Das Haus Zamis 97 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6786-6 (ISBN)
Es sieht nicht gut aus für die drei vom Tode Bedrohten:
Coco Zamis ist in der Vergangenheit gefangen und wird als Hexe beschuldigt. Michael Zamis hat sich seine Mitstreiter anders vorgestellt. Und Skarabäus Toth macht die Erfahrung, dass mit seinem neuen Aussehen auch seine Macht dahinschwindet.
Keiner von den dreien traut den anderen über den Weg, doch der Pakt, den sie eingegangen sind, ist stärker als ihr gegenseitiges Misstrauen. Aber selbst mit vereinten Kräften müssen sie feststellen, dass ihr gemeinsamer Gegner hinterhältiger und stärker ist als sie alle zusammen.
Wäre da nicht Volkart ...
2. Kapitel
Wien im Jahre 1421.
Noch zwei Tage bis zum Ablauf des Todesultimatums.
Es war, als durchliefe ich eine Déjà-vu-Erfahrung. Und doch war es mehr. Denn ich hatte diesen Horror schon einmal erlebt. Und wahrscheinlich waren die Angst und das Entsetzen, die ich als Kind im Kellergewölbe von Schloss Behemoth durchlitten hatte, nicht geringer gewesen als meine jetzige Furcht, mein jetziges Grauen.
Dennoch glaube ich inzwischen, dass der sadistische Zögling Anton Oberstaller mir bedenkenlos Schmerz zugefügt, aber mich allein schon aus Angst vor Strafe nicht verstümmelt oder gar getötet hätte.
Hierin lag der Unterschied zu meiner jetzigen Situation. Ich selbst war, nachdem ich meine magischen Fähigkeiten eingebüßt hatte, meinen Peinigern genauso hilflos ausgeliefert wie einst als Kind, dessen Hexenkräfte noch nicht ausgebildet waren. Allerdings waren meine neuen Peiniger ungleich furchterregender als der pubertäre Geryone. Sie verfügten über perfidere Foltermittel und größere Grausamkeit als jener, und sie mussten keine Strafe fürchten.
In den letzten Kerkertagen waren Realität, Wahnvorstellung und Traum für mich zu einem chaotisch-grausigen Kaleidoskop verschmolzen. Ich hatte geglaubt, blind tastend zwischen ausgeweideten, an die Mauern geketteten Leibern und verwesenden Leichen herumzuirren. Vindobene war mir als halbstoffliche Spukgestalt erschienen und hatte eine bizarre Unterhaltung mit mir geführt. Meine Angst vor der drohenden Marter hatte einen Albtraum heraufbeschworen, in dem ein blutrot gewandeter Scherge mich, beschienen von Höllenfeuern, mit Daumenschrauben folterte. Er wollte von mir das Geständnis erzwingen, einem Schwein das Fliegen beigebracht zu haben.
Aus dem Traum hatten mich zwei Schließer mit derben Tritten geweckt. »Zum Verhör!«, hatte der Hässlichere von beiden geschnauzt. Er hatte mir die Arme auf den Rücken gedreht und mir schwere, eiserne Manschetten um die Handgelenke gelegt. Und dann hatten die beiden mich hierhergebracht, wo eine Realität mich einholte, die jeden noch so grauenvollen Albtraum vergleichsweise freundlich erscheinen ließ.
Die Folterkammer war ein verschwiegener Raum mit grob gefügten Mauern und gruftartig gewölbter Decke. Eine offene Feuerstelle mit Rauchabzug ersetzte den Kamin. In dieser Esse wurden bei Bedarf Brandeisen zum Glühen und Blei zum Kochen gebracht. Die Luft war dumpf und abgestanden. War es nur ein Streich meiner Fantasie, dass ich eine unterschwellige Ausdünstung menschlicher Qual und Angst wahrzunehmen meinte, die sich während langer Jahre in den Mauerfugen festgesetzt hatte? Und vernahm ich bloß das Wispern eines verborgenen Luftzugs – oder das ewige Echo tausendfacher Schreie, das inmitten des fensterlosen Mauerwerks gefangen blieb?
