Letzte Worte (eBook)

Thriller | Ein weiterer spannungsgeladener Roman der SPIEGEL-Bestsellerautorin – Will Trent im Einsatz

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
512 Seiten
HarperCollins eBook (Verlag)
978-3-7499-0797-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Letzte Worte - Karin Slaughter
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Als Special Agent Will Trent in Grant Count ankommt, erwarten ihn eine Riege an Polizisten, die alles tun, um sich gegenseitig zu beschützen, und eine Vielzahl an offenen Fragen bezüglich des Todes eines Häftlings. Der vermeintliche Mörder hat gestanden - und sich dann in seiner Zelle umgebracht. Detective Lena Adams scheint ebenfalls Geheimnisse vor Will zu haben, und Gerichtsmedizinerin Sara Linton, Witwe des toten Polizeichefs Jeffrey Tolliver, ist davon überzeugt, dass Lena den geistig zurückgebliebenen Verdächtigen in den Selbstmord getrieben hat. Wem kann Will Trent noch trauen?



Karin Slaughter ist eine der weltweit berühmtesten Autorinnen und Schöpferin von über 20 New York Times-Bestseller-Romanen. Dazu zählen »Cop Town«, der für den Edgar Allan Poe Award nominiert war, sowie die Thriller »Die gute Tochter« und »Pretty Girls«. Ihre Bücher erscheinen in 120 Ländern und haben sich über 40 Millionen Mal verkauft. Ihr internationaler Bestseller »Ein Teil von ihr« ist 2022 als Serie mit Toni Collette auf Platz 1 bei Netflix eingestiegen. Eine Adaption ihrer Bestseller-Serie um den Ermittler Will Trent läuft derzeit erfolgreich auf Disney+, weitere filmische Projekte werden entwickelt. Slaughter setzt sich als Gründerin der Non-Profit-Organisation »Save the Libraries« für den Erhalt und die Förderung von Bibliotheken ein. Die Autorin stammt aus Georgia und lebt in Atlanta. Mehr Informationen zur Autorin gibt es unter www.karinslaughter.com

Prolog


Allison Spooner wollte in den Ferien aus der Stadt raus, aber sie wusste nicht, wohin sie fahren sollte. Es gab auch keinen Grund hierzubleiben, aber wenigstens war es billiger. Wenigstens hatte sie ein Dach über dem Kopf. Wenigstens funktionierte in ihrer Wohnung hin und wieder die Heizung. Wenigstens bekam sie in der Arbeit eine warme Mahlzeit. Wenigstens, wenigstens, wenigstens … Warum ging es in ihrem Leben immer um das Wenigste? Wann würde mal eine Zeit kommen, da es anfing, um das Meiste zu gehen?

Der Wind wurde stärker, und sie ballte in den Taschen ihrer dünnen Jacke die Fäuste. Es regnete kaum, es war eher ein feuchtkalter Dunst, der sich auf den Boden senkte, wie vor der Nase eines Hundes. Die eisige Kälte, die vom Lake Grant kam, machte es noch schlimmer. Sooft der Wind auffrischte, kam es ihr vor, als würden winzige, stumpfe Rasierklingen ihr die Haut ritzen. Eigentlich war man hier in South Georgia, nicht am verdammten Nordpol.

Während sie auf dem baumbestandenen Ufer nach sicherem Tritt suchte, kam es ihr vor, als würde jede Welle, die am Schlamm leckte, die Temperatur um ein weiteres Grad absenken. Sie fragte sich, ob ihre leichten Schuhe stabil genug waren, um Frostbeulen an ihren Zehen zu verhindern. Im Fernsehen hatte sie einen Mann gesehen, der alle Finger und Zehen an die Kälte verloren hatte. Er hatte gesagt, er sei dankbar, überhaupt noch am Leben zu sein, aber die Leute sagten doch alles, nur um ins Fernsehen zu kommen. So wie Allisons Leben im Augenblick lief, würde die einzige Sendung, in die sie es je schaffen würde, die Abendnachrichten sein. Man würde ein Foto zeigen – wahrscheinlich das grässliche aus ihrem Highschool-Jahrbuch – und daneben die Wörter »Tragischer Tod«.

Allison erkannte durchaus die Ironie der Tatsache, dass sie für die Welt tot wichtiger wäre. Lebend scherte sich niemand einen Dreck um sie – die wenigen Dollar, die sie gerade noch so zusammenkratzen konnte, der beständige Kampf, im Studium mitzukommen und zugleich all die anderen Verantwortlichkeiten in ihrem Leben zu bewältigen. Nichts davon würde für irgendjemanden von Bedeutung sein, außer sie landete erfroren am Seeufer.

