Der Ruf des Göttervogels (eBook)

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2024 | 1. Auflage
500 Seiten
MORE by Aufbau Digital (Verlag)
978-3-96797-534-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Ruf des Göttervogels - Anna Paredes
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Costa Rica 1888. Noch immer träumt die verwitwete Dorothea von ihrer großen Liebe, dem Journalisten Alexander. Trost findet sie durch ihre Kinder: Als jüngster Kaffeebaron des Landes übernimmt Federico die Leitung der Farm, während Olivia als Tänzerin weltweit Triumphe feiert. Enkelin Margarita dagegen tritt in Dorotheas Fußstapfen und besucht die Malakademie in New York, wo sie sich als Frau in einer Männerdomäne behaupten muss und gegen Vorurteile zu kämpfen hat. Um den Rat ihrer Großmutter einzuholen, reist sie zu ihr - jedoch nicht allein.

Dorothea hingegen erhält eine schicksalshafte Nachricht. Darf sie doch noch auf ein spätes Glück hoffen?


Fortsetzung der erfolgreichen Costa-Rica-Saga von Anna Paredes



Anna Paredes ist eine deutsche Autorin. Mit ihren historischen Romanen, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden,  hat sie sich ein internationales Publikum erobert. Unter dem Pseudonym Alexandra Guggenheim befasst sie sich mit der Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts. Die im Aufbau Verlag unter dem Namen Agnès Gabriel erschienenen Romane haben die Modeschöpfer Christian Dior und Elsa Schiaparelli sowie die Malerin Berthe Morisot zum Thema. Die Autorin lebt in Hamburg.

MAI 1877


Die Regenzeit hatte dieses Jahr früh und mit ungewöhnlich heftigen Gewittern begonnen. Bereits Anfang März hatten tropische Schauer die Bäche, die auf den Höhen der Kordilleren entsprangen, in reißende Flüsse verwandelt, hatten Strauchwerk und dicke Äste ins Meer gespült. Das Wasser war jedoch auch Lebenselixier in diesem grünen Paradies. Es schenkte den Feldern reiche Ernten und den Menschen ihre Lebensgrundlage. Der fruchtbare Vulkanboden und das gleichmäßig milde Klima, das weder Frost noch Hitze kannte, hatten hier, auf der Hochebene rund um die Hauptstadt San José, dem Kaffeeanbau seit mehr als fünf Jahrzehnten zu besonderer Blüte verholfen. Und den Plantagenbesitzern zu Reichtum und Macht. Denn die Begierde der Europäer und Südamerikaner nach dem schwarzen Gold, wie die Einheimischen die Kaffeebohnen nannten, war von Jahr zu Jahr gestiegen.

Hoffentlich bleibt es an Federicos Geburtstag trocken, damit wir im Garten feiern können, bangte Dorothea in Gedanken. Ähnliche Überlegungen waren ihr auch Jahre zuvor durch den Kopf gegangen, als sie, die junge Haus- und Zeichenlehrerin aus Deutschland, ihre Hochzeit mit Antonio Ramirez Duarte geplant hatte, dem einzigen Sohn und Erben des bedeutendsten Kaffeebarons Costa Ricas. Die Trauung hatte an einem Samstag im Juni stattgefunden, mitten in der Regenzeit. Doch zur Erleichterung aller Beteiligten hatte sich der Himmel an jenem Tag wolkenlos und in strahlendem Blau gezeigt. Niemand hatte nasse Füße befürchten müssen.

Diesmal allerdings stand nicht Dorothea im Mittelpunkt, sondern ihr Sohn. In sechs Wochen würde Federico einundzwanzig Jahre alt werden. Dann würde er die Nachfolge seines verstorbenen Großvaters Pedro Ramirez Garrido antreten und jüngster Kaffeebaron sowie rechtmäßiger Besitzer der größten Plantage Costa Ricas werden. Ein solch großes Fest war auf der Hacienda Margarita lange nicht mehr gefeiert worden. Genauer gesagt seit Federicos Taufe.

Behände schritt Dorothea die drei Stufen der Veranda hinunter. Das tief gezogene, mit Palmstroh gedeckte Dach bot den Hausbewohnern Schutz bei jeder Witterung. Selbst bei stärkstem Regen konnte man sich in den schweren Korbsesseln niederlassen und den Nachmittagstee einnehmen. Ganz in ihre Gedanken vertieft, schlenderte Dorothea durch den Park, den ein gefragter englischer Gartenarchitekt im Auftrag ihres Schwiegervaters entworfen hatte. Die Anlage erinnerte an die für den britischen Staatsmann und Schriftsteller Lord Chesterfield errichtete Parkanlage in dessen Sommerresidenz.

