Das Geheimnis der Weihnachtstage (eBook)

Kriminalroman
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2024 | 1. Auflage
336 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-12332-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Geheimnis der Weihnachtstage -  C.H.B. Kitchin
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»Mörder, so sagt man, sind oft die charmantesten Charaktere.« Es weihnachtet sehr in der Beresford Lodge in Hampstead, unweit von Londons Zentrum. Malcom Warren, ein Börsenmakler, wird von einem seiner Klienten zu einer Weihnachtsparty eingeladen. Eine Gruppe von Bekannten und die einigermaßen komplizierte Familie des Klienten kommt zusammen, feiert ausgelassen, spielt Spiele. Doch als Warren am Weihnachtsmorgen im Gästezimmer aufwacht, findet er eine Leiche. Die Gesellschaft steht unter Schock. Handelt es sich um einen Unfall? Der Hang zum Schlafwandeln der zu Tode gekommenen Frau legt dies erst einmal nahe. Als aber ein zweiter Mord geschieht, wird die Unfalltheorie sehr schnell ausgeschlossen. Der Mörder muss einer der Bewohner oder der Gäste des großen Hauses sein - aber wer? Wer hat ein Motiv an Weihnachten zu morden? Malcolm Warren, so scheint es, soll alles in die Schuhe geschoben werden. Und so wird er gezwungenermaßen selbst zum Ermittler. Kann er den Fall lösen, bevor Weihnachten vorbei ist? C.H.B. Kitchin nimmt als Autor dieses brillanten und hoch unterhaltsamen Cosy Crime von 1934 einen festen Platz in der »Golden Age« Ära der Kriminalromane ein.

C. H. B. Kitchin (1895-1967) studierte Klassische Philologie in Oxford und wurde nach seinem Dienst in Frankreich während des Ersten Weltkriegs 1924 als Anwalt zugelassen. Trotz der damaligen Stigmatisierung von Homosexualität lebte Kitchin bis zu dessen Tod mit seinem Partner zusammen und bewegte sich in offen homosexuellen Schriftstellerkreisen.

C. H. B. Kitchin wurde 1895 in Yorkshire geboren. Er studierte Klassische Philologie am Exeter College in Oxford und wurde nach seinem Dienst in Frankreich während des Ersten Weltkriegs 1924 als Anwalt zugelassen. Zu seinen Romanen gehören Streamers Waving (1925), Crime at Christmas (1934) und A Short Walk in Williams Park (1971), das erst nach seinem Tod im Jahr 1967 veröffentlicht wurde.

I.

Stolz


24. Dezember – Nachmittag

Um zwanzig Minuten vor vier am Heiligabend bahnte ich mir einen Weg durch den Pulk lärmender Menschen, der sich unter dem Dach der gewaltigen Säulenhalle vor der Londoner Börse tummelte. Die Leute tanzten, sangen und bewarfen einander mit Schneebällen. Mein Ziel war der Raum mit den öffentlichen Telefonen. Dort ließ ich mich mit meinem wichtigsten Kunden verbinden – einem Kunden, der so wichtig war, dass er allein den Wert all meiner übrigen Kunden aufwog.

»Ist dort Hampstead Null-Neun-Eins? Hier Mr Warren am Apparat. Würden Sie Mr Quisberg bitte ausrichten, dass ich ihn am Telefon zu sprechen wünsche?«

Während der darauffolgenden Pause legte ich mein Auftragsbuch zurecht und spitzte meinen Eversharp-Bleistift.

»Und?«

Es war die mir wohlbekannte Stimme, brüsk und angespannt wie eh und je.

»Seit unserem letzten Gespräch hat sich so gut wie nichts verändert. Der Preis wird natürlich noch etwas in die Höhe gehen. Die Leute wollen vor den Feiertagen ihre Verbindlichkeiten eher eingrenzen.«

»Könnten Sie die Aktien für vierzig Schilling kaufen?«

Seine Aussprache des Englischen ließ den Ausländer erkennen, wenn auch nur noch sehr entfernt.

»Nein, ich kann sie für vierzig Schilling und einen Penny Halfpenny verkaufen.«

»Wenn ich über vierzig Schilling bezahle, berechnen Sie mir Sixpence Kommission?«

»Ja«, sagte ich.

»Statt der Fourpence, die ich sonst immer bezahlt habe?«

»Das liegt daran, dass Sie die Aktien bisher noch nie für über vierzig Schilling gekauft haben.«

»Aber es wäre Ihnen lieber, wenn ich sie für über vierzig Schillinge kaufen würde?«

»Natürlich wäre es das«, sagte ich schnippisch. Ich glaube, es war eben diese schnippische Art, die ihn dazu veranlasste, mir die Treue zu halten. Er hatte nämlich ansonsten die Angewohnheit, unentwegt seine Börsenmakler zu wechseln und sie gegeneinander auszuspielen.

