Unsere Zeit der Wunder (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
416 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-29340-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Unsere Zeit der Wunder -  Nicholas Sparks
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Erst am Sterbebett seiner Großmutter erfährt Tanner Hughes den Namen seines Vaters. Er macht sich auf nach Asheboro, North Carolina, um ihn zu finden. Dort kreuzt sich sein Weg mit dem der alleinerziehenden Kaitlyn. Die beiden fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Doch schon bald muss Tanner beruflich zurück nach Kamerun, und beide fürchten, dass ihre Liebe keine Zukunft hat.

Währenddessen versucht der 83-jährige Jasper, in den Wäldern von Asheboro einen seltenen weißen Hirsch zu schützen. Eine Begegnung mit Wilderern endet in der Katastrophe. Können Kaitlyn und Tanner ihn retten - und damit auch sich selbst?

Nicholas Sparks, 1965 in Nebraska geboren, lebt in North Carolina. Mit seinen Romanen, die ausnahmslos die Bestsellerlisten eroberten und weltweit in über 50 Sprachen erscheinen, gilt Sparks als einer der meistgelesenen Autoren der Welt. Mehrere seiner Bestseller wurden erfolgreich verfilmt, drei weitere Filme sind derzeit in Planung. Alle seine Bücher sind bei Heyne erschienen.

KAPITEL EINS


1


März 2023

Tanner Hughes trat auf die Veranda des Häuschens, das einmal seinen Großeltern gehört hatte, und schloss die Tür hinter sich ab. In der einen Hand hielt er eine Reisetasche, in der anderen einen Kleidersack mit dem Anzug, den er fünf Wochen zuvor bei der Beerdigung seiner Großmutter getragen hatte.

Er sah auf und bemerkte eine einzelne Wolke, die in der Morgensonne weiß leuchtete. Ein weiterer Bilderbuchtag in Florida kündigte sich an, und erneut dachte Tanner, dass seine Großeltern sich einen guten Ort für ihren Ruhestand ausgesucht hatten. Die Gegend um Pensacola war schon immer vom Militär geprägt gewesen, und viele Soldaten ließen sich als Rentner dort nieder; vermutlich hatten seine Großeltern gut hierher gepasst, besonders sein Großvater als ehemaliger Armeemechaniker.

Tanner legte den Schlüssel für den Makler, der später vorbeikommen wollte, unter einen Blumentopf. Die Möbel waren bereits abgeholt worden, ein Maler bestellt, und der Makler hatte ihm versichert, dass sich das Haus schnell verkaufen würde. In den vergangenen Wochen hatte Tanner die Sachen seiner Großeltern sortiert und dabei die letzten Monate mit seiner Großmutter verarbeitet.

Jetzt sah er noch einmal Abschied nehmend über seine Schulter. Er vermisste sie, vermisste sie beide. Sie waren für ihn wie Eltern gewesen, da seine ledige Mutter wenige Minuten nach seiner Geburt gestorben war. Es war ein seltsames Gefühl, dass die beiden nicht mehr da waren, und das Wort »Waise« drängte sich auf. Seine Mutter hatte ja nur auf Fotos existiert, und über seinen leiblichen Vater hatte Tanner bis vor Kurzem überhaupt nichts gewusst. Auf ihre wortkarge Art hatten seine Großeltern durchblicken lassen, dass ihnen die Identität seines Vaters nicht bekannt sei, und Tanner hatte sich lange eingeredet, dass ihm das eigentlich auch egal war. Natürlich hatte er sich manchmal gewünscht, seine Eltern zu kennen, aber er war in einem liebevollen Heim aufgewachsen, und das war doch das Einzige, was zählte.

Er schob diesen Gedanken beiseite und ging zu seinem Auto. Sogar geparkt sah es schnell aus, fand er. Es war ein Nachbau eines 1968er Shelby GT500KR von Revology Cars, knallrot mit weißen Streifen, und obwohl er nagelneu war, glich er exakt denjenigen, die fünfzig Jahre früher vom Band gerollt waren. Es war das Extravaganteste, das er sich je geleistet hatte, und als der Wagen geliefert worden war, hatte Tanner sich gewünscht, sein Großvater hätte das noch erleben dürfen. Wie Tanner hatte er amerikanische Sportwagen geliebt, und da dieser kein Original war, gehörte er auch nicht in die Garage eines Sammlers, sondern wollte gefahren werden.

