Wir finden Mörder (eBook)
432 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3286-4 (ISBN)
Richard Osman ist Autor, Produzent und Fernsehmoderator. Seine Serie über die vier scharfsinnigen und liebenswerten Ermittlerinnen und Ermittler des Donnerstagsmordclubs hat ihn über Nacht zum Aushängeschild des britischen Krimis und Humors gemacht. Für sein Debüt Der Donnerstagsmordclub wurde er bei den British Book Awards 2020 zum »Autor des Jahres« gewählt. Er lebt mit Frau und Katze in London.
Richard Osman ist Autor, Produzent und Fernsehmoderator. Seine Serie über die vier scharfsinnigen und liebenswerten Ermittlerinnen und Ermittler des Donnerstagsmordclubs hat ihn über Nacht zum Aushängeschild des britischen Krimis und Humors gemacht. Für sein Debüt Der Donnerstagsmordclub wurde er bei den British Book Awards 2020 zum »Autor des Jahres« gewählt. Er lebt mit Frau und Katze in London.
2
»Was mögen Sie nicht an sich?«, fragt Rosie D’Antonio. Sie treibt auf einem Schwimmsessel in Form eines Thrones in einem Pool in der Form eines Schwans. »Das frage ich alle als Erstes.«
Amy Wheeler sitzt bolzengerade auf einem Liegestuhl am Beckenrand, Sonne im Gesicht, ihre Waffe in Reichweite. Nett ist das hier in South Carolina. Zumindest auf diesem verborgenen Ableger von South Carolina. Temperaturen in den Mittzwanzigern schon früh am Morgen, eine leichte Atlantikbrise und zur Abwechslung mal niemand, der sie umzubringen versucht. Sie durfte zwar schon länger auf niemanden mehr schießen, aber gut, man kann nicht alles haben.
»Meine Nase, denke ich mal«, sagt Amy.
»Was stimmt nicht mit Ihrer Nase?« Rosie lässt die freie Hand ins Wasser hängen, im Mund einen nicht recyclebaren Strohhalm, durch den sie eine giftgrüne Flüssigkeit schlürft.
»Weiß nicht«, sagt Amy. Sie staunt, wie perfekt Rosie selbst im Pool geschminkt ist. Wie alt mag sie sein? Sechzig? Achtzig? Ein Rätsel. In ihrer Akte steht bei »Alter«: Angabe verweigert. »Sie sieht einfach falsch aus, wenn ich mich anschaue. Verkehrt.«
»Operieren lassen«, urteilt Rosie. »Größer, kleiner, was immer Sie sich einbilden. Das Leben ist zu kurz, um unter seiner Nase zu leiden. Hunger und Armut sind Probleme oder kein WLAN, aber doch nicht Nasen. Was noch?«
»Meine Haare«, sagt Amy. Sie ist gefährlich nahe dran, sich zu entspannen. Spürt schon die ersten warnenden Anzeichen. Entspannung ist nichts für Amy. Zu viel Zeit zum Nachdenken. Amy ist mehr eine Macherin. »Die fallen nie so, wie sie sollen.«
»Sieht man«, sagt Rosie. »Aber das kriegen wir hin. Ich habe diese Haartechnikerin, die ich einfliegen lasse – wo kommt sie gleich her? Chile, glaube ich. Fünftausend Dollar, und Ihr Problem ist gelöst. Keine Angst, das geht auf mich.«
»Und meine Ohren sind nicht symmetrisch«, legt Amy nach.
Rosie legt den Kopf schief und paddelt ein Stück näher, um Amy genauer zu betrachten. »Seh ich nicht. Sie haben einwandfreie Ohren. Wie Goldie Hawn.«
»Ich hab sie mit dem Lineal nachgemessen«, sagt Amy, »als ich noch in der Schule war. Es ist nur ein Millimeter, aber mich stört es nun mal. Und meine Beine sind zu kurz für meinen Oberkörper.«
Rosie nickt und planscht zurück in die Poolmitte, wo die Sonne am stärksten scheint. »Dann mal andersrum, Amy: Was mögen Sie an sich?«
»Ich bin britisch«, sagt Amy. »Ich mag überhaupt nichts an mir.«
»Gähn«, sagt Rosie. »Ich war auch mal britisch, aber das lässt sich abschütteln. Los, sagen Sie was.«
»Ich glaube, dass ich loyal bin«, sagt Amy.