Wieder frischte der Wind auf. Allison drehte der Kälte den Rücken zu, spürte, wie ihre eisigen Finger ihr in den Brustkorb stachen, auf die Lunge drückten. Ein Zittern lief durch ihren Körper. Ihr Atem stand als Wolke vor ihr. Sie schloss die Augen. Der Sprechgesang ihrer Probleme drang zwischen ihren klappernden Zähnen hervor.

Jason. Uni. Geld. Auto. Jason. Uni. Geld. Auto.

Das Mantra durchbrach den kalten Wind. Allison öffnete die Augen. Sie schaute sich um. Die Sonne ging schneller unter, als sie gedacht hatte. Sie drehte sich zum College um. Sollte sie zurückgehen? Oder sollte sie weitergehen?

Sie entschloss sich weiterzugehen und zog den Kopf gegen den heulenden Wind ein.

Jason. Uni. Geld. Auto.

Jason. Ihr Freund hatte sich, scheinbar über Nacht, in ein Arschloch verwandelt.

Uni. Sie würde vom College fliegen, wenn sie nicht mehr Zeit zum Studieren fände.

Geld. Sie würde sich kaum das Leben sichern, geschweige denn zur Uni gehen können, wenn sie ihre Arbeitsstunden noch weiter reduzierte.

Auto. Als sie es heute Morgen anließ, hatte es angefangen zu qualmen, was keine große Sache war, weil es seit Monaten qualmte, aber diesmal war der Rauch durch die Lüftungsschlitze ins Innere gedrungen. Auf der Fahrt zum College wäre sie beinahe erstickt.

Allison stapfte weiter und fügte ihrer Liste »Frostbeulen« hinzu, während sie um die Biegung des Sees ging. Wann immer sie blinzelte, hatte sie das Gefühl, ihre Lider würden durch eine dünne Eisschicht schneiden.

Jason. Uni. Geld. Auto. Frostbeulen.

Die Angst vor Frostbeulen schien am drängendsten zu sein, obwohl sie widerwillig zugeben musste, dass ihr, je mehr sie darüber nachdachte, umso wärmer wurde. Vielleicht schlug ihr Herz schneller, oder sie ging schneller, als die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwand und sie erkannte, dass ihr Jammern über den Tod in der Kälte Wirklichkeit werden würde, wenn sie sich, verdammt noch mal, nicht beeilte.

Allison stützte sich mit einer Hand an einem Baum ab, um ein Gewirr von Wurzeln zu überqueren, die im Wasser verschwanden. Die Rinde war feucht und fühlte sich unter ihren Fingerspitzen schwammig an. Ein Gast hatte heute Mittag einen Hamburger zurückgehen lassen, weil er meinte, das Brötchen sei zu schwammig. Es war ein kräftiger, schroffer Mann in voller Jagdausrüstung gewesen, von dem sie nie erwartet hätte, dass er ein Wort wie »schwammig« überhaupt in den Mund nehmen würde. Er hatte mit ihr geflirtet, und sie hatte zurückgeflirtet, und als er ging, gab er ihr bei seiner Rechnung von zehn Dollar ein Trinkgeld von fünfzig Cent. Er hatte ihr tatsächlich zugezwinkert, als er zur Tür hinausging, so als hätte er ihr einen Gefallen getan.

Was für ein Leben wollte Allison für sich? Ein Leben, wie es in ihrem Blut geschrieben stand. Ihre Mutter hatte so eines gelebt. Ihre Großmutter hatte es gelebt. Ihre Tante Sheila hatte es gelebt, bis sie eine Schrotflinte auf ihren Onkel Boyd richtete und ihm damit beinahe den Kopf abgeschossen hätte. Alle drei Spooner-Frauen hatten an dem einen oder dem anderen Punkt alles für einen wertlosen Mann weggeworfen.

Allison hatte es bei ihrer Mutter so oft miterlebt, dass sie zu der Zeit, als Judy Spooner zum letzten Mal im Krankenhaus war, ihr ganzes Inneres zerfressen vom Krebs, über nichts anderes mehr nachdenken konnte als über die Verwüstungen im Leben ihrer Mutter. Sie sah sogar verwüstet aus. Sie war erst achtunddreißig Jahre alt, doch ihre Haare wurden bereits schütter und grau. Ihre Haut war stumpf. Ihre Hände waren wie Klauen nach den Jahren der Arbeit in der Reifenfabrik – die Reifen vom Band nehmen, den Druck prüfen und sie wieder aufs Band legen, dann den nächsten Reifen und den nächsten und den nächsten, zweihundert pro Tag, bis jedes Gelenk in ihrem Körper schmerzte, wenn sie abends ins Bett kroch. Achtunddreißig Jahre alt, und der Krebs war ihr willkommen. Die Erlösung war ihr willkommen.

