D.C. ODESZA ist das Pseudonym einer jungen, deutschen Autorin. Seit ihrem Studium in Germanistik- und Geschichtswissenschaft schreibt sie Fantasygeschichten und spannungsgeladene Romane, die sich durch tiefe Gefühle, sinnliche Momente und tiefbewegende Handlungen auszeichnen.
KAPITEL 1
Renn! Renn schneller!«
Die pure Entschlossenheit, zu morden,
funkelt in seinen pechschwarzen Augen.
Wenn ich nicht renne, weiß ich,
wird er mich töten!
Als kühle Finger über meinen Nacken streichen, Lippen einen kitzelnden Atem auf meinem Hals hinterlassen, bleibe ich mitten in der Menge wie erstarrt stehen.
Er ist hier.
Ruckartig wende ich mich um, doch niemand ist hinter mir zu sehen. Keine dunkle Gestalt steht hinter mir, das Gesicht unter einer Kapuze verborgen, die Lippen zu einem verdorbenen Lächeln verzogen.
Trotzdem rast mein Herz wie nach einer Verfolgungsjagd. Ich habe den Eindruck, es schlagen hören zu können, obwohl ich mich mitten im Nachtclub Crystal Passion befinde, Stroboskoplichter meine Netzhaut überreizen, sich betrunkene Menschen um mich herum auf der Tanzfläche bewegen, lachen, grölen und Nebel zwischen die Gäste geblasen wird.
Als ich mich einmal um meine eigene Achse gedreht habe, greife ich unter meinem Pferdeschwanz in meinen Nacken, dort, wo ich seine Finger gespürt habe. Er prickelt immer noch.
»Nuria«, ruft mich Rhea, die vom Nebelschleier verschluckt wird. Flüchtig kann ich ihre Silhouette im grellen Blitzlicht erkennen. Noch bevor ich meine Hand nach ihr ausstrecken kann, umfasst jemand meinen Arm und zieht mich tiefer in die Menge.
Mehrfach blinzele ich, versuche, im Nebel etwas zu erkennen, bevor ich gegen eine harte Brust pralle und den Kopf in den Nacken legen muss, um meinem Gegenüber ins Gesicht blicken zu können. Doch da ist kein Gesicht zu sehen. Ich erkenne bloß weiß leuchtende Runen auf reiner Dunkelheit.
Verwirrt von dem Anblick stoße ich mich von der Person ab. Die Techno-Beats hämmern laut in meinen Ohren.
Obwohl ich ein »Nein« ausstoße, gibt die Person meine Hand nicht frei. Komplett schwarz gekleidet wie ein Dämon, der diesen Club durch eine Höllenpforte betreten hat, ragt er groß und mächtig vor mir auf, das Haar unter einer Kapuze versteckt, die Augen kaum sichtbar.
Es wäre meine Chance, mein Moment, um ihn zu enttarnen. Herauszufinden, wer die Person ist, die mich seit Wochen wie ein Geist verfolgt. Oder ist er doch nur ein normaler Clubbesucher? Denn heute ist Halloween. Fast jeder ist verkleidet oder trägt eine Maske.
Mit einem Ruck entziehe ich mich seinem Griff und wanke zurück, pralle gegen einen Kerl hinter mir, falle praktisch in seine Arme und werde mit seinem Guinness überschüttet. Shit!
Der Alkohol tränkt meinen kompletten Rücken, wird von meiner schwarzen Korsage aufgesaugt und rinnt kitzelnd mein Rückgrat hinab bis zu meinem Minirock, unter dem ich Strumpfhosen mit schwarzen Rosen und Glitzersteinen trage.
»Tut mir leid«, entschuldige ich mich bei dem Mann hinter mir, noch bevor mich der mit Kunstblut bemalte Kerl mustern kann. Als seine betrunkenen Augen sich in meinem Ausschnitt verlieren, legt sich eine schwarze Hand um die Kehle des fremden Mannes vor mir und eine weitere um meine Taille.
Mit einem harten Stoß wird der Kerl vor mir von der Gestalt hinter mir in die tanzende Menge gestoßen. Er ist es wirklich. Demon. Mein Stalker.
»Scheiße, verdammt. Was … Was … machst du hier?«, frage ich ihn und versuche, die Finger um meinen Bauch zu lösen. Doch sie bohren sich besitzergreifend immer tiefer in meine Mitte.
»Willst du zu ihm?«, raunt er mir ins Ohr. »Oder mit mir in der Dunkelheit verschwinden?«
Welche Dunkelheit? Auf gar keinen Fall gehe ich mit ihm mit. Allein bin ich ihm wehrlos ausgeliefert. Das wäre lebensmüde.
Plötzlich gehen die Lichter aus. Die Musik um uns herum verstummt, und kurzzeitig steht die Welt still. Ein Stromausfall. Was zur Hölle …?
»Sag schon.« Sein Atem schmeichelt meinem Ohr.
