Eine Corsa in Triest -  Christian Klinger

Eine Corsa in Triest (eBook)

Gaetano Lamprecht ermittelt
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Picus (Verlag)
978-3-7117-5519-3 (ISBN)
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Ispettore Gaetano Lamprecht ist zurück in Triest - das nunmehr Teil Italiens ist. Nach dem Ersten Weltkrieg gibt es die k.?u.?k Monarchie nicht mehr, Lamprecht steht nun im italienischen Polizeidienst. Sein erster Fall dreht sich um einen verschwundenen Autokonstrukteur, der sich im Dunstfeld der italienischen Faschisten verstrickt hat. Die sind nämlich interessiert an seiner neuen Entwicklung: einem Automobil, das elektrisch angetrieben wird. Die Familie Lamprecht indes vergrößert sich unvermutet um ein kleines Mädchen, und Gaetanos Vater hat Schwierigkeiten, sich mit den neuen italienischen Gegebenheiten abzufinden ... Stimmungsvoll und spannend ist auch Gaetano Lamprechts dritter Fall, in dem die Stadt Triest wieder eine der Hauptrollen spielt.

Christian Klinger, geboren 1966 in Wien, Studium der Rechtswissenschaften. Seit 2017 Zweitwohnsitz in Triest. Er veröffentlichte zahlreiche Krimis und Beiträge in Anthologien, erhielt den Luitpolt-Stern-Förderungspreis und war auf der Auswahlliste des Agatha-Christie-Krimipreises (2011). Im Picus Verlag erschienen der Roman »Die Liebenden von der Piazza Oberdan« sowie die historischen Kriminalromane rund um Inspektor Gaetano Lamprecht: »Ein Giro in Triest«, »Die Geister von Triest« und »Eine Corsa in Triest«. www.christian-klinger.at

Christian Klinger, geboren 1966 in Wien, Studium der Rechtswissenschaften. Seit 2017 Zweitwohnsitz in Triest. Er veröffentlichte zahlreiche Krimis und Beiträge in Anthologien, erhielt den Luitpolt-Stern-Förderungspreis und war auf der Auswahlliste des Agatha-Christie-Krimipreises (2011). Im Picus Verlag erschienen der Roman »Die Liebenden von der Piazza Oberdan« sowie die historischen Kriminalromane rund um Inspektor Gaetano Lamprecht: »Ein Giro in Triest«, »Die Geister von Triest« und »Eine Corsa in Triest«. www.christian-klinger.at

APRIL 1919


8.


Das Schicksal, das sich wie ein Maiskolben aus der trockenen Schale schälte, meinte es offensichtlich nicht gut mit Lamprecht. Es sah aus, als wäre den Lamprechts keine Zukunft in Triest beschieden. Nicht einmal Adina mit ihrer heiteren Art und ihrer Jugend konnte sich der Realität verweigern, die sie täglich spüren ließ, dass sie nicht nur Verlierer waren, sondern dass man sie hier nicht mehr wollte. Sogar beim Kirchgang wurden sie scheel angeschaut, als würden sie heidnischen Ritualen frönen und nicht zum selben Gott beten. Gaetano kam jetzt oft mit, wenn die Mutter oder der Vater in die Kathedrale von San Giusto gingen, um eine Kerze für Luisa und die anderen Opfer von Krieg und Seuchen zu spenden. Schon auf der Straße begegnete man ihnen verhalten, und Gaetano, der vor dem Krieg meist wie ein typischer Italiener aufgetreten war, erhielt oft nur ein stummes Nicken aus einem zu Boden gerichteten Blick als Erwiderung auf seine Grußworte. Man hatte nicht vergessen, dass der Vater glühender Monarchist gewesen war, für den Triest ebenso wie das Küstenland ein fixer Bestandteil einer gottgegebenen Ordnung war, der auf Erden der Kaiser in Wien vorzustehen hatte. Doch er hatte immer auch gute Kontakte zur italienischen Volksgruppe unterhalten und sich in seiner Funktion als leitender Angestellter der Bank genauso für deren Projekte eingesetzt. Diese einstigen Geschäftspartner hatten ihm viel zu verdanken, und das hatten sie nicht vergessen und machten sich für ihn stark. Doch es waren selten die einstigen Entscheidungsträger in Triest, die nun das letzte Wort hatten. Nach über einem halben Jahr der Aneignung begann sich das Königreich Italien nun auch in der Verwaltung mit den königlichen Beamten zu festigen, und es waren diese Beamten mit wenig Bezug zur Stadt und ihren Einwohnern, die die Schicksale von Familien wie den Lamprechts besiegelten.

