Johann Heinrich Voß - Luise. Ein ländliches Gedicht in drei Idyllen. -  Thomas F. Rohwer

Johann Heinrich Voß - Luise. Ein ländliches Gedicht in drei Idyllen. (eBook)

Vollständige, editierte und neu gesetzte Neuausgabe
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2024 | 1. Auflage
134 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7598-4221-3 (ISBN)
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Johann Heinrich Voß' Versepos »Luise. Ein ländliches Gedicht in drei Idyllen.« erschien zum ersten Mal in den Jahren 1783 und 1784. Voß (1751-1826), Dichter, Übersetzer und Hochschullehrer Hochschullehrer in Göttingen, Hamburg, Eutin, Jena und Heidelberg, verfasste das Werk in ungereimten Hexametern. Die erste Buchausgabe aller drei Teile erfolgte 1795. Die Ausgabe letzter Hand von 1807, die dieser Neuausgabe zugrunde liegt, beginnt mit einer Widmung an Peter Friedrich Ludwig, den Regenten des Herzogtums Oldenburg, der darin als »Vater Eutins« angesprochen wird, wo Voß lebte, als er »Luise« verfasste. Im ersten Teil wird der 18.Geburtstag von Luise, der Tochter des Dorfpfarrers von Grünau, beschrieben, auf dem sie den Theologiestudenten Walter kennen lernt. Im zweiten Teil ist Walter inzwischen Pfarrer in Seldorf und mit Luise verlobt. Im dritten Teil findet die Hochzeit derbeiden statt. »Luise« ist eine detailreiche Beschreibung des Lebens einer bürgerlichen Familie im Holsteinischen des späten 18.Jahrhunderts. Vollständige, editierte und neu gesetzte Neuausgabe.

Thomas F.Rohwer beschäftigte sich als Journalist mehrere Jahrzehnte besonders auch mit Militär- und Marine-Themen und berichtete u.a. auch aus verschiedenen Krisen- und Kriegsgebieten in aller Welt. In der Kleinen Maritimen Bibliothek veröffentlicht er neu herausgegebene und editierte Klassiker der Marine-Literatur.

Luise. Erste Idylle.


Das Fest im Walde. 


Draußen in luftiger Kühle der zwo breitlaubigen Linden,
Die, von gelblicher Blüte verschönt, voll Bienengesurres,
Schattend der Mittagsstub’, hinsäuselten über das Moosbach,
Hielt der redliche Pfarrer von Grünau1 heiter ein Gastmahl,
Seiner Luise zur Lust, hausväterlich prangend im Schlafrock.
Sechs Schilfsessel umstanden den Steintisch, welche der Hausknecht
Heimlich geschnitzt, als Ehrengeschenk zu der Jungfer Geburtstag,
Gastliche; doch für den Herrn ein wohlansehnlicher Lehnstuhl.
Sorglos daß nach dem Mahle der Greis fort, sich und die andern
Mit lehrreichem Gespräch zu erfreuen, und mancher Erzählung.
Küchlein, zahm wie die Mutter, das Perlhuhn pickten der Jungfrau
Brot aus der Hand; weil ferne der trotzige Hahn mit den Weibern
Harrte des Wurfs, und die Taube vom Dach, und der kollernde Puter2.
Nachbarlich dort im Schatten des blütenbodigen Flieders3
Nagte des Festmahls Knochen Packan, und murrete seitwärts
Gegen die lauernde Kaz’, und schnappte sich sumsende Fliegen.
Aber Mama, sanftlächelnd der wohlbekannten Erzählung,
Zupfte geheim Luisen, die neben ihr saß, an dem Ermel,
Neigt’ ihr nahe das Haupt, und begann mit leisem Geflister:

Gehn wir noch in den Wald, mein Töchterchen? Oder gefällt dirs,
Weil die Sonne so brennt, in der Geißblattlaub’ an dem Bache
Deine Geburt zu feiern? Du blickst ja so scheu und erröthest.

Hold erstaunte der Red’, und sprach, das rosige Mägdelein:
Nicht in der Laube, Mama! Das Geißblatt duftet des Abends
Viel zu streng’, und zumal mit den Linien und der Reseda4
Dufte vermischt; auch schwärmen so wild an dem Bache die Mücken.
Lieblich scheint ja die Sonn’, und am waldigen Ufer ist Kühlung.

