Zwirntod (eBook)

Der Handarbeitsclub ermittelt

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
432 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-31978-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zwirntod - Leonie Kramer
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Training für Hirn und Lachmuskeln - ein vertrackter Fall lässt Kommissar Wallenstein rätseln ...
Ein Cold Case in Madlfing! Bei Renovierungsarbeiten im Gasthof »Zum Lindenwirt« wird ein Skelett gefunden. Die Hoffnung von Kommissar Wallenstein, es handle sich um einen archäologischen Fund, zerschlägt sich schnell: Der Tote trägt Turnschuhe an den Füßen. Ist das etwa Mathias Neuner, der vor fast 40 Jahren spurlos verschwand und dessen neumodische Ideen damals gewaltig Wirbel verursachten? Die Indizien sind alles andere als eindeutig, außerdem scheint irgendjemand die Ermittlungen mit aller Macht zu sabotieren. Denn noch während der Madlfinger Krimi- und Handarbeitsclub sich freudig auf das Rätsel um die Leiche im Gasthof stürzt, gibt es plötzlich einen neuen, ebenfalls mehr als verdächtigen Todesfall ...

Nicht verpassen - Kommissar Wallenstein und der Handarbeitsclub ermitteln wieder im Blauen Land!

Leonie Kramer wuchs am Fuß des Wettersteingebirges auf. Alles Wichtige - wie Stricken oder Geschichtenerzählen - brachte ihr ihre Großmutter bei. Sie studierte Volkskunde, arbeitete als Hutmacherin und ist heute Restauratorin und Expertin für ausgefallene Handarbeitstechniken. Mit ihrer Familie wohnt sie in der Nähe von München, träumt jedoch von einem Schreibtisch mit Bergblick im Blauen Land. Leonie Kramer ist das Pseudonym einer erfolgreichen deutschen Autorin.

1. Faden


Nicht nur in Märchen, sondern auch in Krimis wird gesponnen.

Tim Wallenstein stand am Parkplatz und blickte auf den spiegelglatten Staffelsee. Obwohl es noch angenehm warm war und das Abendlicht golden glänzte, roch die Luft auffallend nach Moos und feuchter Erde. Irgendwie schon nach Zersetzung und Vergänglichkeit. Die Madlfinger trugen jedoch beharrlich T-Shirts, kurze Hosen, luftige Kleider und Sandalen. Selbst die Bäume hatten bisher kaum Blätter verloren und doch war längst Herbst. Jeden Morgen lag Nebel wie ein feuchtes Leichentuch über den Wiesen und feine Spinnfäden flogen durch die Luft oder glitzerten silbrig zwischen Grashalmen und Zweigen. Auch die Nächte waren bereits kühl. Wallenstein wollte sich gar nicht vorstellen, was die fortgeschrittene Jahreszeit für die Wassertemperatur des Sees bedeutete.

An der Seite seiner ehemaligen SEK-Kollegen Arne, Kevin, Leon und Marcel lief er zum Ufer und sehnte sich jetzt schon nach den langen und lauen Sommerabenden zurück. In der Natur jedoch folgten Leben und Sterben einem festen Rhythmus. Ohne Angst oder Bedauern.

Klagten Libellen etwa über ihr Schicksal? Schließlich würden nur ihre Larven und Eier die Winterkälte überstehen. Sorgte sich ein Igel, ob die angefressenen Fettreserven bis zum nächsten Frühjahr reichen und er wieder aufwachen würde? Oder hatten Tiere und Pflanzen wirklich keinerlei Vorstellung von ihrer Endlichkeit?

Wallenstein bückte sich nach einem leeren Schneckenhaus und wunderte sich über seine schwermütigen Gedanken. An seinem Job konnte es nicht liegen. Obwohl er bei der Kripo war, hatte er zurzeit nichts mit dem Tod zu tun. Stattdessen saß er die meiste Zeit am Schreibtisch und wälzte Akten zu Autodiebstählen. Luxuskarossen verschwanden spurlos aus Tiefgaragen, Einfahrten oder von öffentlichen Parkplätzen. Für die gut versicherten Eigentümer war der Verlust zu verschmerzen. Sie interessierten sich nicht für die Aufklärung, sondern sorgten für schnellen Ersatz. Der Strafverfolgung tat das keinen Abbruch, da kannte Ulrike Weide, die zuständige Staatsanwältin, keine Nachsicht. Wallenstein jedoch wusste, wie schwer es war, gegen die hoch spezialisierten Banden einen Ermittlungserfolg zu erzielen. Bis der Verlust des Wagens bemerkt wurde, war er entweder schon in seine Einzelteile zerlegt, umlackiert oder auf dem Weg nach Osteuropa.