Wandfackeln warfen ein unstetes Licht auf die Einrichtung. Ich erblickte eine Streckbank, daneben eine sogenannte ›Leiter‹, dann den ›Stachelstuhl‹, den ›Spanischen Bock‹, Walzen und Räder, eine Seilwinde. An den Mauern hingen Ketten, Eisenfesseln, Halsgeigen, Hexenmasken und ein reichhaltiges Arsenal sonstiger Quälgeräte.
Vor der Stirnseite der Kammer stand ein schlichter, von einer Talgkerze beleuchteter Holztisch, an dem der Gerichtsschreiber saß. Daneben, angetan mit dem düsteren Ornat seines Amtes, stand der Inquisitor. Außer den beiden erwarten mich der Folterer und sein Knecht.
Kaum stand ich im Marterraum, überfielen mich eine Übelkeit und eine Pein, die mit dem, was ich darin erblickte und wovor ich mich fürchtete, wenig zu tun hatten. Ich spürte, dass mich etwas angriff ... etwas, von dem der Foltermeister und der Hilfsschinder wahrscheinlich nichts wussten und das sich ihrer Macht entzog.
Die Beine gaben unter mir nach. Die beiden Schließer schleiften mich zu einem groben Hocker, der in der Mitte des Raumes stand. Kraftlos sank ich darauf nieder. Sodann zogen der Hässliche und sein Kumpan sich zurück. Mit misstönendem Schnappen fiel hinter ihnen die schwere Tür ins Schloss.
Mein unerklärliches Missbefinden war so übermächtig, dass ich die einleitenden Formalitäten und die umständliche Anklageverlesung des Inquisitors kaum mitbekam. Meine Ohren erfüllte nur überlaut das Schaben des Gänsekiels, der in den Fingern des Gerichtsschreibers über das Papier wanderte.
Ich wollte feststellen, ob der Angriff vielleicht doch von einem der anwesenden Individuen ausging. Mühsam hob ich den Kopf.
Der Schinder und sein Gehilfe waren grobschlächtige Burschen mit dunklen, gefurchten Gesichtern. Aber ich meinte von ihrer Seite keine Bedrohung zu bemerken, die über ihr Handwerk hinausging.
Der Inquisitor ragte hager und hochgewachsen auf. Runzlige, gerötete Haut bedeckte ein knochiges Antlitz. Doch der Blick seiner wässrig-hellen Augen wirkte seltsam müde, der Gesichtsausdruck irgendwie lustlos. Äußerlich fand ich vor allem seine finstere Robe und die schwarze Kopfbedeckung einschüchternd. Letztere vielleicht deshalb, weil sie mich unwillkürlich an die modrigen Birette denken ließ, die ich einst auf den Mumienschädeln geistlicher Würdenträger in den Katakomben unter dem Wiener Stephansdom gesehen hatte.
Vom Schreiber war nicht viel zu erkennen. Ein zerbrechlich aussehendes Männchen. Der kahle Kopf war gesenkt, der Blick auf die Mitschrift gerichtet. Mir widerstrebte nur das laute, misstönende Kratzen seiner Feder.
Mein Körper schüttelte sich unter Krämpfen. Aber noch immer wusste ich nicht, woher meine furchtbare Übelkeit rührte.
