40 Jahre "Der Hexer" (eBook)

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2024 | 1. Aufl. 2024
160 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-7425-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

40 Jahre "Der Hexer" - Wolfgang Hohlbein
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Wir schreiben das Jahr 1883. Vor der Küste Schottlands erleidet ein Viermaster Schiffbruch. Nur wenige Menschen überleben die Katastrophe. Unter ihnen ein Mann, der gejagt wird von uralten finsteren Göttern ...

So begann im Juli 1984 eine Saga, die schnell Kultstatus erlangte und dazu beitrug, dass ihr Autor Wolfgang Hohlbein zu einem der bekanntesten Vertreter der Phantastik in Deutschland wurde. 40 Jahre später ist es Zeit für Robert Craven, in ein brandneues Abenteurer zu ziehen, das die bislang unbekannte Vorgeschichte zum Serienstart erzählt. Daneben präsentiert dieses Jubiläumsbuch Artikel, Fotos, Erinnerungen, Interviews und viele Hintergrundinfos rund um den HEXER und Wolfgang Hohlbein!

Dem Meister auf der Spur


Wolfgang Hohlbein, der meistgelesene Schriftsteller der Phantastik im deutschsprachigen Raum, und sein Alter Ego Robert Craven.

Eine biographische Spurensuche von Sophie Reyer, Dieter Winkler
und Wolfgang Liemberger.

Prolog: Wer ist Wolfgang Hohlbein als Künstler und Persönlichkeit?


Das Genre der Phantastik boomt unaufhörlich, und ein Ende ist nicht abzusehen. Spin-Offs von George R.R. Martins »Game Of Thrones« und J.R.R. Tolkiens »Lord Of The Rings« oder die Amazon-Serie »Hohlbeins ›Der Greif‹« sind nur die Spitze des Eisbergs. Dabei hat niemand dieses Genre im deutschsprachigen Raum so stark geprägt wie Wolfgang Hohlbein. Geboren 1953 in Weimar, gilt er als Wegbereiter neuer deutscher Phantastik und Fantasy, deren Tore er in allen Facetten für eine breite Leserschaft neu »aufgestoßen« und damit eine Welle ins Rollen gebracht hat, die bis heute anhält. »Der erfolgreichste Schriftsteller Deutschlands« (Deutschlandfunk) ist mit weit über 200 Romanen und einer Gesamtauflage von 50 Millionen Bu¨chern der auflagenstärkste und meistgelesene deutsche Phantastik-Autor der Gegenwart. Seine zahlreichen Auszeichnungen erstrecken sich vom »Preis der Leseratten des ZDF« (1983) u¨ber den »Deutschen Phantastik Preis« (2006) bis zum internationalen Literaturpreis »Nyx« (2012).

Wolfgang Liemberger und Sophie Reyer zu Gast bei Hohlbeins 70. Geburtstag

Sowohl in Zahlen als auch in der Vielseitigkeit seines Werkes kommt Wolfgang Hohlbein eine einzigartige Stellung im Literaturbetrieb zu: Seine Romane decken alle Genres der phantastischen Literatur ab, von teils märchenhaften Jugendbucherfolgen wie »Ma¨rchenmond« oder »Der Greif« u¨ber die Nibelungensage in »Hagen von Tronje«, übersinnliche Abenteuer (»Das Druidentor«), Mystery-Thriller (»Azrael«), Historienromane (»Die Tochter der Himmelsscheibe«) bis hin zu Horror à la Lovecraft (»DER HEXER«, »Wyrm«, »Genesis«) und den Dark-Fantasy-Zyklen »Die Chronik der Unsterblichen« und »Enwor«.

Seine Werke wurden in den letzten Jahren für zahlreiche Hörbücher sowie für Bühne und Leinwand adaptiert, vom Familienmusical »Märchenmond« über die Rockoper »Chronik der Unsterblichen – Blutnacht« bis zum Kinofilm »Die Wolf-Gäng«, der inzwischen erfolgreich in den Streaming-Diensten läuft. In 2023 gestartet ist die aufwendig produzierte Amazon-Prime-Serie »Hohlbeins ›Der Greif‹«, dicht gefolgt vom Constantin-Kinofilm plus RTL-Serie zu »Hagen von Tronje«, die ab 2025 über RTL+ verfügbar sein soll.