Wobei er ab dem Sommer trotzdem in einer Garage stehen würde.

Tanner quetschte die Taschen zu einem Karton mit Andenken an seine Großeltern in den Kofferraum. Sein Rucksack stand bereits auf dem Beifahrersitz. Der Motor sprang mit einem rauen Grollen an, und Tanner fuhr durch die Stadt Richtung Highway, vorbei an Filialen großer Ladenketten und Schnellrestaurants. In dieser Hinsicht, stellte er fest, unterschied sich Pensacola nicht sonderlich von anderen Städten in den USA, die er in letzter Zeit besucht hatte. Noch hatte er sich nicht ganz an die Gleichförmigkeit in weiten Teilen dieses Landes gewöhnt und fragte sich, ob er das Gefühl, ein Fremder zu sein, jemals verlieren würde.

Beim Fahren schweiften seine Gedanken zu den wichtigsten Etappen seines Lebens ab: eine auf diversen Militärstützpunkten in Deutschland und Italien verbrachte Kindheit, Grundausbildung in Fort Benning, Georgia, fast fünfzehn Jahre als Soldat. Die zahlreichen Einsätze im Nahen Osten und, im Anschluss an seine Armeezeit, seine Beschäftigung im Wachdienst für USAID, eine US-amerikanische Behörde für Entwicklungszusammenarbeit.

Und seitdem?

War er eigentlich immer unterwegs gewesen, allein schon, weil er nichts anderes kannte. Die vergangenen Jahre hatte er mehr oder weniger auf Reisen verbracht, quer durch die Vereinigten Staaten. Sein Handy war voller Fotos von Nationalparks und Sehenswürdigkeiten, er hatte sich mit Freunden getroffen, vor allem aber die Familien von verstorbenen Kameraden aufgesucht. Insgesamt konnte er dreiundzwanzig aufzählen, die gefallen waren oder ihrem Leben nach dem Ausscheiden aus der Armee selbst ein Ende gesetzt hatten. Mit ihren Witwen oder Eltern zu sprechen, kam Tanner irgendwie richtig vor, als näherte er sich einer Antwort an, die er bekommen wollte, selbst wenn er noch immer nicht ganz sicher war, wie eigentlich die Frage lautete.

Obwohl noch ein paar weitere Familien auf seiner Liste standen, hatte er seine Reise im vergangenen Oktober abbrechen müssen, weil es mit seiner Großmutter zu Ende ging. Ungeachtet regelmäßiger Telefonate und Textnachrichten hatte sie zu erwähnen versäumt, dass ein paar Monate zuvor eine unheilbare Lungenkrankheit bei ihr diagnostiziert worden war. Tanner war sofort nach Pensacola geeilt, wo er sie im Bett sitzend und von einer Pflegerin betreut vorgefunden hatte. Sein erster Gedanke war, dass sie kleiner als in seiner Erinnerung wirkte. Trotz der Sauerstoffflasche atmete sie schwer und konnte daher nur langsam und abgehackt sprechen. Sie in diesem Zustand zu sehen, war für ihn wie ein Schlag in die Magengrube, und in den kommenden Monaten wich er nur selten von ihrer Seite. Er übernahm einen Großteil ihrer Körperpflege, fütterte sie und schlief häufig auf einer Pritsche in ihrem Zimmer. Er bereitete kalorienhaltige Milchshakes für sie zu und pürierte ihr Essen, bis es weich genug war, wie für einen Säugling; er bürstete ihr zärtlich die dünnen Haare und strich Balsam auf ihre aufgesprungenen Lippen. Nachmittags, wenn sie nicht gerade schlief, las er ihr gern aus einem Gedichtband von Emily Dickinson vor, während sie den Blick aus dem Fenster richtete.

Da das Sprechen für sie immer schwieriger wurde, redete meistens er. Er erzählte ihr vom Grand Canyon, von Graceland, einem Eishotel im nördlichen Wisconsin und einem Dutzend anderen Orten, in der Hoffnung, sie würde sich von seiner Begeisterung anstecken lassen, doch die Besorgnis in ihrer Miene sprach Bände. Ich möchte dich nicht allein lassen, schien sie zu sagen, du bist so rastlos. Als er erneut zu erklären versuchte, dass seine jüngsten Reisen einen Weg für ihn darstellten, die verlorenen Kameraden zu ehren, schüttelte sie den Kopf. »Du brauchst ein … Zuhause«, krächzte sie und bekam prompt einen längeren Hustenanfall. Als sie sich wieder erholt hatte, bedeutete sie ihm, ihr den Block und den Stift von ihrem Nachttischchen zu geben. Such dir einen Ort, an dem du dich wohlfühlst, und lass dich dort nieder, schrieb sie.

