Pariser Verschwörung -  Volker Streiter

Pariser Verschwörung (eBook)

Tödliche Schatten über Heinrich Heine
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2024 | 1. Auflage
402 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-8205-1 (ISBN)
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Paris 1855. Heinrich Heine, gelähmt und ein Pflegefall, soll sterben. Seine Durchlaucht Wenceslaus Fürst von Metternich will es so und schickt vier seiner Agenten. Auch der einst mächtigste Literaturkritiker, Wolfgang Menzel, Franzosenhasser und Antisemit, will Heines Tod. Selbst dessen Cousin Carl aus Hamburg, Bankier, will die nicht endenden Zahlungen rufschonend einstellen. Bei einem Fest vereitelt Elise Krinitz, neu angestellte Vorleserin und Heines letzte Liebe, einen Anschlag, und doch ist Heine nicht sicher. Aus seiner nächsten Umgebung droht ihm weitere Gefahr.

Geboren in Soest/ Westf. Ab 1980 Polizist in Köln. Seit 2023 im Ruhestand. Autor von Küstenkrimis, darunter drei historischen. Er hat großes Interesse an Geschichte und den Lebensbedingungen in vergangenen Zeiten, das lässt ihn sorgfältig recherchieren. Für ihn ein Heidenspaß. Die Auswahl erforderlicher Informationen dagegen ist eine Qual, es gibt soviel zu entdecken in der Welt.

Metternichs Plan



»Herzflimmern sagten Sie, ein kurzzeitiges Schwarz vor Augen und Schwindel?« Doktor Friedrich Jäger von Jaxtthal, Leibarzt seiner Durchlaucht, beugte sich über den blassen Patienten: Klemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich, die Nennung all seiner Titel würde uns nur ermüden, ehemals Kanzler eines Riesenreiches und gewesener Lenker des nachnapoleonischen Europas. Der inzwischen eher geduldete Berater am Wiener Hof saß bleich aber aufrecht in einem durchgeschwitzten Nachthemd in seinem Himmelbett, das weiße Haar klebte am Kopf. Sein Schlafgemach hatte schon bessere Zeiten gesehen, den blinden Goldstuck an der Raumdecke brachte auch das Tageslicht nicht mehr zum Glänzen.

Konzentriert, die Finger am gebrechlichen Handgelenk seines Patienten, folgte der Arzt dem Pulsschlag. Der gefiel ihm nicht. Auch die Augen dieses einst mächtigen Mannes machten ihm keine Freude, sie waren unterlaufen, der Blick trübe. »Durchlaucht, haben Sie genug getrunken? Die Sommerhitze setzt gerade auch Menschen zu, die Ihr Alter erreicht haben, halten zu Gnaden.«

»Ach mein guter Jaxtthal, immerhin lassen Sie mich nicht zur Ader, das rechne ich Ihnen hoch an. Ein Mensch meines Alters, sagen Sie, beachtliche 82, und nur das Wasser soll mir fehlen? Herr Doktor, auch eine barmherzige Lüge ist eine Lüge. Doch ich danke Ihnen. Wie also ist Ihre Therapie? Hoffentlich darf es auch etwas Wein sein, natürlich in Maßen.«

»Durchlaucht, ohne Wein werden Sie nicht länger leben, es käme Ihnen nur so vor. Regelmäßige Bewegung, Spaziergänge, frische Luft, viel pflanzliche Kost und wenig Fleisch, kaum Fett. Ihr Herz sollte in Ruhe schlagen, kein Blutstau im Kopf, keine anschwellenden Adern.«

»Jaxtthal, ich bin kein Holzfäller, und mein letzter scharfer Ritt ist Jahrzehnte her, da besteht keine Gefahr, nicht einmal in der Liebe werde ich mich derart aufpeitschend engagieren. Keine Tinkturen diesmal, keine Pulver für mich? Steht es so schlecht?«

Der Arzt wiegte den Kopf. »Nun, etwas Weißdorn könnte das Herz stärken, ich werde mit dem Apotheker sprechen.«

»Na bitte, gibt es ein Mittel, gibt es auch Hoffnung. Sehe ich nicht auch schon besser aus?« Der Arzt musste schmunzeln und verbeugte sich. »Aber da Sie schon einmal hier sind, möchte ich Ihre Meinung hören.« Metternich deutete auf ein Ablagetischchen. »Der zweite Akt von oben, schauen Sie hinein. Haben Sie dazu eine ärztliche Meinung?«