»Wo bleibst du, Chef?«, rief Wallensteins bester Freund Arne und winkte mit seinem gestreiften Badetuch. »Wir haben nicht ewig Zeit. Ausziehen, rein ins Wasser, Staub abwaschen und sofort wieder raus. Ich will Helga nicht warten lassen. Wenn sie kocht, mag sie das gar nicht.«

So viel zur Frage, wer hier der Chef war. Für Helga, die Liebe seines Lebens, würde Arne alles tun. Er las ihr sprichwörtlich jeden Wunsch von den Augen ab. Sie zum Lachen zu bringen, war seine neue Lebensaufgabe.

Wallenstein legte das Schneckenhaus zurück. Vielleicht würde es einem anderen Tier als Heimat dienen, wenn er schon selbst keine hatte. Seit Arne nach nur einer Urlaubswoche in Madlfing den Polizeidienst quittiert und die örtliche Gaststätte gepachtet hatte, den renovierungsbedürftigen Lindenwirt, schlief Wallenstein dort in einem spartanisch möblierten Gästezimmer. Wohnen konnte man es nicht nennen. Zwei Stockbetten mit durchgelegenen Matratzen, ein Stuhl, vier Wandhaken und ein Waschbecken mit kaputtem Spiegel. Wenigstens waren die alten Vorhänge und die Wolldecken frisch gewaschen. Die Ferienwohnung in Murnau hatte er gekündigt und seine Habseligkeiten in einem weiteren Gästezimmer untergebracht.

In jeder freien Minute, nach Dienstschluss und an den Wochenenden half er bei der Renovierung des historischen Gasthofs. Um Geld zu sparen, wollte Arne möglichst viel in Eigenleistung erbringen. Zum Glück war die Schussverletzung, die Wallenstein sich vor zwei Monaten im Dienst zugezogen hatte, komplikationslos verheilt, seine Schulter wieder voll belastbar. Bei Arnes ambitioniertem Zeitplan war das auch dringend nötig. Er hatte die Wiedereröffnung des Lindenwirts für Weihnachten angekündigt und nahm bereits Reservierungen für die Silvesterparty an. Außerdem wollte er dabei sein eigenes Bier ausschenken. Sein Optimismus war wie immer grenzenlos, und Wallenstein verkniff sich Bedenken wie Lieferengpässe, die ungeklärte Finanzierung, fehlendes Fachwissen oder Handwerkerknappheit. Nur zu zweit waren sie jedoch schon mit den Aufräumarbeiten komplett überfordert, vor allem, weil Wallenstein Vollzeit arbeitete. Deshalb hatten Kevin, Marcel und Leon ihre Unterstützung angeboten und opferten dafür sogar zwei Urlaubswochen. Erst danach würden die Handwerker anrücken. Obwohl die drei jungen Männer erst am Vormittag aus Köln angereist waren, hatten sie heute einiges geschafft. Zusammen hatten sie alte PVC-Böden rausgerissen und die darunter liegenden alten Eichendielen abgeschliffen. Nach der Plackerei wäre Wallenstein eine warme Dusche bedeutend lieber gewesen als ein Bad im See. Aber da die Heizung kaputt war, gab es im Gasthof kein heißes Wasser, und Arne hatte kurzerhand entschieden, die notwendige Körperhygiene ins Freie zu verlegen.

Wallenstein schlenderte über die leere Liegewiese und ließ seinen Blick schweifen. Auch hier waren die Heiterkeit und Hitze des Sommers verflogen. Dafür hatte sich eine Schar Raben im Gras niedergelassen und marschierte geschäftig umher. Die Sonne stand tief über dem Wasser und blendete ihn. Das Strahlen war überirdisch. Ungläubig blinzelte er, aber die Szene, die er im ersten Moment für eine optische Täuschung gehalten hatte, blieb unverändert. Ihm war, als würde sich eine kalte Hand in seinen Nacken legen und dann langsam Wirbel für Wirbel nach unten gleiten. Fröstelnd blieb er zurück und starrte drei in Tücher gehüllte Frauen an, die etwa 50 Meter entfernt standen und ihnen den Rücken zuwandten. Durch das Gegenlicht hoben sich ihre Silhouetten dunkel wie Scherenschnitte von der Landschaft ab und erinnerten Wallenstein an die Illustration eines Märchenbuches.

Reglos beobachtete er ihr Tun. In den Händen hielten die Frauen eine Schere, eine Spindel und auf einen Stab gewickelte Fasern. Daraus zog die mittlere einen hauchdünnen Faden, fast so fein wie die Spinnenfäden, die zurzeit durch die Luft flogen. Die Bewegungen waren ruhig und fließend. Eigentlich friedlich. Und doch unheilvoll.