1. Wolfgang Hohlbein – ein Erzähler entwickelt sich


Geboren wurde der Geschichtenerzähler in der Goethestadt Weimar, aufgewachsen ist er am Niederrhein – dort, wo seinerzeit die Kappesbueren Weißkohl (auch »Kappes« genannt) anbauten. »Kappes erzählen« bedeutet in der Gaunersprache des Rotwelschen so viel wie »Unsinn« oder »Unfug reden«. Womit wir auch schon beim Thema wären. Denn zugegeben: Die Redewendung passt zu dem jungen, eher zart gebauten Wolfgang, der in den 1960er-Jahren in Meerbusch-Osterath bei Düsseldorf die Grundschule besuchte und sich für Science Fiction und die gerade beginnende Fantasy- und Hardrock-Szene interessierte – also all das, was die Wirtschaftswundergeneration seinerzeit misstrauisch beäugte und für »Kappes« hielt. Später änderte sich das, und man warf Wolfgang Hohlbein Eskapismus vor – also die Flucht vor der Wirklichkeit. Aber ganz im Ernst: Laufen wir nicht alle manchmal ganz gerne vor der Realität davon?

Zu Wolfgangs Wirklichkeit jedenfalls gehörte es, dass sein Vater als KFZ-Meister bei Iseki arbeitete – einer japanischen Firma, die die Fertigung von Porsche-Diesel-Traktoren übernahm und deren deutsche Erfolgsgeschichte in den 1960er-Jahren nur ein paar hundert Meter von Wolfgangs Elternhaus begann. Dass japanische Unternehmen in Deutschland Fuß zu fassen versuchten, war neu, ebenso wie harte oder bombastische Klänge in der Rockmusik: Deep Purple, Led Zeppelin, Black Sabbath, aber auch der Schockrocker Alice Cooper und Pink Floyd faszinierten Wolfgang und seine Clique, zu der auch sein späterer Co-Autor und Manager Dieter Winkler gehörte – einem seiner besten Freunde, der sein Schaffen stark mitgeprägt hat.

Eines ist sicher: Ohne Reckturnen wäre es zu der künstlerisch fruchtbaren Freundschaft zwischen dem zwölfjährigen Wolfgang und dem zehnjährigen Dieter nicht gekommen. Damals gab es noch keine Hauptschulen, sodass man seine neun Schuljahre an der Volksschule verbrachte. Wolfgang hatte zuvor am Fichte-Gymnasium Krefeld die fünfte Klasse besucht, aber eine äußerst schlechte Note in Sport und ein solides Mangelhaft in Mathematik kassiert. Damals bedeutete dies das Aus für Fünftklässler, und statt ihn auf die Realschule zu schicken, entschieden Wolfgangs Eltern, dass er die Volksschule besuchen sollte: Schließlich konnte man auch damit etwas »Besseres« werden (was Eltern damals generell ungeheuer wichtig war), nämlich ein Industriekaufmann, der sich nicht »die Hände schmutzig machen muss«.

Doch zurück zum Fünftklässler Wolfgang am Fichte-Gymnasium. Rechnen war für ihn kein Problem, aber die Lehrsätze wollten einfach nicht in seinen Kopf: Er verstand nicht, welcher tiefere Sinn dem Satz des Pythagoras zugrunde liegt, wollte nicht bloß stumpfsinnig irgendwelche Formeln aufsagen, sondern begreifen, was sich hinter ihnen verbirgt. Eine solche Haltung stößt auch heute noch gerne auf Widerstände der Etablierten, damals aber bezeichnete man so etwas von oben herab als »altklug« oder »frech« – schließlich hatte man sich an das zu halten, was die Erwachsenen vorgaben.

Das war und ist nicht Wolfgangs Sache. Er war eher schüchtern und ruhig und sah jünger aus, als er war – aber in seinem Herzen war er ein kleiner Rebell. Eine Grundhaltung, die auch sein Werk prägt und ihn heute zu einem Menschen macht, der sich nicht den Mund verbieten lassen will.