Beifall nickte die Mutter. Da war die Erzählung geendigt;
Rasch nun wandte zum Manne das Wort die verständige Hausfrau:

Väterchen, danken wir Gott? Luise begehrt den Geburtstag
Lieber im Wald’, als unten am Bach in der Laube zu feiern.
Lieblich scheint ja die Sonn’, und am waldigen Ufer ist Kühlung.
Jezo mein Rath. Herr Walter, der mutige Karl und Luise
Gehn voran, und wählen den Ort, und suchen uns Brennholz. –
O daß der steife Besuch abhält auf dem Schlosse die Herrschaft,
Mutter und Tochter zugleich! Mit Amalia wäre der Gang doch
Lustiger; hell dann tönt’ in den Waldungen eures Gesanges
Nachhall! – Abr wir beiden Gemächlichen fahren den Richtweg
Über den See. Der Verwalter, das wissen wir, leiht zum Geburtsfest
Gerne den Kahn. Doch wünscht’ ich, daß unser Papa noch ein wenig
Schlummerte. Mittagsschlaf ist ein Labsal ältlicher Hausherrn,
Wann heiß werden die Tag’, und die blühende Bohne betäubet.

Drauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:
Hört er, mein Sohn, wie sie waltet, die Herrscherin? Aber ich muß schon
Folgsam sein; denn es gilt den Geburtstag meiner Luise.
Kinder, wir beten zu Gott dem unendlichen! Betet mit Ehrfurcht.

Dieses gesagt, entblöße der redliche Vater die Scheitel,
Glänzend kahl, und umringt von schneeweiß prangendem Haare,
Senkte den Blick demüthig, und sprach, mit gefalteten Händen:

Lieber Gott, der du alles, was lebt, mit Freud’ und Erquickung
Sättigest, höre den Dank, den deine Kinder dir stammeln.
Wir sind Staub. O beschirme, wenns frommt, in dem Leben der Prüfung
Uns vor Trübsal und Gram, wie vor üppigem Stolz und Leichtsinn.
Gib uns tägliches Brot, und unseres; bis wir den eitlen
Sorgen entrückt, als bewähre zu deiner Herlichkeit eingehn. –
Meine Kinder, ich wünsch’ euch eine gesegnete Mahlzeit.

Also der Greis; da nahten sie all’, und küßten den Mund ihm
Dankend; es küßt’ ihn umarmend die rosenwangige Tochter!
Dann an die Wang’ geschmiegt, liebkoste sie. Aber mit Inbrunst
Herzte der Greis sein freundliches Kind, auf dem Schooße sie wiegend.
Beid’ an der Hand nun fassend die Fremdlinge, sagte die Mutter:

Seid ihr auch satt, ihr Lieben? Nur Bauernkost war es freilich,
Und kein gräflicher Schmaus; doch hoffen wir, Freunde des Hauses
Wissen ein ländliches Mahl zu entschuldigen. Trinken wir jetzt noch
Kaffee hier? Vornehme genießen ihn gleich nach der Mahlzeit.

Ihr antwortete drauf der edle bescheidene Vater:
Herzlich danken wir, liebe Mama, für die schöne Bewirtung.
Machen Sie Karl nicht roth. Gut sein ist besser, denn vornehm.
Säße bei solchem Mahle der Ländlichkeit selbst auch der Kaiser,
Unter dem Schatten der Bäum’, in so traulicher lieber Gesellschaft;
Und er sehnte sich ekel zu Höflingsstand’ und des Mundkochs
Mischungen heim: so verdient’ er an Leib und Seele zu hungern!
Besser, wir gehen ungesäumt in den Wald; und landet der Kahn an,
Flugs, nach altem Gebrauch der Familie, kochen wir sämtlich
Unter dem hangenden Grün weißstämmiger Birken den Kaffe.
Karl kocht großmüthig für uns; ihm macht er nur Wallung.