»Ich will weder das eine noch das andere.«
Ein dunkles Lachen dringt an meine Ohren. »Dann entscheide ich für dich.«
Ehe ich begreife, was er vorhat, hebt er mich hoch, trägt mich in seinen Armen und bahnt sich einen Weg durch die Menge, als könnte er im Dunklen sehen wie ein Wolf.
»Verdammt, lass mich runter. Ich kann selbst laufen.«
»Und dich in andere Hände verirren. Nein.«
»In deinen Händen will ich noch weniger sein.« Obwohl ich seine Stimme bloß wenige Male gehört habe, weiß, wie sonor und tief sie klingt, verursacht sie auch in diesem Moment Gänsehaut auf meinem Körper. Ich zappele und rufe nach Rhea. Doch unter den Clubbesuchern ist Panik ausgebrochen, alle rufen blind und aufgeregt Namen durcheinander, und meine Schreie gehen im Lärm unter.
»Du entscheidest nicht über mich. Lass mich los. Verschwinde, Demon!«
Mir entgeht nicht, wie er einen harten Stoß abfängt, der mich nicht erreicht. Unerwartet gibt er mich frei, lässt mich los, und die Sohlen meiner Overkneestiefel berühren festen Boden.
Seit wann hört er auf meine Anweisungen? Ein seltsames Gefühl dehnt sich in meinem Brustkorb aus. Ich bin verwirrt und irgendwie enttäuscht, als er macht, was ich verlange. Irgendwie hatte ich angenommen, er würde es mir nicht so leicht machen und, wie sonst auch, mit mir spielen.
Verwundert drehe ich mich zu ihm um. Das Einzige, was ich inmitten der erstickenden Finsternis ausmachen kann, sind die leuchtenden Runen, die auf sein ansonsten im Dunkeln liegendes Gesicht gemalt worden sind.
»Lauf!«, befiehlt er mir.
»Was?«, frage ich irritiert.
»Lauf, denn wenn ich dich das nächste Mal erwische, werde ich nicht so gnädig sein, und du gehörst mir.«
Es wird kein nächstes Mal geben, da ich von ihm freikommen werde – nein, muss – und morgen Barcelona verlasse. Für eine sehr lange Zeit. Ich brauche Abstand von ihm, von meiner Familie, von diesem Leben.
»RENN!«, brüllt er mich an, sodass sein bedrohlich gebellter Befehl mich bis ins Mark trifft und weitere Gäste aufschreckt. Denn sie folgen seiner Anweisung und rennen. Rennen los, als wäre ein Feuer ausgebrochen.
Von seiner Anweisung zucke ich zusammen, dann wende auch ich mich um und eile los. Um nicht gegen andere Personen zu prallen, strecke ich die Arme nach vorn aus und laufe blind durch die Menge. Laufe Richtung Ausgang, der sich rechts von mir neben der Bar befindet. Irgendwann werde ich vom Strom der aufgebrachten Menschen mitgerissen.
»Hier geht es raus!«
»Der Ausgang ist da vorn!«
»Ich will hier raus!«
»Hilfe!«
»Schaltet das verdammte Licht wieder an!«
Um mich herum dringen unterschiedliche Stimmen an mein Ohr. Ich mische mich weiter unter die Gäste, hole wie die anderen mein Smartphone aus der Handtasche und versuche, im Licht der Taschenlampe einen Weg auszumachen. Eine gewaltige Traube hat sich vor den schwarzen Türen gebildet, über denen das rote Exit-Schild leuchtet. Ich entdecke panische Gesichter, die als Hexe, Teufel oder Kürbismonster geschminkt sind, aber finde Rhea nicht. Sie trägt eine auffällige weiße Perücke und eine Knochenkrone auf dem Kopf. Ihr Gesicht ist weiß geschminkt, die Augenhöhlen sind pechschwarz bemalt, als hätte sie schwarze Tränen geweint. Sie müsste in der Menge auffallen. Wo ist sie?
»Rhea!«, rufe ich wieder ihren Namen und schaue mich suchend um. Jemand stößt mir seinen Ellenbogen gegen den Oberarm, jemand anderes tritt mir auf den Fuß. Mein Rücken klebt immer noch vom Guinness. So hatte ich mir meinen letzten Abend nicht vorgestellt.
Ich kann den Nachtclub nicht ohne meine Freundin verlassen.
Renn! – verfolgt mich der Befehl meines Stalkers. Scheiße, nein. Das hier ist kein Spiel. Bisher hat er mir nie ernsthaft wehgetan oder mich verletzt. Wenn ich seine Anweisung nicht befolge, wird er mich wohl nicht bestrafen. Hoffentlich. Falls doch … Darüber darf ich jetzt nicht nachdenken. Ich muss...
Erscheint lt. Verlag | 27.6.2024 |
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Reihe/Serie | Beloved Villain |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Ana Hunag • Bestsellerautorin • Booktok • Dark Romance • D.C. Odesza • Forbidden Love • H.D.Carlton • J.S. Wonda • New Adult • Sexy • SPICE • Stalker-Trope • TikTok |
ISBN-10 | 3-492-60871-X / 349260871X |
ISBN-13 | 978-3-492-60871-8 / 9783492608718 |
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