Der Inquisitor trat vor. »Sieh mich an!«, verlangte er. Wieder hob ich unter großer Anstrengung den Blick. Seine Stirn lag in Falten, die hellen Augen studierten aufmerksam mein Gesicht. Er sprach: »Annamaria Hilf! Bist du geständig, beim Sabbat die Heilige Hostie, den Leib unseres Heilands, und damit das höchste Sakrament entweiht zu haben?« Er machte eine Pause. Nach einigen Herzschlägen fuhr er fort: »Bist du ferner geständig, beim Sabbat mit dem Teufel gebuhlt und Unzucht mit dem Erzfeind getrieben zu haben?« Erneute Pause. »Und bist du ebenso geständig, beim Sabbat dem Erzfeind die Seelen deiner Kinder versprochen zu haben? Bedenke, Tochter, dass du mit einem freimütigen Bekenntnis der Tortur und damit großer leiblicher Pein entgehst!«
Das waren dieselben Missetaten, derer ich bei meiner Verhaftung im Armesündergassel beschuldigt worden war. Aber ich war nicht Annamaria Hilf, was immer sie verbrochen hatte – oder verbrochen haben sollte. Falls es eine solche Frau überhaupt gab. Im Grunde bezweifelte ich nämlich, dass nur eine unglückliche Verwechslung vorlag. Vielmehr vermutete ich irgendeine niederträchtige Verschwörung. Ich durchschaute sie nur noch nicht. Aber es war wohl kein Zufall, dass das Café Zamis in der Mariahilfer Straße lag.
Doch was würde es mir einbringen, wenn ich widersprach? Wenn ich meinen wahren Namen sagte? Die Erfahrung, wie befremdlich mein Name auf Österreicher des 15. Jahrhunderts wirkte, hatte ich bereits gemacht. Coco Zamis – das konnte ja nur der Name einer Hexe, einer Satansmetze sein!
Leugnen war zwecklos. Bekennen war ebenso zwecklos.
Mit qualverzerrtem Gesicht starrte ich dem Inquisitor in die Augen. Worte brachte ich nicht hervor. Aber ich schüttelte trotzig den Kopf.
Wieder furchte der Inquisitor die Stirn. Er presste die dünnen Lippen zusammen. Dann sagte er tonlos: »Somit schreiten wir zur Territion. Vielleicht löst eine Demonstration des Instrumentariums dir die Zunge, sodass du der leibhaftigen Tortur entgehst.«
»Die hält nicht lang durch«, prophezeite der Foltermeister abfällig. »Der klappern ja jetzt schon sämtliche Zähne. Seht sie Euch nur an!«
Er wandte sich an seinen Gehilfen: »Die Daumenschrauben her, und den Spanischen Stiefel!«
Der Folterknecht schleppte beides herbei.
Die Daumenschrauben bestanden aus zwei nietengespickten Backen, einer oberen und einer unteren, die sich durch Betätigung eines Gewindes schraubzwingenartig um die Fingerglieder schlossen – im Extremfall, bis die Knochen brachen oder die Finger zermalmt wurden.
Bei der Anwendung des Spanischen Stiefels wurden die Unterschenkel des Delinquenten zwischen zwei nietenbesetzte Schienen gelegt und mittels Schrauben zusammengepresst.
Um meine Angst vor den Werkzeugen zu verschärfen, legte der Foltermeister mir den Spanischen Stiefel an, ohne zunächst ernsthaften Gebrauch davon zu machen.
Abermals drängte mich der Inquisitor: »Bekenne die Frevel, die du begangen hast, dann bleibt dir die Peinigung erspart!«
»Sicher«, presste ich hervor. »Aber dafür brenne ich auf dem Scheiterhaufen.«
Der Inquisitor neigte sich über mein Ohr und sprach: »Flammen wirken reinigend. Im vorgezogenen Fegefeuer wird vielleicht deine Seele gerettet.«
Die unsichtbare Qual, die mich im Folterkeller wie aus dem Nichts überfallen hatte, war kaum zu ertragen. Einen Augenblick lang vergaß ich meinen Zamis-Stolz.
»Ich bin nicht Annamaria Hilf!«, stöhnte ich.
Der Inquisitor...
Erscheint lt. Verlag | 29.6.2024 |
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Reihe/Serie | Das Haus Zamis |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond |
ISBN-10 | 3-7517-6786-X / 375176786X |
ISBN-13 | 978-3-7517-6786-6 / 9783751767866 |
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