Auf der Volksschule Osterath gelandet, wollte es der Zufall, dass die Schule 1966 verschiedene Jahrgangsstufen im Sportunterricht zusammenlegte. Es war Geräteturnen angesagt, und zur besonderen Unfreude von Wolfgang und Dieter ausgerechnet am Reck, worauf die beiden ungefähr so viel Bock hatten wie auf den Verzehr scharfer Chilischoten.

Sie waren beide nicht sonderlich beliebt bei ihren Mitschülern – Nerds halt, wie man sie heute bezeichnen würde –, und so hielten sie sich einfach abseits und unterhielten sich, während die anderen ihre Rollen und Schwünge absolvierten. Dabei stellte sich heraus, dass sie eine große Leidenschaft miteinander teilten: Science Fiction!

2. Kleiner Hochbegabter


Eine andere schulische Szene ist den beiden Freunden prägend in Erinnerung geblieben: Wolfgang, hinten in der Klasse sitzend, wurde vom Lehrer aufgefordert, seine Hausaufgabe, einen Aufsatz, vorzutragen. Er stand auf, räusperte sich – und die Worte flossen wie von selbst aus ihm heraus. Es kam Wolfgang in jener Deutschstunde beinahe so vor, als würde ihm jemand die Worte ins Ohr flüstern, während er sie sprach – jemand, den er bereits zu kennen glaubte und dessen Bedeutung sich in den kommenden Jahren zunehmend verstärken würde.

Wolfgang mit 18, maximal cool

Dieser Jemand sollte später zu Robert Craven werden, der Hauptfigur seiner frühen Heftromanserie DER HEXER. Doch dazu mehr in den nächsten Kapiteln. Für den Aufsatz kassierte Wolfgang jedenfalls eine Eins mit dem mahnenden Hinweis, dass die Arbeit doch etwas lang geraten sei. (Diese Aussage sollte er in den nächsten Jahrzehnten immer wieder von Lektoren und Verlegern hören.) Als Wolfgang in der Pause Dieter davon erzählte, verriet er grinsend den eigentlichen Clou: Er hatte die Hausaufgabe gar nicht gemacht, sondern sein Heft irgendwo aufgeschlagen und die Geschichte im selben Moment erfunden, in dem er sie vortrug. Dass Dieter dies ein paar Jahre später im Französisch-Unterricht ebenfalls versuchte, dabei aufflog und eine Sechs wegen Betrugsversuchs kassierte, ist eine andere Geschichte.

Das Erfinden packender Plots in mitreißender Sprache scheint also von jeher eine große Begabung Wolfgang Hohlbeins gewesen zu sein. Dass Bücher in andere Welten entführen und dabei helfen, die Langeweile in der realen zu ertragen, begriff Wolfgang früh – und seine Lieblingsautoren wurden bald schon die wichtigsten Lehrer für ihn, in deren Werke er sich vertiefte und an denen er sich sprachlich abrieb.

Was für ein Glück auch, dass er eine Schwester hatte, die Wolfgang unwissentlich mit der »Droge Lesen« in ihrer epischen Form bekannt machte, indem sie ihm ein Buch aus Karl Mays »Winnetou«-Reihe schenkte. »Schlauerweise nicht den ersten Band!«, erinnert sich der Autor heute ironisch grinsend im aktuellen HEXER-Interview. Aber es gab ja Bücherläden. So fing der junge Hohlbein Feuer und erwarb nach und nach alle Bände von Karl Mays packenden Wild-West-Fantasien.

Erster Lesestoff: Winnetou III

Mag sein, dass sich an den langen Leseabenden hin und wieder Robert Cravens Stimme in sein Hirn schlich und ihm geheimnisvolle Worte von Spiegelscherben, die wie magische Briefe aus der Anderswelt sind, zuwisperte. Doch dazu später. Jetzt galt es erst einmal, Winnetous Welt zu entdecken – und mit ihr das Reisen in die eigene Fantasie.

Karl May also war es, der Wolfgang Hohlbein breit ausgestaltete Fantasie-Welten nahebrachte – doch das war erst der Anfang einer großen und sehr spannenden Suche. Denn bald schon packte Hohlbein die Begeisterung für ein weiteres Genre: Science-Fiction. So traten nach und nach Jules Vernes,...

Erscheint lt. Verlag 20.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Horror
ISBN-10 3-7517-7425-4 / 3751774254
ISBN-13 978-3-7517-7425-3 / 9783751774253
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