Sie ging bis zu der Stelle, wo ein Rosenpavillon zu Mußestunden mit einem guten Buch einlud, spürte den weichen Rasen unter ihren Füßen, der von fachkundigen Gärtnern gepflegt wurde. Am Pavillon angekommen, wandte sie sich um, kniff die Augen zusammen und stellte sich vor der Kulisse des imposanten Herrenhauses mit der weißen Fassade und den grünen Schlagläden eine ausgelassene Festgesellschaft vor.

Die jungen Herren trügen schwarze Anzüge mit Weste und weißen Stehkragenhemden sowie einen Plastron. So nannte sich die breite, vorn geknotete Seidenbinde, deren lose Enden kreuzweise übereinandergelegt und von einer Perlennadel festgehalten wurden. Diese neuartige Krawatte galt in Paris als dernier cri, hatte Federico ihr erläutert und stolz sein jüngst erworbenes Exemplar aus silbergrauer Seide vorgeführt. Er hatte es zu seinem Geburtstag beim besten Cravatier der französischen Hauptstadt bestellt.

Mit eng anliegenden Oberteilen und Röcken, die unterhalb der Hüften im Rücken bauschig zusammengerafft waren, würden die Mädchen und jungen Frauen einem farbenprächtigen Blütenmeer ähneln. Dorothea trug seit jeher und allen Modeströmungen zum Trotz schlichte, schmal fallende Kleider mit Taillenband, die ihre schlanke Silhouette vorteilhaft betonten. Weswegen sie den Tournüren, wie sich die unbequemen Gesäßpolster aus Stahl und Rosshaar nannten, nichts abgewinnen konnte.

Mit Ausnahme der Indianer, die vor Urzeiten als Erste das Land besiedelt hatten, waren die Costa Ricaner stolz auf ihre spanischen Vorfahren. Wer in San José etwas auf sich hielt wie alle reichen, neureichen und einflussreichen Familien, der orientierte sich in Modefragen allerdings am französischem Stil. Nicht anders als die gesamte europäische Hautevolee.

Sie würde Zeltplanen quer vor der Veranda aufspannen und dort die Tische decken lassen, beschloss Dorothea. Sollte sich an nämlichem Tag ein Wolkenguss über die Feiernden ergießen, würde dennoch kein einziger Regentropfen in der Suppe landen. Und die Dienstmädchen würden die Speisen auf kürzestem Weg von der Küche über die Veranda tragen. Eine helle Kinderstimme riss Dorothea aus ihren Überlegungen.

»Großmama, bekomme ich zum Fest denn auch ein neues Kleid?«

Lachend breitete Dorothea die Arme aus, ergriff ihre Enkelin unter den Achseln, hob sie hoch und drehte sich mehrmals mit ihr im Kreis.

Margarita jauchzte auf, ein Zopf löste sich und schaukelte über dem Ohr. »Nicht aufhören! Mehr! Mehr!«

Schwer atmend blieb Dorothea stehen und setzte die protestierende Enkelin sanft, aber entschlossen auf dem Boden ab. Mit der einen Hand griff sie sich an die Stirn, die andere stemmte sie in die Hüfte. »Puh, mehr schaffe ich nicht! Mir wird schon ganz schwindelig.«

Die Siebenjährige reckte die zarten Mädchenarme hoch, die Ärmel des duftigen zartgrünen Musselinkleides rutschten ihr bis über den Ellbogen. »Komm, ich stütze dich. Ich bin stark.«

»Lass nur, mein Kätzchen, es geht schon wieder. Aber lange kann ich dich bestimmt nicht mehr heben. Du bist recht groß und schwer geworden.«

Dorothea strich über das zarte rosige Kindergesicht. Margarita schmiegte ihre Wange in die Handinnenfläche der Großmutter, ihre Stimme bekam einen schmeichlerischen Klang.