»Das ist eine gute Eigenschaft«, befindet Rosie. »Für eine Leibwächterin.«
»Und durch meine kurzen Beine habe ich einen niedrigen Schwerpunkt«, sagt Amy. »Dadurch kann ich sehr gut kämpfen.«
»Wenn das nichts ist.« Rosie nickt. »Loyal und sehr gut im Kämpfen.«
Sie hält ihr Gesicht in die Sonne.
»Sollte mich diese Woche wirklich jemand zu erschießen versuchen, müssten Sie dann in die Schusslinie hechten?«
»Theoretisch schon«, sagt Amy ohne rechte Überzeugung. »Aber das passiert hauptsächlich in Filmen.«
Nach Amys Erfahrung ist es nicht leicht, rechtzeitig in die Schusslinie zu hechten. Kugeln sind einfach irrsinnig schnell.
»Oder in Büchern«, sagt Rosie. »Möchten Sie einen Joint? Ich dreh mir jetzt einen.«
»Besser nicht«, sagt Amy. »Maximum Impact verordnet uns vierteljährliche Blutuntersuchungen. Firmenpolitik. Der kleinste Hinweis auf Drogen, und ich bin gefeuert.«
Rosie stößt ein einsichtiges Schnauben aus.
Das hier ist nicht der aufregendste Job, den Amy je hatte, aber die Sonne scheint, und sie mag die Klientin: Rosie D’Antonio, die weltweit meistgelesene Autorin, »wenn man Lee Child mal weglässt«, in ihrer maurischen Villa auf ihrer Privatinsel direkt vor der Küste South Carolinas. Mit eigenem Koch sogar.
Aus diversen operativen Gründen musste Amy einmal einen knappen Monat in einer aufgelassenen syrischen Ölpipeline ausharren, da ist das hier entschieden ein Aufstieg. Der Koch bringt ihr einen Teller mit Räucherlachsblinis. Er ist eigentlich gar kein Koch, sondern ein ehemaliger Navy SEAL namens Kevin, aber er lernt schnell. Sein Bœuf Bourguignon gestern Abend war zum Niederknien. Rosies richtiger Koch hat zwei Wochen Urlaub. Amy, Rosie und Kevin, der Ex-Navy SEAL, sind die einzigen Menschen auf der Insel, und so soll es fürs Erste auch bleiben.
»Niemand darf also Hand an mich legen«, resümiert Rosie. Sie hat sich an den Beckenrand gepaddelt und dreht sich eine Zigarette. »Außer natürlich ich selbst.«
»Nicht, solange ich hier bin«, sagt Amy.
»Aber jemand könnte versuchen, mich zu erschießen«, fährt Rosie fort. »So, wie die heutige Welt nun mal ist, und so weiter, blabla. Wenn es also jemand versucht, werfen Sie sich bitte nicht in die Schusslinie, verstanden? Nicht wegen mir. Lassen Sie die Alte ruhig draufgehen.«
Amys Arbeitgeber, Maximum Impact Solutions, ist die weltgrößte Personenschutz-Agentur, vielleicht die zweitgrößte, seit Henk van Veen gegangen ist und den halben Kundenstamm mitgenommen hat. Wenn jemand Sie bestiehlt oder Sie umbringen will oder wenn es Unruhen in Ihrer Privatarmee gibt, ist das die Adresse Ihrer Wahl. Maximum Impact Solutions hat viele Devisen, aber »Lass die Alte ruhig draufgehen« gehört nicht dazu.
»Verlassen Sie sich drauf, dass ich das nicht tun werde«, sagt Amy.
Sie erinnert sich gut an Rosies Fernsehauftritte, als sie selbst noch ein Kind war. Diese Schulterpolster, dieses Flair. Es hat Amy viel bedeutet zu sehen, wie stark man als Frau sein kann – in einer Zeit, als sie sich Nacht für Nacht zum Schlafen unter ihrem Bett zusammenkauerte und um bessere Zeiten betete. Solange Amy Wache hält, wird Rosie nicht sterben.