Aber es schalt der Vater, und rief die eifernden Worte:
Ei mit der unstatthaften Entschuldigung! War denn der Reißbrei
Angebrannt? und der Wein auf dem Reißbrei nüchtern und kahnig?
Waren nicht jung die Erbsen und frisch, und wie Zucker die Wurzeln5?
Und was fehlte dem Schinken, den Häringen oder der Spickgans6? 
Was gebratenen Lamm, und dem kühlenden röthlichgesprengten
Kopfsalat? War der Essig nicht scharf, und fein das Provinzöl7?
Nicht weinsauer die Kirsche Dernat8, nicht süß die Morelle?
Nicht die Butter wie Kern, nicht zart die rothen Radieschen?
Was? und das kräftige Brot, so weiß und locker! O schändlich,
Wenn man Gaben von Gott aus Höflichkeit also verachtet!
Lieber Sohn, da nehm’ er die Dirn’ an den Arm und sogleich mir
Fort in den Wald! Komm her, mein Mütterchen, daß ich dich küsse!

Sprach’s, und zog sie heran; und das Mütterchen folgte willig.
Dennoch verwies ihm solches die gute verständige Hausfrau:

Schilt nicht, böser Papa! man fragt ja wohl so ein Wörtchen,
Wie es die Weise verlangt und Artigkeit. Aber wohlan nun,
Schlummere kühl und ruhig im Kämmerlein. Jungfer Susanna
Hat mit Pfeffer und Milch die Fliegen getränkt, auch das Mäuschen
Hübsch in die Falle gelockt, und den Alkov9 fleißig gelüftet.

Jene sprach’s, und führte^den lieben Gemahl in die Kammer,
Hinten hinaus, wo es frisch anathmete; legt’ auf der Ruhbank
Ihm sein Polster zurecht, und schloß die dunkle Gardine;
Während die Magd des Mahles Geräth und die festlichen Gläser
Eintrug, sammt dem Gedeck von schöngewebetem Drillich.

Jetzo eilte der Knecht mit dem Auftrag zu dem Verwalter,
Daß für der freundlichen Jungfer Geburtstag jener gefällig
Liehe den Kahn, der, sicher gebaut am Strande der Ostsee,
Auslief, selbst wann es wallte, zur Lustfahrt, oder zum Angeln.
Hans nun sagte kein Wort; da erwiederte rasch der Verwalter:

Fordere Kahn, und was ich vermag; ich gewähr’ es der Jungfrau!
Sprach’s, und lange den Schlüssel dem eilenden. – Aber die Jungfrau
Faßte, dieweil Karl drängte, den Arm des bescheidenen Jünglings;
Und um die rauschende Schleuse der Mühl’ in das grasige Seethal
Lenkten sie fröhlich den Gang. An das Mägdeleins Fuße geschmieget,
Weht’ ihr weißes Gewand mit rosenfarbenen Schleifen;
Seidener Flor umwallte verrätherisch Busen und Schultern,
Vorn mit der knospenden Rose geschmückt; ihr freundliches Antlitz;
Schirmte, gekränzt mit Tremsen10, der fein geflochtene Strohhut.
Unter ihm floß in den Wind des dunkelen Haares Geringel,
Glänzend am Licht, nachlässig vom rosigen Bande gefesselt.
Weiß aus bräunlicher Klappe des Handschuhs blickte die Rechte,
Rundlich und zart, oft kühlend mit taftenem Fächer das Antlitz,
Und wie die Link’ im Arme des Jünglings ruhte, so spielten
Leis’ in der Hand ihm die warmen und niedlichen Finger des Mägdeleins.
Schauer der Wonn’ umströmt’ ihm das Herz; bang athmend und sprachlos
Drückt’ er die kleine Hand, durchfaltet mit bebenden Fingern.

Also wandelten beide durch Gras und blumige Kräuter,
Langsam; Grillengeschwirr war ringsher; und wie erblödet
Sannen sie, scheu zu begegnen dem Blick, und redeten wenig.
Als sie nunmehr, oft seufzend, das schwülere Thal durchwandert,
Unten am Zaun, wo die Quell’ aus dem Sandberg roth und morastig
Zwischen binsigen Bulten11 und Schafthalm träger hinabfloß;
Dort an der leitenden Hand des Jünglings hüpfte die...

Erscheint lt. Verlag 16.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-7598-4221-6 / 3759842216
ISBN-13 978-3-7598-4221-3 / 9783759842213
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