Die kleine Pension am Kalterer See -  Sara Pepe

Die kleine Pension am Kalterer See (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
232 Seiten
Edition Raetia (Verlag)
978-88-7283-947-8 (ISBN)
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'Von allen Fenstern im Haus konnte man die Kalterer Weinberge sehen, und Rosina liebte es, wenn sich die Blätter im Herbst bunt verfärbten und der See am Morgen glitzerte.' Die 14-jährige Rosina verlässt in den 60er-Jahren ihr Zuhause, um bei Verwandten in Kaltern zu leben und zu arbeiten. Der jungen Frau fällt die Umstellung nicht leicht. Als sie nach einiger Zeit endlich beginnt, neue Freundschaften zu knüpfen, erhält sie eine Nachricht aus der Heimat, die ihr den Boden unter den Füßen wegzieht. Gleichzeitig bahnt sich eine zarte Liebesgeschichte mit dem charmanten Sepp an. Gemeinsam verfolgen die beiden den Traum, eine Frühstückspension am Kalterer See zu eröffnen. Doch der Bau der Pension und der Alltag sind für das junge Paar eine große Herausforderung. Mehr als einmal zweifelt Rosina an ihren Entscheidungen ...

Lebt mit ihrer Familie im Südtiroler Weindorf Kaltern, schreibt Kurzgeschichten und Romane. Im Eigenverlag hat sie bereits einige Bücher verschiedenster Genres veröffentlicht. Sie liebt es, mit ihren Worten andere Menschen zum Lachen, Weinen oder Nachdenken anzuregen.

Kapitel 2


Der Spiegel auf der Kommode beschlug, als Rosina eine Schüssel mit warmem Wasser abstellte. Auf ihrem Bett lagen ein Waschlappen und ein Handtuch. Als sie ihr Spiegelbild betrachtete, hörte sie die Stimme ihre Mutter: Du musst immer adrett sein, damit du einen Mann findest. Gut, dass Mama sie nicht sah. Rosinas blonde Locken hatten sich aus dem Tuch gelöst, das ihre Haare zurückhielt. Ihre blauen Augen waren müde, und auf ihrer Wange war ein dunkler Fleck zu sehen. Vermutlich hatte sie sich bei der Gartenarbeit mit den schmutzigen Händen ins Gesicht gefasst. Seufzend tauchte sie den Waschlappen ins Wasser, wusch sich notdürftig, zog sich um und schlüpfte ins Bett. Im Zimmer war es warm und das Öffnen des kleinen Fensterchens brachte keine Linderung. Die Geräusche des Hauses waren ungewohnt. Ein Knarzen hier, ein Rascheln dort. Rosina war nie von zu Hause weg gewesen und vermisste ihre zwei Schwestern, die sich abends immer an sie gekuschelt hatten. Magdalena war vier und Johanna drei. Die beiden waren immer an ihrer Seite gewesen. Rosina hatte ständig einem der Mädchen die Nase geputzt, sie getröstet oder einen Streit geschlichtet. Als Älteste oblag ihr die Pflicht, sich um die jüngeren Geschwister zu kümmern. Oft beneidete sie jene Freundinnen, die größere Geschwister hatten. Doch jetzt vermisste sie die Kleinen. Und nicht nur sie. Ihr fehlte das gewohnte Gemurmel, das aus der Stube in ihre Schlafkammer drang, wenn die Eltern sich abends leise unterhielten, das Knarzen der Treppe, wenn sie zu Bett gingen, die Geborgenheit ihres kleinen Häuschens. Der Bauch ihrer Mutter war wieder runder geworden und Rosina hatte gewusst, dass sie bald ein weiteres Geschwisterchen haben würde. Für morgen nahm sie sich vor, ihrer Familie gleich einen Brief zu schreiben. Doch noch bevor sie den Gedanken zu Ende führen konnte, fielen ihr die Augen zu.

