Schöner Schein (eBook)

Ein Sylt Krimi

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
295 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3106-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schöner Schein - Gabi Jacobi
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Sylter Verwicklungen.

Es ist Hauptsaison am Lister Hafen. Es wird gegessen, getrunken, gelacht. Und mitten in der ausgelassenen Ferienstimmung wird eine junge Frau erschlagen im Kofferraum ihres Wagens aufgefunden.

Schnell stellt sich heraus, dass die tote Hausbetreuerin hinter dem Rücken ihrer Auftraggeber in den leerstehenden Häusern übernachtet hatte, um Miete zu sparen. War sie ein Zufallsopfer? Hat sie dabei etwas gesehen, was nicht für ihre Augen bestimmt war?

Als Neele die Besitzer der Häuser befragt, stößt sie auf ein Netz aus Lügen.  Jeder hat etwas zu verbergen, und es gibt viele Verdächtige, deren Alibis sich plötzlich in Luft auflösen. Doch erst ein weiterer Todesfall führt Neele auf die richtige Spur ...

Der zweite Fall führt die Ermittlerin Neele Eriksson in die Welt der Kampener Ferienhausbesitzer.



Gabi Jacobi, geboren 1956 in Landau, hat in Frankfurt/Main als Werbetexterin und Creative Director bei verschiedenen Werbeagenturen gearbeitet und übernahm dann die Werbeleitung von Ferrero Deutschland, bevor sie sich nach Sylt zurückzog und die Krimiserie um die Hauptkommissarin Neele Eriksson ins Leben rief. Der Auftakt der neuen Krimireihe überzeugt nicht nur mit einem vielschichtigen und spannenden Plot, sondern auch mit nordisch-herben Charakteren, feiner Ironie und Insiderwissen über die berühmteste Insel Deutschlands.

Tag 1


Montag, 19. August

Wenige Kilometer vor dem Verladeterminal des Sylt Shuttle war es so weit. Wir standen im Stau, eingeklemmt zwischen einem schwarzen Porsche Cayenne, aus dessen Heckfenster uns ein hechelnder Terrier anstarrte, und einem grauen Mercedes, auf dessen Dach drei Rennräder balancierten. Nichts ging mehr. Ein kilometerlanges Blechreptil lag reglos über dem norddeutschen Flachland und verdammte uns zur Untätigkeit.

»Was für ein Mist«, brummte mein Kollege Amar schon zum wiederholten Mal, »warum haben wir nicht den Zug genommen?«

Es gibt Fragen, die erübrigen jede Antwort. Wir hatten ihn eben nicht genommen, fertig. Und jetzt saßen wir hier im Stau.

Mittlerweile waren die meisten Reisenden aus ihren Fahrzeugen ausgestiegen und versuchten, einen Blick nach vorn zu erhaschen oder ihren Frust mit anderen Leidtragenden zu teilen. Erst wenn das träge Reptil wieder ein Stückchen weiterkroch, durchfuhr ein Hoffnungsschimmer die Menge, und alle sprangen hastig zurück in ihre Autos.

Es war August, die Spitze der Hochsaison, da konnte ein Syltbesuch eine gewisse Herausforderung darstellen, was man jedoch schnell wieder vergaß, wenn man am Abend bei einem Aperol Spritz im Strandkorb saß und den Sonnenuntergang über dem Meer genoss.

Doch davon konnte bei uns keine Rede sein, denn unsere Syltreise hatte einen dienstlichen Anlass. Genauer gesagt, ein Tötungsdelikt war der Grund, weshalb die Sylter Kollegen uns angefordert hatten, denn bei Kapitalverbrechen war unser Flensburger Kommissariat für ganz Nordfriesland zuständig.

Ich nutzte die erzwungene Fahrpause und öffnete die Fallakte auf meinem Laptop. Gestern, am 18. August, kurz nach zwanzig Uhr, wurde eine weibliche Leiche im Kofferraum eines Opel Corsa auf dem Parkplatz am Hafen in List entdeckt.