Zögernd folgte der Arzt und überflog die unterschiedlichen Handschriften, teilweise auf vergilbtem Papier und nicht alle auf Deutsch. Seit Beginn der lästigen Causa hatten sie Metternich direkt oder über Umwege erreicht. »Durchlaucht, mein Französisch ist nicht gut genug, um ärztliche Sachverhalte ...«

»Unsinn, die Fachbegriffe sind auf Latein, oder fehlt Ihnen die Aprobatio? Habe ich mein langes Leben einem Jahrmarktsbarbier anvertraut?«

Der Arzt schüttelte heftig den Kopf, dann las er weiter. Ungeduldig trommelte der Fürst mit den Fingern auf der Bettdecke. »Nun, was denken Sie?«

»Schilderungen über Jahre, unterschiedlichste Quellen, teils ungenaue Beobachtungen und Symptome, wenn Durchlaucht da eine Diagnose wünschen, wäre die nicht eindeutig.«

»Ach kommen Sie, Jaxtthal, nun verderben Sie mir nicht den Spaß mit Ihrer Bedenkenträgerei. So viel Material, über Jahrzehnte zusammengetragen, da wird der Fachmann doch etwas extrahieren. Also?«

»Es geht, wie ich aus den Berichten entnehme, um Heine, diesen Dichter.«

»Donnerwetter, welche Erkenntnis.«

»Der ist doch als Syphilitiker bekannt, jedenfalls bei den informierteren Lesern. Diese Rapporte hier sind ...«

»Ach, sind Sie so ein Leser? Ist mein Leibarzt gar ein Freund seiner Ideen und Prosa?« Der Arzt sah unsicher zu seinem Brotherrn, dessen dünner Hals sich erwartungsvoll reckte.

»Der Mann hat Sie über Jahre gequält, Durchlaucht, da muss ich doch wissen, warum. Geist, Körper und Seele sind eine Einheit, ein Missverhältnis macht uns krank. Heine kann schreiben, frech und frisch, soweit gefiel er mir, aber seine Zoten und staatspolitischen Ideen, nein, die gehen zu weit.«

»Sehr richtig. Bordellpoesie, nichts weiter. Was für ein Talent, was für ein deformiertes, zum Schmierigen neigendes Talent. Zersetzende Provokationen gegen Staat, Kirche und Familie, selten etwas, das uns erbaut oder erhöht. Doch zurück zu seinem Zustand. Ich warte.«

»Es ist einiges denkbar bei all den Beschreibungen, es sind kaum Ärzte darunter. Nun, diese neurologischen Symptome können verschiedene Ursachen haben, vieles ist uns bisher unbekannt. Gift ist möglich, aber über all die Zeit? Schon 32 klagte er über eine lahme Hand, wenige Jahre später über Sehstörungen, ja er sah doppelt. Das könnte eine Parese des Nervus opticus sein. Dramatische, radikuläre Neuralgien, Brechanfälle, Ausschläge, rasende Kopfschmerzen, finale Hustenqual. Dies alleine spräche für Tuberkulose. 43 ist er linksseitig paralysiert, 48 versagen die Beine ganz und für immer. Ausgerechnet im Louvre vor der Venus von Milo. Wer soll das glauben, was für eine Inszenierung. So oder so, das Rückenmarkt ist betroffen. Tabes dorsalis.«

»Ein perfider Schreiberling, Sie sagen es, der lügt, wo er will, und doch, was für eine Gabe, auf die Venus muss man erstmal kommen, da hat er das ganze Bildungseuropa auf seiner Seite. Überhaupt, er lebt ja lange schon in Paris, dem Zentralstern europäischer Kultur. Unser Wien hat an Strahlkraft verloren. Aber was ist mit seinem Kopf, seinem Denken, irre ist er nicht geworden.«

»Bisher, ja. Er hat Hirnnervenlähmungen ohne Hinweise auf eine Hirnstammschädigung. Von Nackensteifigkeit ist auch nichts zu lesen. Aber er befindet sich, glaube ich, im meningovaskulären Stadium.«

»Jaxtthal, nicht zu medizinisch, wenn ich bitten darf. Ich bin Diplomat, kein Medicus. Stadium von was?«

»Sehr wohl«, wieder erfolgte eine Verbeugung, »alles weist auf eine Neurosyphilis hin.«