»Sie haben heute den Wechselkurs festgesetzt. Für zehn Kronen bekommt man nur vier Lire. Wir werden beim Umtausch den Gutteil unseres verbliebenen Vermögens verlieren. Es ist aus.« Franz Lamprecht schüttelte den Kopf, der schlaffe Bart an den eingefallenen Wangen flatterte wie die weiße Fahne des Unterlegenen, der sich zu ergeben hat. Sie saßen in der Küche um den Tisch, da es dort beim Herd angenehm warm war. Die Öfen in den großen Räumen hatten sie schon länger nicht befeuert.

»Ich habe mich für drei Stellen beworben, doch bislang nur Absagen erhalten. Obwohl meine Qualifikation bestens ist, ziehen sie mir andere Bewerberinnen vor, die Italienerinnen sind.«

Mittlerweile erntete Adina keinen Protest mehr, wenn sie sich um eine Anstellung bemühte. Gaetano spürte, wie der Kloß in seinem Hals wuchs, er hatte auch keine Idee, wie die Familie aus dem Schlamassel kommen könnte. Die meisten Deutschen waren ja schon aus Triest weggezogen. Eine befreundete Familie aus Scorcola, die nach Wien übersiedelt war und mit der sie Briefkontakt hatten, berichtete nichts Gutes. Auch dort gab es wenig bis keine Perspektive für die Menschen. Hier in Triest hatten sie wenigstens das Haus, auch wenn der Vater in den letzten Wochen angedeutet hatte, es zur Not verkaufen zu wollen, um in dem Rest, der von Österreich geblieben war, einen Neuanfang zu versuchen. »Verhungern können wir da wie dort«, war seine Meinung zu dem Thema. Aber Adina und Gaetano waren sich darin einig, dass der Mutter eine Übersiedlung nach Wien unter diesen Umständen zu sehr zusetzen würde. Als sie seinerzeit in Wien gelebt hatten, waren seine Eltern nicht nur weit jünger, sie waren auch Teil der besseren Gesellschaft gewesen. Doch als Italienerin wäre sie nun für viele durch den Verrat des einstigen Bündnispartners an der Monarchie eine Mitschuldige am Niedergang.

»Ich werde mich nun intensiver um eine feste Anstellung bemühen. Eine, von der man eine Familie ernähren kann.« Mit seinen einunddreißig Jahren und als Mann war es selbstverständlich, dass Gaetano nun die Rolle des Ernährers zukam.

»Und was willst du tun? Was hast du, außer den wenigen Semestern Jus in Wien, gelernt?«

»Ich bin Polizist. Das kann ich und da hat mir mein Studium bislang immer geholfen«, antwortete Lamprecht trotzig und ballte die Hand zur Faust, als könnte er damit das Schicksal zwingen, etwas gnädiger mit ihnen zu sein.

Elodie Lamprecht legte ihrem Mann wieder einmal die Hand auf den Unterarm, diesmal war nicht ganz klar, ob sie ihn beruhigen oder nur bestätigen wollte. Die Diskussion um Gaetanos Karriere bei der Polizeidirektion schien mit dem Krieg obsolet, doch jetzt keimte sie neuerlich auf. Franz Lamprecht blieb gefasst und ruhig. Sein Kopfschütteln war nur als leichtes Vibrieren angedeutet, als er sagte: »Nein, du bist kein Polizist mehr, nicht bei der Polizei, die jetzt unsere Geschicke lenkt.«

»Da magst du recht haben, aber ich will es dennoch probieren.«

***

Spätnachts.

