Sparta -  Ernst Baltrusch

Sparta (eBook)

Geschichte, Gesellschaft, Kultur
eBook Download: EPUB
2024 | 6. Auflage
128 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-82112-7 (ISBN)
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Das antike Sparta gilt weithin als Inbegriff von Disziplin und militärischer Exzellenz. Der vorliegende Band ergänzt dieses eindimensionale Bild, indem er einen größeren Fokus auf Kultur, Alltag, Religion und die Frauen des griechischen Stadtstaates legt. Darüber hinaus bietet er auch eine gut lesbare Übersicht über die wichtigsten historischen Ereignisse, in die die Großmacht Sparta verwickelt war

Ernst Baltrusch lehrt als Professor für Alte Geschichte an der Freien Universität Berlin. Sein besonderes Interesse gilt dem griechischen Völkerrecht und der Geschichte der Juden in der Antike.

I. Die Stadtwerdung Spartas und der Mythos Lykurg


Sparta liegt im Süden der griechischen Halbinsel «Insel des Pelops», der Peloponnes, in Lakonien, einer Ebene des Flusses Eurotas (ca. 200 m über dem Meeresspiegel), der in Arkadien entspringt und in den Lakonischen Meerbusen einmündet. Eingerahmt ist diese Ebene von zwei Gebirgsketten, dem Taygetos im Westen (höchste Erhebung: 2407 m) und dem Parnon im Osten (1937 m); im Norden Spartas beginnt das arkadische Hochland (Skiritis), 46 km südlich liegt das Meer. In Spartas unmittelbarer Nachbarschaft lagen im Westen Messenien, im Norden Arkadien und im Nordosten die Stadt Argos. Die Eurotas-Ebene war fruchtbar. Angebaut wurde in erster Linie Gerste, aber auch Weizen und Oliven; darüber hinaus wurde Viehzucht betrieben. Sparta glich einer natürlich gesicherten Festung, die auch ohne Stadtmauer Schutz vor unliebsamem Besuch oder militärischen Angriffen bot. Die geographische Lage erklärt ebenso wie das den Zeitgenossen geheimnisvolle, von außen nie wirklich ergründbare Wesen der Spartaner und ihrer Gesellschaft zu einem nicht geringen Teil den Erfolg Spartas. Der heute gebräuchliche Name für die Stadt ist Sparta («die Gesäte», «die Verstreute»), die Zeitgenossen aber sprachen häufiger von Lakedaimon. Sie bezogen damit auch Lakonien, das Sparta umgebende Land, in den Staatsbegriff mit ein. Die offizielle Bezeichnung des spartanischen Staates dagegen, wie sie in Dokumenten (z.B. Verträgen) erscheint, lautete «die Lakedaimonier». Die Bewohner Spartas gehörten zum Stamm der Dorier, der sich von anderen Griechenstämmen wie den Ionern oder Äolern durch seinen Dialekt, aber auch durch besondere politische und soziale Institutionen unterschied. Dorier siedelten im Süden der Peloponnes, an der Südwestküste Kleinasiens und auf Kreta.

Die Gründung Spartas durch die Dorier liegt verborgen im Dunkel der Geschichte. Sie gehört in die «Dark Ages» (ca. 1050 bis 800 v. Chr.). Homers Ilias, das früheste literarische Zeugnis der Europäischen Geschichte, berichtet von Menelaos und Helena, dem vordorischen Königspaar des, wie Homer aufgrund der Lage Spartas zwischen zwei Gebirgszügen schreibt, «hohlen Lakedaimon». Menelaos und Helena hatten entscheidenden Anteil am Trojanischen Krieg, den die Griechen unter Führung von Agamemnon, dem Bruder des Menelaos und König von Mykene, gegen das kleinasiatische Troja zehn Jahre lang führten. Homer schrieb vermutlich im 8. Jahrhundert v. Chr. über eine Zeit, die 500 Jahre zurücklag und an die man keine Erinnerung hatte, die über Heldengesänge und vielleicht übrig gebliebene Ruinen oder Bronzewaffen hinausging. Irgendwann zwischen dem Trojanischen Krieg und der vermuteten Abfassungszeit der homerischen Epen muss das dorische Sparta gegründet worden sein.

