würde.
Statt direkt bei Robin einzusteigen, hatte Thomanek ein Taxi zu seiner Wohnung genommen. Wie abgesprochen war Robin dem Auto gefolgt und hatte unweit des Gärtnerplatzes gewartet. Erst nachdem ihr Klient sich direkt vor seinem Haus hatte absetzen lassen und gewartet hatte, bis das Taxi an der nächsten Ecke verschwunden war, war er zum vereinbarten Treffpunkt gekommen. Über der Schulter eine Laptoptasche, in der Hand einen dieser Rollkoffer, die Männer seines Standes bei sich führten, wenn sie zu einem kurzen Businesstrip aufbrachen.
Seitdem saß Thomanek auf dem Rücksitz, den Laptop unberührt, seit sie München in Richtung Österreich verlassen hatten. Schweigend, beobachtend – und mit einem falschen Reisepass in der Innenseite seines Jacketts.
Den Pass hatte Robin während des Abendessens von einer Kontaktperson ihrer Agentur zugesteckt bekommen. Jetzt musste sie Thomanek nur noch sicher zu seinem Flugzeug bringen, das um Punkt 7:00 Uhr vom Flughafen Vöslau-Kottingbrunn abheben sollte. Alles war vorbereitet, alles war innerhalb von nur wenigen Tagen orchestriert worden. Nun hing der Ausgang davon ab, ob Robin die wertvolle Fracht rechtzeitig aus ihrer Limousine in den wartenden Privatjet beförderte.
Sie erreichten Baden, und mit den Häuserreihen wich die Dunkelheit. Auf den Dächern lagen die ersten Schneeflocken des Winters. In den Fenstern leuchtete Weihnachtsdekoration in allen Formen und Farben. Die Temperaturanzeige ihres Autos signalisierte potentiellen Bodenfrost. Robin hielt sich strikt an das Tempolimit.
Die Umgehungsstraße führte sie südlich am Kurort vorbei in Richtung Autobahn. Robin wusste, dass sie gleich zu einem Supermarkt kommen würden, an dem sie links würde abbiegen müssen. Dann würde es über die Brücke gehen, noch einmal rechts und links – dann würde das Flughafengelände direkt vor ihnen liegen.
Es war in diesem einen unaufmerksamen Moment, da sie das Blaulicht sah. Erschrocken zuckte sie zusammen, das Auto machte einen kleinen Schlenker, ehe sie das kraftvolle Gefährt wieder sicher in der Spur hatte. Robin gefror das Blut in ihren Adern wie die Wasserkristalle auf den Grashalmen der umliegenden Vorgärten. Ein Polizist stand mit einer Kelle am Straßenrand und bedeutete ihr anzuhalten. Auf der Rückbank stellte Thomanek seine gekreuzten Beine auf. Er sagte nichts.
Robin fuhr vorsichtig rechts ran, brachte den Wagen zum Stehen und ließ das Seitenfenster herab. Der Polizist und eine Kollegin kamen langsam auf sie zu, jeweils die Rechte an der Waffe am Holster, eine Taschenlampe in der Linken. Während der Mann an Robins Seite trat, schritt die Frau um das Auto.
»Guten Morgen, allgemeine Verkehrskontrolle«, sagte der Polizist. »Führerschein und Fahrzeugpapiere, bitte!«
»Guten Morgen«, gab Robin so gelassen wie möglich zurück. Das Herz schien ihren gesamten Brustkorb auszufüllen, als sie in ihrer Handtasche auf dem Beifahrersitz nach den Papieren suchte.
»Wohin des Weges?«, fragte der Polizist. In seiner Stimme schwang Argwohn mit, womöglich, weil eine junge Frau ein solch teures Auto fuhr, während ein mehr als zehn Jahre älterer Mann nicht neben ihr, sondern im Fond saß.
»Ich bringe meinen Chef zu einer Konferenz nach Graz«, improvisierte Robin, und sie war überrascht, wie leicht ihr die Lüge von den Lippen ging.
Graz lag in der Tat auf ihrem Weg in Richtung Süden. Unauffällig blickte Robin in den Rückspiegel und suchte nach Anzeichen der Polizistin, konnte sie aber nicht entdecken. Schnell überschlug sie, ob sich irgendetwas im Auto befand, das sie hätte kompromittieren können. Ihr wollte nichts einfallen.
Außer natürlich Gregor Thomanek.
Zwar wurde nach Thomanek nicht gesucht, schon gar nicht per Haftbefehl. Zumindest noch nicht. Noch durfte er sich frei bewegen. Das Problem war aber, dass niemand wissen sollte, dass er hier war. Julia und seine engsten Vertrauten gingen davon aus, dass ihr Chef am Morgen nach Singapur fliegen würde – und zwar von München aus. All ihre Mühen wären null und nichtig, würde ihn nun jemand erkennen und später aussagen können, dass Thomanek am Tag seiner Flucht in der Nähe eines österreichischen Privatflughafens gesehen worden war.
Doch erst einmal gab sich der Polizist an ihrem Fenster mit ihren Papieren zufrieden. Er bedeutete seiner Partnerin, ihn zu begleiten, und gemeinsam verschwanden sie im Einsatzfahrzeug. Das Blaulicht durchschnitt die Nacht, während sich am Horizont noch immer keine Anzeichen des nächsten Morgens abzeichneten.
Robin blickte auf die Uhr. Sie hatte keine Erfahrung, wie lange eine Verkehrskontrolle in Österreich dauerte. Es vergingen sechs Minuten, ehe das Duo wieder ausstieg und auf sie zukam.
»Seit wann sind Sie unterwegs?«, fragte der Polizist, als er wieder neben ihrer Tür stand.
Robin sah auf ihre pinke Swatch, ein Andenken...
Erscheint lt. Verlag | 1.9.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 2024 • Arno Strobel • Belgien • Benedict Gollhardt • Berlin • Bundespolizei • das nachthaus • Der Morgen • Deutschland • eBooks • Ermittler • Harlan Coben • Hubertus Borck • Jo Nesbo • Kronzeugen • Marc Elsberg • Marc Raabe • Mord • Neuerscheinung • neue thriller 2024 • ruth ware • Schweden • Sebastian Fitzek • Spannung • Standalone • Taschenbuch Neuerscheinungen 2024 • Thriller • True Crime • Untergrundorganisation • Ursula Poznanski • Veit Etzold • Verfolgungsjagd • Verschwörung • Waffenrecht • Westwall • Zero Days |
ISBN-10 | 3-641-31737-1 / 3641317371 |
ISBN-13 | 978-3-641-31737-9 / 9783641317379 |
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