»Was ist das für ein Akzent?« Rosie zieht an ihrem Joint. »Süß klingt das. Manchester?«
»Watford«, sagt Amy.
»Ups«, sagt Rosie. »Ich bin schon zu lange weg. Erzählen Sie mir was über Watford.«
»Es ist eine Stadt«, sagt Amy. »In England.«
»Das weiß ich auch, Amy. Ist es hübsch da?«
»Das wäre jetzt nicht das Wort, das mir als Erstes einfällt«, sagt Amy. Sie freut sich schon darauf, später bei Steve anzurufen, ihrem Schwiegervater. Es ist Freitag, da sollte er zu Hause sein. Von Rosie zu hören wird ihm Spaß machen. Starke Frauen waren immer sein Fall. Vielleicht werden sie es eines Tages ja wieder sein.
Bei starken Frauen muss Amy an Bella Sanchez denken. Und bei Bella Sanchez muss sie an Mark Gooch denken. Und bei Mark Gooch …
Und da beginnt das Problem auch schon, Amy, nicht wahr? Sobald du dich entspannst, fängst du zu denken an. Als ob irgendetwas davon deine Angelegenheit wäre. Hör auf zu denken, das tut dir nicht gut. Hau um dich, tritt Gaspedale durch, entschärfe Sprengkörper, aber lass um Gottes willen das Denken sein. Du bist nicht mehr in der Schule!
»Die Engländer sind schon ein komisches Volk«, sagt Rosie. »In den Achtzigern haben sie mich geliebt, in den Neunzigern dann gehasst, in den Nullerjahren hatten sie mich vergessen, in den Zehnerjahren haben sie mich neu entdeckt, und jetzt lieben sie mich wieder. Und ich hab mich die ganze Zeit kein bisschen verändert. Haben Sie mal ein Buch von mir gelesen, Miss Bodyguard?«
»Nein«, lügt Amy. Den Menschen, der nichts von Rosie D’Antonio kennt, gibt es nicht. Amy liest ihre Bücher, seit sie ein Teenager war. Eine Sozialarbeiterin hat ihr damals das erste zugesteckt, mit einem Finger an den Lippen, der klarstellte: Das hier war heiße Ware, ihr kleines Geheimnis. Und was für ein Geheimnis! Gewalt und Glamour, superschicke Kleider, Ströme von Blut. Schulterpolster und Gift. Aber bei einer Kundin darf man sich nicht als Fangirl outen. Kugeln scheren sich nicht darum, wie berühmt jemand ist. Und das ist eine Devise von Maximum Impact Solutions.
Auf dem Flug gestern hat Amy Der Tod spielt am Abzug wiedergelesen. Es ist auch verfilmt worden, mit Angelina Jolie, aber das Buch ist besser. Knarren, Sex mit Millionären. Themen, mit denen Amy etwas anfangen kann.
»Sind Sie verheiratet?«, fragt Rosie sie. »Kinder?«
»Verheiratet ja, Kinder nein«, sagt Amy.
»Und ist er nett? Ihr Mann?«
»Doch, schon.« Amy denkt an Adam. »So nett, wie es für mich eben passt. Ich mag ihn.«
Rosie nickt. »Das ist eine gute Antwort. Macht er sich Sorgen um Sie?«
»Er mag es nicht, wenn auf mich geschossen wird«, sagt Amy. »Und in Marokko ging mal einer mit dem Schwert auf mich los, da hat er geweint.«
»Und Sie? Haben Sie auch geweint?«
»Ich habe mir das Weinen abgewöhnt, als ich zwölf war«, sagt...
Erscheint lt. Verlag | 31.10.2024 |
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Reihe/Serie | Wir finden Mörder-Serie |
Übersetzer | Sabine Roth |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Autor • Bestseller • Dan Brown • Der Donnerstagsmordclub • Detektiv • England • Ermittler • Großbritannien • Hobby • James Bond • Karibik • Krimi • Neu • Pension • Ruhestand • Sakrileg • Schwiegertochter • Schwiegervater • Thriller |
ISBN-10 | 3-8437-3286-8 / 3843732868 |
ISBN-13 | 978-3-8437-3286-4 / 9783843732864 |
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