»Driffield hat mir gesagt, er könne sie für neununddreißig Schilling und Ninepence bekommen.«

»Wann hat er das gesagt?«

»Kurz vor dem Mittagessen«, sagte er.

»Da hätte ich das auch gekonnt. Kann Driffield das jetzt auch noch?«

»Nein.«

Er brummte leise vor sich hin, was mir verriet, dass er nachdachte. Ich hielt den Bleistift bereit.

»Ich möchte zehntausend kaufen. Was werden Sie dafür bezahlen müssen?«

»Das kann ich nicht so ohne Weiteres sagen. Es wird wahrscheinlich sehr schwierig, um nicht zu sagen unmöglich sein, mit einer derart hohen Anzahl zu handeln. Ich denke, ich kann Ihnen eintausend zusagen, für den Preis von vierzig Schilling und Tenpence Halfpenny.«

»Eintausend! Ich will zehn! Dann kaufen Sie mir halt so viel Sie können, und gehen Sie hoch bis zu vierzig Schilling und Tenpence Halfpenny. Nein, bis zu einundvierzig Schilling und Threepence. Nein, zweiundvierzig Schilling, wenn Sie gezwungen sind, so hoch zu gehen. Ich will diese Aktien unbedingt. Also machen Sie schon und verhandeln Sie, und dann rufen Sie mich wieder an.«

Ich setzte meine professionellste Stimme auf und gab ihm eine Zusammenfassung seines Auftrags:

»Ich kaufe für Sie bis zu zehntausend Harrington-Kobalt-Aktien zu bis zu zweiundvierzig Schilling das Stück. Vielen Dank.«

Er brummte noch einmal kurz und hängte dann ein.

Die beiden Händler meiner Firma, mit denen ich hastig Rücksprache über die beste Vorgehensweise hielt, waren hellauf begeistert. Was für ein Glücksfall! Was für ein großartiges Weihnachtsgeschenk! Ich befand mich in Hochstimmung, während ich die Old Broad Street in Richtung unseres Firmensitzes entlanglief. Die Firma, für die ich arbeitete, war zwar klein, doch es war uns mit dem geschickten und umfangreichen Handel von Harrington-Aktien gelungen, uns bereits einiges Ansehen zu verschaffen. Ich sah schon den Tag kommen, an dem die gewieftesten Börsenmakler zu zittern begannen, sobald ich mich nur näherte, und einander nervös zumurmelten: »Achtung, da kommt der von Heavens und Slicer! Was führen die wohl jetzt schon wieder im Schilde?«

Wir hatten es hauptsächlich unserem Glück zu verdanken, dass es uns gelang, den Handel um etwa zehn Minuten nach vier abzuschließen. Ich rief erneut Mr Quisberg an.

»Gut, gut, sehr gut«, sagte er. »Jetzt möchte ich noch achthundert für Dr. Green.«

»Dr. Green?«, fragte ich, hocherfreut über die Aussicht, einen neuen Kunden hinzuzugewinnen.

»Dr. Martin Green. Ich übernehme die volle Verantwortung für ihn. Besorgen Sie ihm achthundert Stück, so günstig Sie können, und schicken Sie den Schlussschein an mich. Nein, Sie brauchen nicht noch einmal anzurufen. Ich bin sehr beschäftigt. Sie werden Dr. Green heute Abend beim Abendessen kennenlernen und können ihm dann von Ihren Unternehmungen erzählen. Ich werde nicht da sein, fürchte ich. Ich muss um halb acht im Carlton sein, um mich mit G. zu treffen. Diese Information ist selbstverständlich vertraulich.«

Mir entfuhr ein bewunderndes »Oh!«. Der Name »G.« hat in Finanzkreisen eine solch gewaltige Bedeutung, dass ich mich nicht einmal traue, ihn in voller Länge auszuschreiben.

»Und kaufen Sie für sich selbst so viel Sie können«, sagte Quisberg. Plötzlich klang seine Stimme ganz freundlich. Mit dieser Bemerkung machte er zu einem gewissen Grade die zahlreichen Gelegenheiten wieder gut, bei denen er mich auf die Palme gebracht hatte.

Ich kaufte dreihundert Stück zu zweiundvierzig Schilling und Ninepence, und mein Partner, Jack Slicer, tat es mir nach.

»Jetzt haben wir uns weit aus dem Fenster gelehnt«, sagte er, während wir beim Tee zusammensaßen. »Welche Informationen hat der alte Q., was denken Sie?«

»Vielleicht kennt er den Preis, für den die Aktien übernommen werden«, antwortete ich bewusst vorsichtig.

Es war kein Geheimnis, dass die Universal Canadian Mining Corporation, deren Generaldirektor G. war, großes Interesse am Kauf der Harrington-Kobalt-Company hatte, auch wenn es sehr widersprüchliche Theorien dazu gab, zu welchem Preis dies geschehen würde.