Zwischen dem Trojanischen Krieg und der Homerischen Zeit hatten große Veränderungen in allen Bereichen Griechenland ein ganz neues Gesicht gegeben: Prachtvolle Königspaläste wie diejenigen in Mykene und Tiryns und eine hoch entwickelte, auf diese Paläste ausgerichtete Wirtschaft, Bürokratie und Schrift waren verschwunden. Ein starker Bevölkerungsrückgang, neue, bescheidenere Siedlungsformen, eine schriftlose Kultur und wohl auch Armut als Charakteristika dieses «dunklen Zeitalters» traten an ihre Stelle. Die Ursachen für diesen Prozess werden noch immer lebhaft und kontrovers diskutiert. Die wahrscheinlichste Erklärung ist die, dass die «Mykenische» Kultur (benannt nach einer der Palaststätten auf der Peloponnes) um 1200 durch Plünderungszüge fremder Völker zerstört wurde und dass im Gefolge dieser Zerstörung neue Stämme von Norden nach Griechenland einwanderten, sich ansiedelten und dabei die noch ansässige Bevölkerung vertrieben oder auch versklavten. Ein solcher Einwanderungsschub erfasste auch die Peloponnes. Er wird als «Dorische Wanderung» bezeichnet. Die einwandernden Dorier waren jedoch nicht identisch mit den Zerstörern der mykenischen Kultur, und sie drangen auch nicht als geschlossener Verband ein, wie wir es von den germanischen Stämmen der Völkerwanderungszeit kennen. Vielmehr kamen sie in kleineren Gruppen allmählich von Nordwestgriechenland her auf die Peloponnes und gründeten dort Kolonien. Wohl erst im Laufe des 10. Jahrhunderts v. Chr. gelangten die Dorier auch in die südlichen Regionen der Halbinsel, nach Lakonien, wo sie etwa um 900 vier Dörfer in der Eurotas-Ebene zu einer Stadt, nämlich Sparta, vereinigten und die dortige Bevölkerung in den sozialen Status von Unfreien (Heloten) herabdrückten. Die Tatsache, dass Sparta immer zwei Könige gleichzeitig hatte, lässt vermuten, dass sich in Sparta zwei Wanderungszüge vereinigt haben, von denen sich der eine in den Eurotas-nahen Dörfern Limnai und Kynosura, der andere in den westlichen Dörfern Mesoa und Pitane niederließ. Alle dorischen Stämme waren in drei Abteilungen, sogenannte Phylen, gegliedert, die auch in späterer Zeit in der Einteilung des spartanischen Heeres eine Rolle spielten (Dymanen, Hylleer, Pamphyler); das ist heute allerdings umstritten. Der Drang der Dorier nach Süden wurde zunächst durch eine unzerstörte Festung aus mykenischer Zeit, Amyklai, aufgehalten. Archäologen haben dort viele Gegenstände aus der «vorspartanischen» Zeit zutage gefördert. Erst am Ende des 8. Jahrhunderts gelang es den Spartanern unter ihrem König Teleklos, Amyklai zu erobern und als fünftes Dorf in den Staatsverband einzugliedern; eine Sonderstellung nahm Amyklai aufgrund seiner geographischen Entfernung (ca. 6 km) und späten Eingliederung in den spartanischen Staatsverband immer ein.

Die heutige, etwas weiter südlich als das antike Sparta gelegene Stadt ist klein (1834 neu gegründet, ca. 11.000 Einwohner), und auch die frühere war von Anfang an mit wenig Bürgern gesegnet. In der Frühzeit soll sie nicht mehr als 8000, im 3. Jahrhundert v. Chr. gar weniger als 1000 waffenfähige Vollbürger gehabt haben, so dass eine Gesamtbevölkerung von nicht mehr als 20.000–​30.000 anzunehmen ist. Nicht abzuschätzen ist allerdings die Zahl der Umwohner (Periöken) und Unfreien (Heloten). Die moderne Archäologie, die die Stätten des antiken Sparta freizulegen versucht, kritisiert jetzt, was der bedeutendste Historiker der Antike, Thukydides, bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. formulierte: «Wenn heute die Stadt der Lakedaimonier verlassen würde, und es blieben nur Heiligtümer und die Grundmauern der Gebäude übrig, wären die Nachkommen späterer Zeiten hinsichtlich der Macht und des Ruhmes der Spartaner sehr ungläubig» (I, 10). Diesen Eindruck könnte man heute in der Tat gewinnen: Heiligtümer und eine für griechische Verhältnisse eher atypische Akropolis wurden ausgegraben, aber es fehlen kostbare Tempel und mächtige Gebäude, so dass sich die Bedeutung des antiken Sparta aus den materiellen Überresten allein nicht erschließen lässt.

Die Rekonstruktion der Gründung Spartas fußt auf den Errungenschaften der modernen Geschichtswissenschaft, d.h. auf der systematischen Auswertung literarischer Werke aus späterer Zeit, archäologischer Funde sowie sprachwissenschaftlicher Analysen der verschiedenen Dialekte. Die Spartaner der historischen Zeit hatten diese Möglichkeiten nicht, etwas über ihre Herkunft in Erfahrung zu bringen. Diese war ihnen daher ein noch größeres Rätsel als uns – es gab ja kein schriftliches Zeugnis vor dem 8. Jahrhundert, das ihnen Auskunft darüber hätte geben können. Erinnerung wurde tradiert durch Erzählungen und Gesänge über herausragende Taten großer Helden. Durch das Fehlen der Schrift, mit der man die Erinnerung hätte festschreiben können, kam es zu ständig veränderten und neuen Deutungen und legendenhaften Verklärungen der Überlieferung. So ist auch die Einwanderung der Dorier von den Spartanern selbst in einem für sie erheblich günstigeren Sinne umgedeutet worden. Nicht gewalttätige Eindringlinge seien sie gewesen, sondern im Gegenteil, die Dorier hätten mit ihrer Einwanderung nur dem Recht Geltung verschafft: Die Nachkommen des ursprünglichen «Besitzers» der Peloponnes, Herakles (ein Sohn des Göttervaters Zeus), seien nach ihrer Vertreibung zusammen mit den Doriern «zurückgekehrt», hätten sich also nur das zurückgeholt, was ihnen Zeus selbst gegeben habe. Einer der frühesten Zeugen aus Sparta, der Dichter Tyrtaios, schrieb Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr.: «Denn Zeus selbst … gab diese Stadt den Herakliden (den Nachfahren des Herakles), mit denen wir das windige Erineos verließen und zur weiten Peloponnes kamen» (frg. ...

Erscheint lt. Verlag 11.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Historische Romane
Geschichte Allgemeine Geschichte Altertum / Antike
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
ISBN-10 3-406-82112-X / 340682112X
ISBN-13 978-3-406-82112-7 / 9783406821127
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