Das waren so ziemlich die letzten Worte, die Judy zu Allison gesagt hatte, dass sie froh sei zu sterben, froh, dass sie nicht mehr allein sein müsse. Judy Spooner glaubte an den Himmel und die Erlösung. Sie glaubte, dass eines Tages goldene Straßen und prächtige Häuser die Kieseinfahrt und den Wohnwagen im Trailer-Park ihres irdischen Lebens ersetzen würden. Allison glaubte nur, dass sie ihrer Mutter nie genug gewesen war. Judys Glas war immer halb leer, und all die Liebe, die Allison im Lauf der Jahre in ihre Mutter gegossen hatte, hatte sie nie ganz ausgefüllt.

Judy war viel zu tief im Dreck versunken gewesen. Der Dreck eines aussichtslosen Jobs. Der Dreck eines wertlosen Mannes nach dem anderen. Der Dreck eines Babys, das sie daran hinderte weiterzukommen.

Das College sollte Allisons Rettung sein. Sie war gut in den wissenschaftlichen Fächern. Wenn man ihre Familie betrachtete, schien das unverständlich, aber irgendwie begriff sie, wie Chemikalien funktionierten. Sie verstand die Grundlagen der Synthese von Makromolekülen. Die Kenntnis der synthetischen Polymere flog ihr praktisch zu. Und das Wichtigste: Sie konnte lernen. Sie wusste, dass es irgendwo auf der Welt ein Buch mit einer Antwort darin gab, und der beste Weg, diese Antwort zu finden, war, jedes Buch zu lesen, das sie in die Finger bekam.

Im Abschlussjahr der Highschool hatte sie es geschafft, sich von den Jungs und der Sauferei und dem Meth fernzuhalten, die Dinge, die so ziemlich jedes Mädchen ihres Alters in ihrer kleinen Heimatstadt Elba, Alabama, ruiniert hatten. Sie wollte nicht enden wie eines dieser seelenlosen, ausgelaugten Mädchen, die Nachtschicht arbeiteten und Kools rauchten, weil sie elegant aussehen wollten. Sie wollte nicht enden mit drei Kindern von drei verschiedenen Männern, bevor sie überhaupt dreißig Jahre alt wurde. Sie wollte nicht jeden Morgen aufwachen und die Augen nicht öffnen können, weil irgendein Mann sie in der Nacht zuvor verprügelt hatte. Sie wollte nicht tot und allein in einem Krankenhausbett enden wie ihre Mutter.

Zumindest hatte sie sich das so vorgestellt, als sie Elba vor drei Jahren verließ. Mr. Mayweather, ihr Naturwissenschaftslehrer, hatte alle Fäden gezogen, die er konnte, damit sie in einem guten College aufgenommen wurde. Er wollte, dass sie so weit wie möglich wegging von Elba. Er wollte, dass sie eine Zukunft hatte.

Grant Tech befand sich in Georgia, und es war, was die Entfernung anging, nicht so weit weg, wie es gefühlsmäßig weit weg war. Das College war riesig im Vergleich zu ihrer Highschool, die eine Abschlussklasse von neunundzwanzig Schülern hatte.

Allison hatte die erste Woche auf dem Campus mit der Frage zugebracht, wie es möglich war, sich in einen Ort zu verlieben. Ihre Klassen waren voll mit Jugendlichen, die mit einer Vielzahl von Möglichkeiten aufgewachsen waren und keinen Gedanken daran verschwendet hatten, nicht direkt nach der Highschool aufs College zu gehen. Keiner ihrer Kommilitonen kicherte höhnisch, wenn sie die Hand hob, um eine Frage zu beantworten. Sie glaubten nicht, man würde sich verkaufen, wenn man einem Lehrer tatsächlich zuhörte und versuchte, etwas anderes zu lernen, als sich künstliche Fingernägel aufzukleben und sich Haarverlängerungen einzuflechten.

Und die Umgebung des Colleges war hübsch. Elba war ein Elendsquartier, sogar fürs südliche Alabama. Heartsdale, die Stadt, in der die Grant Tech...

Erscheint lt. Verlag 20.8.2024
Reihe/Serie Georgia-Serie
Übersetzer Klaus Berr
Sprache deutsch
Original-Titel Broken
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bestseller • Georgia • Georgia / Atlanta • Georgia Serie • Karin Slaughter • Sara Linton • Spannung • Spiegel-Bestellerautorin • spiegel bestseller • thriller karin slaughter • thriller spannung • USA • Will Trent • Will Trent Karin Slaughter • will trent serie
ISBN-10 3-7499-0797-8 / 3749907978
ISBN-13 978-3-7499-0797-7 / 9783749907977
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