»Trotz dieses Dementis, das in der Zeitung stand?«

»Ach, das hat nichts zu bedeuten.«

»Also gut«, sagte er. »Ohne Ihren Handel ständen wir mit ziemlich leeren Händen da. Aber so wie die Dinge nun liegen, läuft es auf einen Rekord hinaus.«

Ich glühte vor Stolz. Es war die Art von unheilschwangerem Hochmut, wie sie unweigerlich einem Fall vorausgeht.

Sobald ich die Verträge und die restliche Korrespondenz unterzeichnet und allen Anwesenden ein frohes Fest gewünscht hatte, schloss ich mein Schreibpult ab und begab mich zu meiner Wohnung in der Nähe des Berkeley Square. Es war vereinbart, dass ich die Weihnachtsfeiertage mit meinem Kunden und dessen Frau – insbesondere dessen Frau – verbringen sollte, und es blieb mir nur wenig Zeit, um mich zu waschen, den Serge-Anzug, den ich üblicherweise zur Arbeit trug, gegen elegantere Kleidung zu tauschen und meine Sachen zu packen. Wenn die Quisbergs nicht gerade zu einer formellen Party luden, dinierten sie üblicherweise um halb acht. Ich hatte versprochen, gegen Viertel vor sieben dort zu sein. Tatsächlich war es zwanzig vor sieben, als ich meine Wohnung verließ, in ein Taxi stieg und mich auf den wohlvertrauten Weg begab, über die Mount Street, dann nördlich die Park Street hoch, am Gloucester Place vorbei, über die Wellington Street, Finchley Road, Fitzjohn’s Avenue bis zu dem höchsten Punkt von Hampstead Heath, am Teich und dem Flaggenmast an der Heath Street vorbei, und schließlich die West Heath Road hinunter bis zur Lyon Avenue, wo ich an meinem Ziel anlangte: dem zweiten Haus auf der rechten Seite namens Beresford Lodge.

Ich war Mrs Quisberg vor etwa elf Monaten vorgestellt worden, bei einer Abendgesellschaft, zu der ich geladen war und bei der auch einige der bedeutendsten Personen aus meinem Bekanntenkreis anwesend waren.

Wo man jemanden sozial einordnet – sofern man sich gezwungen sieht, eine solche Einordnung vorzunehmen – hängt größtenteils von dem Moment ab, in dem man einander vorgestellt wird. Ich glaube, ich brauchte Mrs Quisberg nur anzusehen, um sofort zu erkennen, dass sie nicht in die Welt gehörte, in der wir uns beide gegenwärtig aufhielten. Sie war von einer solchen Überschwänglichkeit und so sehr darum bemüht, anderen zu gefallen, dass sie meiner Ansicht nach nicht im Geringsten zu den übrigen Gästen passte, die an diesem Abend zugegen waren. Wir waren Partner beim Bridge-Spiel. Sie spielte schlecht, wenn auch mit großem Enthusiasmus, und als ich das Glück hatte, bei einem Slam die vierfache Punktzahl einzufahren, konnte sie ihre Begeisterung kaum zügeln.

»Ich hoffe doch sehr, dass Sie mich einmal besuchen kommen«, sagte sie, als wir uns am Ende des Abends verabschiedeten. »Sie sind bestimmt ein aufstrebender junger Anwalt, habe ich recht?«

»Nein, ich arbeite an der Börse.«

»An der Börse! Das wird meinen Mann sehr interessieren. Sie müssen bald einmal bei uns vorbeischauen und ihn kennenlernen. Sie beide haben auch die Liebe zur Musik gemeinsam. Ich habe gehört, wie Sie sich während des Essens mit Lady Geraldine Richings sehr fachkundig über Wagner unterhalten haben. Ich fürchte, ich selbst kann keinen Ton vom anderen unterscheiden – ich bin eine ziemliche Barbarin – aber wir können ja wenigstens Bridge miteinander spielen, nicht wahr?«

Sie sprach mit einem leicht irischen Akzent, der auch ihren banalsten Bemerkungen etwas Besonderes verlieh. Darüber hinaus war sie eine attraktive Frau. Sie war zwar nicht mehr ganz jung, hätte jedoch durchaus für zwei- oder dreiundvierzig durchgehen können. Obwohl sie sehr elegant gekleidet war,...

Erscheint lt. Verlag 28.9.2024
Übersetzer Dorothee Merkel
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Agatha Christie • Britisch • Cozy Crime • Detektivgeschichte • Dorothy L. Sayers • Englisch • Englischer Krimi • Ermittlung • Geschenk für Englandfans • Geschenk für Krimifans • Geschenk Krimi • Großbritannien • Hercule Poirot • Lesefutter • Mord • Neuer Krimi 2024 • neuerscheinung 2024 • Nicola upson • Privadetektiv • softer Krimi • United Kingdom • Verbrechen • Verdacht • Weihnachten • weihnachtlicher krimi • Weihnachtsgeschenk • Weihnachtskrimi • Weihnachtsparty
ISBN-10 3-608-12332-6 / 3608123326
ISBN-13 978-3-608-12332-6 / 9783608123326
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