Das Krähen eines Hahnes riss Rosina aus dem Schlaf. Übermüdet öffnete sie die Lider, wobei sie im ersten Augenblick nicht wusste, wo sie sich befand. Rosina schlug ihre Decke zurück, machte sich zurecht und ging in die Küche. Das Haus war friedlich und sie begann, das Frühstück vorzubereiten und den Ofen einzuheizen.

Mach dich nützlich, hörte sie die Stimme ihrer Mutter, als sie die Polenta aufwärmte, wie es ihr Hedwig am Vorabend aufgetragen hatte. Steh nicht im Weg und sei ein liebes Mädchen.

„Guten Morgen.“ Klaus betrat den Raum und sah sie freundlich an.

Rosina spürte, wie ihre Wangen heiß wurden, als sie dem gutaussehenden jungen Mann gegenüberstand. Sie senkte den Blick.

Sei nicht so schüchtern und antworte dem Mann, hörte sie gedanklich ihre Mutter.

Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und erwiderte den Gruß, bevor sie alles für das Frühstück auf den Tisch in der Stube stellte.

„Mutter müsste bald aufstehen. In der letzten Zeit plagt sie die Gicht. Sie wird alt, sagt sie immer.“ Klaus schmunzelte. „Hast du gut geschlafen?“

Rosina nickte und holte Teller und Besteck, wobei sie sich innerlich für ihre Schamhaftigkeit verfluchte.

„Hat Mutter dir für heute bereits einige Aufgaben gegeben?“

Sie schüttelte den Kopf.

Klaus lächelte. „Du bist ja ein schüchternes Ding. Keine Sorge, ich tue dir nichts.“

Verlegen stand Rosina vor ihm und wusste keine Antwort.

„Morgen“, grüßte Hedwig und ersparte den beiden eine Erwiderung. „Wie ich sehe, hast du das Frühstück vorbereitet. Lasst uns essen.“ Sie setzte sich mit ungelenken Bewegungen. Ihr gequälter Gesichtsausdruck verriet, dass sie Schmerzen hatte.

„Soll ich einen Kräutertee machen?“, fragte Rosina. Manchmal hatte sie ihrem Vater einen zubereitet, wenn es ihm nicht gut ging.

„Das ist lieb von dir, aber ich brauche nichts. Gegen das Alter hilft keine Medizin.“

Klaus warf Rosina einen Was-habe-ich-dir-gesagt-Blick zu, und sie verkniff sich ein Lächeln.

Nach dem Frühstück räumte Rosina das Geschirr weg und Hedwig wies ihr weitere Aufgaben zu. Zuerst versorgte sie die Hennen, sammelte die Eier ein und putzte das Gehege, wobei sie den Zaun auf Löcher kontrollierte – der Fuchs sollte es nachts auf der Jagd nicht zu leicht haben. Anschließend wusch sie in einem Bottich mit Lauge die Wäsche und rieb sie so lange über das Brett, bis der letzte Fleck verschwunden war. Das Wasser, das sie vom Brunnen holte, war eiskalt, ihre Finger wurden trotz der Wärme des Spätsommers kalt, als sie die Kleidung spülte und anschießend auswrang.

Als sie gerade die letzten Kleidungsstücke an der Leine aufhängte, vernahm sie Hedwigs Stimme: „Rosina? Bereitest du Speckknödel mit Krautsalat zu Mittag für uns zu? Klaus und die anderen Männer arbeiten heute im Weingut.“

Im Hintergrund hörte sie die Kirchenglocken, die halb zwölf schlugen.

„Ja, Hedwig“, antwortete sie, lief in die Küche und bereitete das Essen zu, wobei sie insgeheim schmunzelte. In Kaltern sagte man uns anstatt ins, wie es im Dialekt üblich war, was ihr gerade bei Hedwig aufgefallen war. Mama hatte ihr vor der Abreise erzählt, dass dies die Herrgottskinder, wie man die Einwohner von Kaltern auch nannte, verriet.