Bei der Toten handelte es sich um Sandra Keller, dreiunddreißig Jahre, geboren in Hamm, Westfalen, ledig, gemeldet im Bundnisweg 8 in Westerland. Sie hatte als Aushilfe im Bistro Zur hinterlistigen Möwe in der Friedrichstraße gearbeitet, außerdem als Hausbetreuerin für einige Kampener Zweitwohnungsbesitzer.

Die Leiche war mehr oder weniger durch einen Zufall entdeckt worden, denn gestern Abend war eine junge Frau in die Westerländer Polizeiwache gekommen, um ebendiese Sandra Keller vermisst zu melden. Sie wurde wieder weggeschickt, da keine Gefahr für Leib und Leben ersichtlich war. Der wachhabende Beamte notierte sich aber das Autokennzeichen Sandra Kellers, um es den Kollegen, die auf Streife waren, durchzugeben.

Am gleichen Abend, kurz vor acht, ging ein Anruf auf der Wache ein. Er kam von einem Urlauber, der mit seiner Frau bei Gosch in List essen war. Der Mann stellte sich als Fred Larsen vor, pensionierter Polizist aus Lübeck. Er hatte früher eine Diensthundestaffel betreut und einen Leichenspürhund, der schon zu alt für die Staffel war, bei sich aufgenommen. Dieser Hund, ein Malinois, schlug an einem Auto an, als das Paar über den Parkplatz ging. Larsen war überzeugt, dass mit dem Fahrzeug etwas nicht stimmte. Als er dem Polizisten das Kennzeichen des Opel Corsa durchgab, wurde dieser hellhörig, denn es war das gleiche, das er sich vor einer Stunde notiert hatte. Er informierte seinen Vorgesetzten, und der ließ das Fahrzeug öffnen.

Tatsächlich, im Kofferraum lag die Leiche Sandra Kellers. Die Tote, an deren Hinterkopf blutverkrustete Wunden klafften, war gestürzt oder erschlagen worden, wahrscheinlich vor nicht mehr als acht Stunden, wie der herbeigerufene Arzt feststellte. Es handelte sich um eine Straftat, denn selbst wenn die Frau gestürzt war, hatte sie sich kaum danach selbst in den Kofferraum ihres eigenen Fahrzeugs befördert.

Es versetzte mir einen Stich, als ich die Fotos anklickte, die meine Kollegen schon im Intranet hochgeladen hatten. Die junge Frau, nur ein paar Jahre jünger als ich, lag in unnatürlicher Stellung im Kofferraum, so, als hätte man sie hingeworfen. Ihr langes Blondhaar war braun verkrustet, und außer einem weißen T-Shirt, das über den schlanken Bauch hochgerutscht war, trug sie nur knappe hellblaue Shorts. Die Frau war eher klein und sehr schlank, vermutlich wog sie weniger als fünfzig Kilo. Mit dem Murmeltiershirt und den nackten, dünnen Armen und Beinen sah sie aus wie ein junges Mädchen – ein totes junges Mädchen: Unter ihrem Kopf zeichnete sich eine Lache aus bräunlichem, vertrocknetem Blut ab, Augen und Mund waren geöffnet, ihr Blick leer und das Gesicht schon eingefallen und blass.

»So jung«, murmelte ich vor mich hin.

Mein Kollege Amar blickte von seinem Handy auf. »Hast du auch den Bericht?«

Ich nickte.

»Wer macht so was?«, seufzte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Langsam wurde es ungemütlich im Audi. Die Mittagssonne, die erbarmungslos vom Himmel knallte, hatte den Wagen trotz der geöffneten Türen wie ein Treibhaus aufgeheizt. Ich klappte meinen Laptop zu und stieg aus. Was würde ich jetzt nicht für ein eisgekühltes Getränk geben.

Doch darauf musste ich noch eine Weile warten. Erst um achtzehn Uhr erreichten wir das Kommissariat, das immer noch in einer Notunterkunft im Telekomgebäude untergebracht war, weil die Westerländer Polizeiwache renoviert wurde.