Um sie nicht zu enttäuschen, erzählte er ihr nicht, dass Vince Thomas, ein alter Kollege von USAID, ihn im Januar kontaktiert hatte. Vince hatte demnächst einen neuen Einsatz in Afrika. Sie beide hatten bereits früher zusammen in Kamerun gearbeitet, und er hatte Tanner mitgeteilt, er brauche einen stellvertretenden Sicherheitschef, der mit dem Land und seiner politischen Situation vertraut sei. Da Tanner zu dem Zeitpunkt ohnehin nichts Besseres eingefallen war, hatte er das Angebot angenommen.

Nun war er zum ersten Mal seit Monaten wieder auf dem Highway, und die flache Landschaft des nördlichen Florida huschte an ihm vorbei. Tanner wollte einen kurzen Abstecher zu seinem besten Freund Glen Edwards in North Carolina machen und hatte dann vor, weiter nach Asheboro zu fahren, unsicher, was er dort wohl finden würde. Wenn überhaupt etwas.

Asheboro.

Den Namen dieser Kleinstadt hatte seine Großmutter auf den Block geschrieben, kurz bevor sie ins Koma gefallen war.

2


Wie Pensacola war auch das östliche North Carolina bei Veteranen beliebt, und nach seinem Dienst bei der Delta-Spezialeinheit hatte Glen sich dort erfolgreich eine Existenz aufgebaut. Er betrieb eine Firma, die taktische Spezialeinheiten der Polizei ausbildete, und wohnte mit seiner Frau Molly und den beiden Kindern in einem Haus in Pine Knoll Shores. Tanner war nicht überrascht, als Glen ihn mit einer Flasche Bier auf der Veranda empfing, sobald er aus dem Auto gestiegen war; sie hatten bei der Armee so viel zusammen erlebt, dass sie beinahe die Gedanken des anderen lesen konnten.

Das Haus hatte schöne hohe Decken, einen fantastischen Blick auf die Bogue-Lagune und vermittelte die übliche leicht chaotische Atmosphäre einer Familie, mit Schultaschen und Schuhen und Sportausrüstung gleich neben der Tür. Wenn die Kinder nicht gerade Glens Aufmerksamkeit beanspruchten, verlangten sie nach der von Tanner, zeigten ihm Videospiele oder wollten sich Filme mit ihm ansehen. Er liebte das, hatte die Kleinen schon immer gern gemocht. Und Molly mit ihrem freundlichen Lächeln und ihrer geduldigen Ausstrahlung war die Art von Frau, die das Beste in Glen hervorbrachte.

Drei Tage blieb Tanner dort. Sie gingen zum Strand und ins North Carolina Aquarium, und abends unterhielten sie sich auf der Terrasse unter dem Sternenhimmel. Molly zog sich meistens zuerst zum Schlafen zurück, und danach führten Tanner und Glen noch lange Gespräche.

Am ersten Abend berichtete Tanner von seiner Reise und den Sehenswürdigkeiten und beschrieb im Anschluss seine Besuche bei den Familien der Kameraden, die er verloren hatte. Glen hörte aufmerksam zu, denn viele davon hatte er ebenfalls gekannt. Am Ende gestand er, dass er nicht sicher war, ob er selbst zu solchen Besuchen in der Lage wäre.

»Ich wüsste gar nicht, was ich sagen sollte.«

Tanner konnte das gut...

Erscheint lt. Verlag 28.8.2024
Übersetzer Astrid Finke
Sprache deutsch
Original-Titel Counting Miracles
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • Buchgeschenk für Frauen • eBooks • Frauenromane • frauenunterhaltung neuerscheinung 2024 • Liebe • Liebe des Lebens • Liebesromane • Neuerscheinung • North Carolina • Romane für Frauen • Schicksal • Spiegel-Bestseller-Autor • Wie ein einziger Tag
ISBN-10 3-641-29340-5 / 3641293405
ISBN-13 978-3-641-29340-6 / 9783641293406
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