»Bitte, Großmama, sag Ja! Ich habe vorhin mit Miss Watson meine Sonntagskleider aus dem Schrank geholt. Sie reichen mir nur noch bis hierhin …« Margarita streckte ihr rechtes Bein vor und deutete mit dem Finger auf eine Stelle irgendwo zwischen Knie und Knöchel. »Miss Watson meint, ich soll mir ein weißes Spitzenkleid nähen lassen, das kann ich später auch noch zur Kommunion tragen. Aber eigentlich will ich lieber ein rotes Kleid haben.«

»Nun, deine Gouvernante ist wirklich eine patente und praktisch denkende Person. Aber weil sowohl der Geburtstag deines Onkels als auch deine erste heilige Kommunion zwei ganz besondere Feste sind, wollen wir nicht kleinlich sein. Was hältst du von meinem Vorschlag? Die Schneiderin fertigt dir zu Federicos Ehrentag ein rotes Kleid an, das kannst du auch am Nachmittag nach der Kommunionsfeier tragen. Und für den Kirchgang lassen wir ein weißes nähen. Mit einem Spitzenschleier.«

Margarita stieß einen Jubelschrei aus und hüpfte vor Freude von einem Bein auf das andere. Der zweite Zopf löste sich, und beide wippten gleichmäßig im Takt. »Aber der Schleier muss bis zum Boden reichen … Danke, Großmama! Ich will schnell wieder zu Miss Watson. Sie zeigt mir die Schritte für den Wiener Walzer. Onkel Federico hat doch versprochen, mit mir zu tanzen.«

Mit nachsichtigem Lächeln blickte Dorothea der Enkelin hinterher, wie sie mit wehenden Röcken und halb auf den Waden hängenden Strümpfen davonstob. Margarita liebte ihren dreizehn Jahre älteren Onkel. Er war für sie sowohl Bruder- als auch Vaterersatz. Margarita konnte das große Ereignis kaum erwarten. Seit Wochen schon sprach sie kaum von etwas anderem.

Auch Dorothea freute sich. Darauf, dass Leben und Fröhlichkeit auf die Plantage zurückkehrten. Lange Zeit war es hier viel zu still und zu eintönig gewesen. Nach dem Tod ihres Ehemannes und dem der Schwiegereltern sowie dem Fortgang ihrer Tochter Olivia fanden sich nur noch drei Familienmitglieder zu den Mahlzeiten am großen Tisch im Speisezimmer ein. Ihr Sohn, die Enkelin und sie selbst. Doch irgendwann, so malte sie sich aus, würden sich neue Gesichter dazugesellen. Wenn Federico eine eigene Familie gründete und Kinderlachen das Haus von Neuem erfüllte.

Dorothea sah eine Frau auf der Veranda stehen, die ihr zuwinkte. Sie beschattete die Augen und blinzelte. Im Näherkommen erkannte sie Esmeralda, ihre Vertraute und rechte Hand. Die junge Frau war seit mehr als zehn Jahren auf der Hacienda tätig. Antonio hatte sie seinerzeit eingestellt und mit dieser Entscheidung die bestmögliche Wahl getroffen. Esmeralda war freundlich, zuverlässig und vorausschauend. Sie hatte eine Nachfahrin der costaricanischen Ureinwohner und einen ehemaligen Sklaven von den amerikanischen Baumwollfeldern als Eltern. Mit ihrer kakaofarbenen Haut und dem krausen Haar, das sich kaum bändigen ließ, war sie von eigenwilliger Schönheit und hatte Dorothea schon mehrere Male Modell gesessen. Esmeralda schmückte ihr Haar gern mit bunten Schleifen über den Ohren und im Nacken, am liebsten jeden Tag in einer anderen Farbe. An diesem Tag hatte sie sich für leuchtendes Gelb entschieden, das Dorothea an eine saftige reife Zitrone erinnerte.

»Komm, Esmeralda! Setzen wir uns und überlegen in Ruhe, was noch vorzubereiten ist«, schlug Dorothea vor. Sie liebte es, am Nachmittag ihren Tee auf der Terrasse einzunehmen. So hatte sie es zu Lebzeiten ihres Mannes Antonio begonnen und diese Tradition auch nach seinem Tod fortgeführt. Denn der costa-ricanische Kaffee war ihr bei Weitem zu stark und zu bitter. Dem Schwiegervater hingegen, das wusste sie sehr wohl,...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2024
Reihe/Serie Sehnsucht, Glück und Land der Träume
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Costa Rica • Familiensaga • Große Liebe • Indio • Schicksal
ISBN-10 3-96797-534-7 / 3967975347
ISBN-13 978-3-96797-534-5 / 9783967975345
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