Es fühlte sich an wie ein Déjà-vu. Gerade vor drei Monaten war ich mit meinem Kollegen Amar einige Wochen hier gewesen, um einen Mord an einem Arzt aufzuklären. Im Laufe der Ermittlungen hatte es zwei weitere Tote gegeben, und als ich den vierten Mord hatte verhindern wollen, musste ich beinahe selbst dran glauben.

»Hoffentlich wird das diesmal nicht so ein Desaster wie im Mai«, meinte Amar, den wohl auch die Erinnerungen überfallen hatten, als wir die Treppe hinaufgingen. »Obwohl ich ja nichts dagegen hätte, etwas länger hierzubleiben«, fügte er mit einem Grinsen hinzu.

Ich verdrehte die Augen. Bloß nicht, dachte ich. Für mich war Sylt mit gemischten Gefühlen verbunden. Ich war hier aufgewachsen, und meine Familie besaß ein Restaurant in Westerland, das ich eigentlich hätte übernehmen sollen. Ich wollte jedoch nicht ins Familiengeschäft einsteigen, sondern hatte mich für eine Laufbahn bei der Polizei entschieden und war vor ein paar Jahren aufs Festland gezogen. In diesem Frühjahr hatte meine Oma, die seit zwei Jahren im Altersheim lebte, mir überraschenderweise ihr Häuschen in Tinnum überschrieben, sehr zum Ärger meiner Schwester Stefanie, die mit ihrem Mann das Restaurant der Familie führte und ständig Personalwohnungen brauchte. Stefanie, die zu der Spezies Mensch gehört, die die Erfüllung jeder ihrer Wünsche als gesetzmäßiges Recht begreift, erklärte mir daraufhin den Krieg. Dabei hatte ich schon notariell beglaubigt auf das Restaurant verzichtet, als sie im Geschäft meiner Eltern eingestiegen war. Doch jetzt biss sie bei mir auf Granit, das hatte ich meiner Oma versprochen, die nicht wollte, dass ihr Häuschen in ein Personalwohnheim umgewandelt wurde.

Im Büro von Hauptkommissar Michael Müller, dem Leiter des Kommissariats, war es fast so heiß und stickig wie vorher im Auto.

Müller, der hinter seinem vollgepackten Schreibtisch saß, sprang sofort auf, als er uns erblickte. »Schön, dass ihr da seid. Kommt ihr direkt vom Autozug?«

»Sechs Stunden«, jammerte Amar, »ganze sechs Stunden haben wir gebraucht von Flensburg bis hierher.«

»Ich weiß, ein Waggon des Autozugs ist beim Rangieren entgleist, daher ging stundenlang nichts mehr. Am schlimmsten war es für die Autos, die schon auf dem Zug waren. Wir hatten einige Notrufe von Leuten mit Kleinkindern, die stundenlang in der Hitze festsaßen.«

»Kann ich mir vorstellen.« Dann fiel mir die Stille auf. »Sind die anderen schon weg?«, fragte ich erstaunt.

»Von wegen. Die sind unterwegs und kommen nachher zurück. Hier war den ganzen Tag die Hölle los, wie ihr euch vorstellen könnt. Setzt euch schon mal, ich hole euch was zu trinken.«

Auf Müllers Besprechungstisch lagen fein säuberlich angeordnet mehrere Stapel Papiere. Gerade als ich mir eine Akte greifen wollte, sagte Amar: »Ich brauche dringend frische Luft«, und öffnete das Fenster. Gleichzeitig stieß Müller, der ein Tablett in den Händen balancierte, die Tür auf.

»Scheiße!«,...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2024
Reihe/Serie Neele Eriksson ermittelt
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Ben Kryst Tomasson • Die Schönen und Reichen • Ermittlerin • Ermittlungen • gehobene gesellschaft • Gesellschaft • Katharina Peters • Krimi • Kriminalroman • Küstenkrimi • LKA • Lokalkolorit • Lokalkrimi • Mord • Mörder • Nordsee • Nordsee Krimi • Polizei • Polizistin • Prominenz • reich und schön • Roman • Sylt • undercover • Upper Class • Verbrechen • verdeckte Ermittlerin
ISBN-10 3-8412-3106-3 / 3841231063
ISBN-13 978-3-8412-3106-2 / 9783841231062
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