Als Arne nackt zum Wasser rannte, gefolgt von Kevin, Marcel und Leon, ebenfalls unbekleidet, riss der dünne Faden. Wallenstein sah, wie er noch kurz in der Luft schwebte und dann absank. Er erinnerte sich an zwei Sätze, die Ariadne Schäfer kurz nach dem Mord in ihrem Wollladen gesagt hatte: »Wie schnell ein Lebensfaden reißt. Unsere Schicksale sind zarte, ineinander verwobene Gespinste.«

Ihm war, als hätte er gerade einen besonders schicksalsschweren Moment beobachtet. Die grundlose Traurigkeit, die ihn seit Wochen begleitete, nahm noch mehr Raum ein und er atmete mit einem tiefen Seufzer aus. Seine Freunde hingegen stürzten sich mit lautem Kampfgeschrei in die Fluten, prusteten und bespritzten sich gegenseitig. Wallenstein riss sich von dem Anblick los und ging zum Steg. Anders als seine Freunde trug er unter der Jeans eine Badehose. Er zog sich aus, nahm Anlauf und hechtete ins Wasser, sonst würde er sich nicht überwinden können.

»Immer elegant und korrekt gekleidet, der Herr Kommissar«, brüllte Kevin und kraulte auf ihn zu, um ihn kurz nach dem Auftauchen wieder unter Wasser zu drücken. Das ließ sich Wallenstein nicht gefallen, tauchte und packte den jungen Kollegen an den Füßen. Begeistert beteiligten sich Arne, Marcel und Leon an der Wasserschlacht.

»Übrigens sollen wir dir einen schönen Gruß von deiner Lieblingspsychologin Mia Alt ausrichten«, rief Leon dem Kommissar zu. »Du sollst dich mal bei ihr melden.«

Wallenstein tat so, als hätte er Wasser in den Ohren und könnte nichts hören.

»Ich würde sagen, die Alte steht ziemlich auf dich«, legte Kevin nach. »Vielleicht sollte Arne sie auch nach Madlfing einladen. Sie wäre bestimmt zu jeglicher psychischen wie physischen Analyse bereit.«

Marcel lachte. »Ich sag nur, Weihnachtsfeier …«

Wallenstein reichte es, er kraulte auf den See hinaus. Er erinnerte sich nicht gerne daran, wie er die Polizeipsychologin nach einer Nacht in seinem Bett ausgenutzt hatte, ihn diensttauglich zu schreiben. Die Frau konnte sich nach der feuchtfröhlichen Feier an nichts erinnern, und er hatte ihr nie erzählt, dass er ihr zwar die Schuhe und die vollgekotzten Sachen ausgezogen, tatsächlich aber auf der Couch geschlafen hatte.

Die anderen setzten ihm sofort nach, konnten ihn aber nicht mehr einholen. Als sie endlich ans Ufer zurückkamen, war dort niemand mehr.

Schnell trockneten sich die Männer ab, zogen sich um beziehungsweise an und drängten sich, wie früher im Einsatzfahrzeug, auf die Rückbank von Arnes VW-Bus. Aus Leons schwarzen Locken tropfte Wasser.

»Kannst du dir nicht mal die Haare schneiden? Du machst hier alles nass«, beschwerte sich Kevin. Sein militärischer Fünf-Millimeter-Kurzhaarschnitt war längst trocken.

Demonstrativ schüttelte Leon den Kopf. Jetzt war wirklich alles nass.

»Du bist echt schlimmer als ein Hund.«

»Ich rieche besser.«

Kevin warf Leon ein Handtuch über den Kopf, nahm ihn in den Schwitzkasten und frottierte ihn kräftig ab. Was der andere sich natürlich nicht ohne Gegenwehr gefallen ließ.

Wallenstein hielt sich raus, freute sich jedoch über die unbedarfte Heiterkeit seiner Freunde. Während Arne fuhr, starrte er aus dem...

Erscheint lt. Verlag 20.11.2024
Reihe/Serie Ein Fall für den Madlfinger Handarbeitsclub
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • Biobauer • Blaues Land • Buchgeschenk • Cold Case • Cozy Crime • eBooks • Häkelkrimi • Handarbeit • Heimatkrimi • Hobbydetektivin • Jörg Maurer • Krimi • Kriminalromane • Krimis • madlfing • Neuerscheinung • Nicola Förg • Regiokrimi • Spinnen • Weihnachtsgeschenk
ISBN-10 3-641-31978-1 / 3641319781
ISBN-13 978-3-641-31978-6 / 9783641319786
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