»Also doch! Was für ein Gossenjunge. Er hat wortreich zu Texten gemacht, was ihn sinnlich erschauern ließ. Und die Kulturwelt betet ihn an, widerlich.« Metternich atmete tief durch und sah nachdenklich gegen den Baldachin seines Bettes. »Herr Doktor, wie lange hat der noch?«

Der Arzt zuckte zusammen. »Nicht zu sagen, Durchlaucht, der Krankheitsverlauf ist schwer durchschaubar. Er kann Entzündungen der Blutgefäße im Hirn haben, oder im Rückenmark. Das spricht für die Lähmungen, auch für seine Überempfindlichkeit gegen Licht und Lärm. Andererseits ...«, er blätterte die Briefe durch und hielt einen hoch, »andererseits wird schon von seinem Vater berichtet, der ebenfalls gewisse Nervenschwächen gezeigt haben soll. Dann läge es in der Familie.«

Fürst von Metternich schnaubte und machte eine wegwerfende Geste. »Schlechtes Blut, ich glaub es gerne.«

»Das von mir erwähnte Stadium kann sich über Jahre hinziehen. Mir ist ein Fall aus einem der führenden Häuser der Stadt bekannt, da hat ...«

»Schweigen Sie! Die Blüte unseres Landes erkrankt nicht an derartigem Sumpffieber, unsere Klasse betritt keinen Pfuhl, wir stecken auch nichts hinein.« Der Arzt schluckte, um ein Haar wäre er zu weit gegangen, doch der wache Geist dieses Greises verhinderte das.

»Vergebung! Es kann sich über ein Jahrzehnt hinziehen.«

»Na sehen Sie, das passt doch.«

»Aber 23 Jahre? Das ist außerordentlich. Bald müsste dann das parenchymatöse Stadium eintreten.«

»Jaxtthal!«

»Wahnvorstellungen, Gedächtnisverlust, Wesensveränderungen und endlich eine völlige Schmerzunempfindlichkeit. Wunden und andere Verletzungen werden nicht bemerkt, nicht behandelt. Wird der Kranke nicht gepflegt, dämmert er vor sich hin und verfault bis zur Blutvergiftung.«

»Wie unappetitlich und doch so erfreulich.« Wieder trommelte Metternich mit den Fingern. »Aber wann, Herr Doktor, wann?«

»Absolut unbestimmt, Durchlaucht. Berücksichtigen wir die Möglichkeit vererbter Nervenschwäche und die außerordentlich lange Agonie, könnte es auch etwas Anderes, Unbekanntes sein.«

»Womit wir wieder am Anfang wären. Nun gut, dann besorgen Sie mir meinen Weißdorn, wenigstens das. - Und Gift, Jaxtthal?«

Der Arzt schrak zusammen und sah verstohlen zum Fürsten. »Durchlaucht?«

»Na, die Möglichkeit von Gift, ich spreche nicht von mir. Die haben Sie am Anfang Ihrer verschwurbelten Lateinvorlesung angedeutet. Könnte es das gewesen sein?«

»Eine Option wäre es, auch wenn ich nicht verstünde warum.«

»Und Sie wollen Arzt sein? Wo ist Ihr Blick für die menschlichen Dramen? Enttäuschte Liebe, Habgier, gekränkte Eitelkeit eines Konkurrenten, da gäbe es einiges. Also?«

»Toxische Stoffe gibt es genügend. Zum Beispiel die Pfeilgifte der Indianer oder die Substanzen der alten Ägypter, sehr rätselhafte Kulturen. Aber ja, Nervengifte wären geeignet, das ganze System tödlich zu schädigen. Das Ende kommt dann schnell. Im Normalfall. Schwach und zögerlich dosiert bleibt eine schlagartige Wirkung aus. Vielleicht sind Heines Organe durch einen Anschlag geschädigt, der lange zurückliegt, ausgeführt von einem Stümper.«


Kaum hatte der Arzt den Fürsten verlassen, klingelte der nach seinem Leibdiener. »Karl, reich mir den Morgenmantel. Haben wir heute Termine?«

»Für 11 Uhr hat Minister von Buol-Schauenstein seinen Sekretär angekündigt, um die Einschätzung Eurer Durchlaucht zu den Auswirkungen des Krimkrieges und den Unruhen in der...

Erscheint lt. Verlag 4.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-7565-8205-1 / 3756582051
ISBN-13 978-3-7565-8205-1 / 9783756582051
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