»Du bist zu laut, so geht das nicht.«

»Jetzt beruhige dich, es ist doch alles in Ordnung. Es hat sich doch schon länger keiner beschwert, oder?«

»Nein, das nicht, aber ich weiß, dass du da bist, und jedes Mal, wenn es irgendwo im Gebälk knackt, habe ich Angst, dass du plötzlich auftauchst.«

»Jetzt mach dich nicht verrückt, ich bin still wie ein Mäuschen.«

»Genau, und deswegen haben sie überall Mausefallen aufgestellt – weil Mäuse eben nicht still sind. Wie lange willst du außerdem noch abwarten?«

»Wir werden so lange abwarten, bis sich eine Chance für uns ergibt, das weißt du doch. Hör auf, unnötig kopfscheu zu werden. Ich hab dir gesagt, es wird sich irgendwann eine Gelegenheit für uns auftun. Wir müssen Geduld haben.«

»Pfaah! Geduld hatte ich mein ganzes Leben. Du siehst ja, was es mir eingebracht hat. Da ist dein Essen. Gehst du heute wieder aus?«

»Das weiß ich noch nicht.«

»Sei jedenfalls leise.«

»Wann immer ich gehe oder komme, schlafen hier alle. Auch du.«

»Ich hoffe, das bleibt auch so.«

***

Lamprecht hatte ein mulmiges Gefühl, als er abermals vor dem Gebäude stand, in dem sich bis vor wenigen Jahren im oberen Stock sein Büro befunden hatte. Er nahm sich ein Herz und trat ein. Sofort umfing ihn ein vertrauter Geruch. Das Rattern einer Schreibmaschine im Hintergrund erinnerte an die frühere Geschäftigkeit … Er schloss die Augen und atmete tief ein. Bilder blitzten in seiner Erinnerung auf, da war viel Vertrautes, da war …

»Che ci fa qui?«

Er riss die Augen auf und kam in der Realität an. Vorbei der Flug durch die Traumwelt. Er war im Nu auf dem Boden zerschellt, als sich ein Carabiniere vor ihm aufgebaut hatte und ihn fragte, was er hier wolle. Lamprecht betrachtete die schwarze Uniform, die so anders war als die Uniformen, die einst hier getragen wurden und die ihm freundlicher erschienen waren. Lamprecht setzte an und begann in breitestem Triestiner Dialekt: »Ich will in mein Büro, das mache ich hier.«

Der eher schmächtige Italiener, der gut einen halben Kopf kleiner als Lamprecht war und sein selbstsicheres Auftreten seiner Funktion verdankte, legte den Kopf schief und betrachtete Lamprecht wie einen sonderbaren Vogel, der einem bekannt vorkommt, den man aber nicht einordnen kann. Dann lächelte er schief und fragte: »Austriaco?«

Lamprecht gab sich geschlagen und nickte. Der Polizist klopfte ihm auf die Schulter und wirkte amüsiert, als er nun in fast akzentfreiem Deutsch sagte: »Tut mir leid, Kamerad, aber du kommst zu spät. Der Krieg ist aus und Österreich gibt es hier nicht mehr. Geh nach Hause.«

Lamprecht führte den Zeigefinger der Rechten an die Wange, doch da gab es keine Bartspitze mehr zwischen den Fingern zu drehen. »Das weiß ich doch, ich bin ja kein Idiot, aber ich war hier Ispettore bei der Polizei und will wieder als solcher arbeiten.«

Der Polizist grinste weiter, offenbar hatte er vor, sein Spiel mit Lamprecht zu treiben. Er boxte ihm sanft gegen die Brust. »Für die Langsamen, zu denen du zu gehören scheinst. Hier arbeiten keine österreichischen Beamten mehr, hier …«

»Vinciguerra!«, tönte es scharf von hinten und der Carabiniere erstarrte im selben Augenblick, als er laut seinen Namen hörte. Von hinten näherte sich ein anderer Uniformierter. Anhand des Kragenspiegels, ebenso wie an der Reaktion des kumpelhaften Polizisten konnte Lamprecht ableiten, dass es sich um einen Vorgesetzten handelte, der offenbar einen Teil des Geplänkels angehört hatte. Vinciguerra salutierte. Als der Offizier sie erreicht hatte, gab er dem Untergebenen den Befehl »Portalo dal comandante!«, und schon wurde Lamprecht in den ersten...

Erscheint lt. Verlag 28.8.2024
Verlagsort Wien
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte E-Auto • Faschismus • Fiat • Italien • Krimi • Polizei • Rennrad • Triest
ISBN-10 3-7117-5519-4 / 3711755194
ISBN-13 978-3-7117-5519-3 / 9783711755193
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