Als Rosina gerade das Essen auf den Tisch stellte, betrat Hedwig die Stube und setzte sich. Das Mädchen nahm ein Stück Brot und hielt inne. „Warum nennt man die Kalterer eigentlich Herrgottskinder?“

Amüsiert sah Hedwig sie an, ein Lächeln auf den Lippen. „Du weißt ja, dass jeden Freitag um fünfzehn Uhr, zur Sterbestunde Christi, die Glocken läuten? Nun, die Legende besagt, dass früher die großen Glocken nur zur Sterbestunde eines Kalterer Bürgers geläutet wurden. Ein Fremder habe dann Gold bezahlt, um dem Herrgott das Bürgerrecht in Kaltern zu kaufen. Damit die großen Glocken am Freitag zukünftig auch für diesen läuten.“

Rosina lächelte.

„Kennst du die Geschichte um den Kalterer See?“, fragte Hedwig.

Rosina schüttelte den Kopf und sah aus dem Fenster. Vor ihr erstreckte sich das Blau des Kalterer Sees.

„Um zu entscheiden, ob der See zu Kaltern oder zu Tramin gehört, gab es einen Wettlauf zwischen den beiden Dörfern. Die Kalterer haben gewonnen, weshalb der See seitdem zu Kaltern gehört. Wie viel Wahrheit dahintersteckt, weiß ich nicht, aber ich muss immer schmunzeln, wenn ich darüber spreche.“

„Falls es wahr ist, wird das die Traminer sehr geärgert haben.“ Rosina liebte es, den Sagen und Erzählungen aus vergangenen Zeiten zu lauschen.

„Ich würde sie nicht damit aufziehen. Es ist ihr wunder Punkt.“ Hedwig zwinkerte ihr zu und lud sich Essen auf den Teller. Rosina hatte reichlich zubereitet, denn die Knödel konnten sie zum Abendessen in Scheiben schneiden und braten.

Bevor sie etwas darauf antworten konnte, klopfte es laut an der Stubentür und ein junger Mann steckte den Kopf herein. Mit seinen dunklen Haaren und seinem sonnengebräunten Gesicht schien er beinahe südländisch. Seine braunen Augen wirkten freundlich und sanft.

„Hallo Sepp, schön dich zu sehen.“ Hedwig erhob sich. Ihre Stimme war gütig, der unangekündigte Besucher schien sie nicht zu stören.

„Entschuldigt bitte, ich habe gerufen und an die Küchentür geklopft. Sie war nur angelehnt, also bin ich eingetreten.“ Er lächelte verschmitzt. Dabei bildete sich auf seiner linken Wange ein Grübchen.

Rosina merkte, dass sie ihn anstarrte, und blinzelte.

„Sepp, darf ich vorstellen: Das ist Rosina, meine Großnichte aus Salurn.“

Rosina stand auf und bemühte sich seinem Blick standzuhalten.

„Freut mich, dich kennenzulernen“, sagte er freundlich.

„Danke, ebenfalls.“ Sie lächelte schüchtern.

„Heute Morgen habe ich Klaus getroffen“, wandte er sich an Hedwig. „Ich habe Hecht gefangen und er meinte, dass ich euch welchen für das Abendessen bringen soll.“

„Gerne. Möchtest du mit uns essen?“

Sepp winkte ab. „Ich will mich nicht aufdrängen. Der Eimer mit den Fischen steht in der Küche.“

„Das tust du nicht, ich habe es doch angeboten.“ Hedwig lächelte. „Setz dich. Das Mädchen holt dir einen Teller.“

Rosina nickte und folgte der Anweisung.

Neugierig musterte sie Sepp, als er sich hinsetzte. „Danke für das Essen.“

Hedwig nickte. Sie sprachen ein Gebet und...

Erscheint lt. Verlag 25.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 88-7283-947-5 / 8872839475
ISBN-13 978-88-7283-947-8 / 9788872839478
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