Mit jeder kleinen Entscheidung -  Tamera Alexander

Mit jeder kleinen Entscheidung (eBook)

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2024 | 1. Auflage
414 Seiten
Francke-Buch (Verlag)
978-3-96362-764-4 (ISBN)
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Ein Haus. Zwei Frauen. Zwei Jahrhunderte. Als Innenarchitektin ist Claire überaus erfolgreich, aber ihre Ehe steckt wegen einer Beinahe-Affäre ihres Mannes in einer tiefen Krise. Als dieser kurzerhand eine unter Denkmalschutz stehende Südstaatenvilla in Atlanta kauft, um weit weg von Denver einen Neustart herbeizuführen, ist Claire entsetzt. Doch sie versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Überraschend findet Claire das Tagebuch von Charlotte Thursmann, die gut 150 Jahre früher in der Villa gelebt hat. Fasziniert taucht sie in deren Welt ein und lernt eine Frau kennen, die ähnliche Kämpfe austragen musste wie sie ...

Tamera Alexander ist für ihre historischen Romane schon mehrfach mit dem Christy Award ausgezeichnet worden, dem bedeutendsten christlichen Buchpreis in den USA. Sie hat zwei erwachsene Kinder und lebt mit ihrem Mann in Nashville. www.tameraalexander.com www.instagram.com www.facebook.com

Kapitel 2

Mit einem eingeübten Lächeln begrüßte ich Patrice Yancey in der Lobby, die dort mit ihrem kleinen verwöhnten Pudel auf dem Schoß saß. Patrice erhob sich und von jeder nur denkbaren Stelle ihres Körpers baumelte Schmuck. Das Haar wasserstoffblond, falsche Wimpern, Haut, die zu lange in der Sonne gewesen war, und eine Liebe für Push-up-BHs, die so beängstigende Schluchten zum Vorschein brachten, dass selbst die wagemutigsten Klippenspringer das Weite suchen würden. Trotzdem konnte sie mit ihren fünfundachtzig Jahren immer noch die meisten Leute in den Wahnsinn treiben. Dazu kam ein starker Eigensinn. Diese Frau war in den sechs Jahren, seit ich für sie arbeitete, eine echte Herausforderung gewesen.

Aber der Grund, warum sie ihr achthundert Quadratmeter großes Zuhause unablässig neu umgestaltete, erweichte mein Herz – und natürlich die beträchtlichen Einnahmen, die sie uns bescherte.

»Claire! Die Kühlschrankfächer müssen unbedingt verändert werden. Ich habe die ganze Nacht wach gelegen und überlegt, dass sie in der Kücheninsel besser untergebracht wären. Sie hatten ja von Anfang an vorgeschlagen, dass sie dort besser wären, aber …«

Ich hörte ihr zu und registrierte sowohl das, was sie sagte, als auch das, was sie nicht sagte.

»… wie Sie immer betonen: Mein Haus ist eine Erweiterung von mir selbst und ich muss damit glücklich sein. Und das bin ich im Moment definitiv nicht! Aber Ihr Möbelmensch ruft nicht zurück, obwohl ich ihn gestern Abend siebenmal angerufen habe!«

Sie holte Luft und ich nutzte meine Chance. »Ich kann gern den Subunternehmer für Sie anrufen und wir werden uns gemeinsam bemühen, alles zu Ihrer absoluten Zufriedenheit zu gestalten.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob er wiederkommt. Und ich bin auch nicht sicher, ob ich das will.« Der kleine Pudel auf ihrem Schoß knurrte, als wolle er ihr zustimmen. »Das letzte Mal hat er zu mir gesagt, dass ich mich an die Entscheidungen halten solle, die ich getroffen habe. Was für eine Frechheit! Wir brauchen jemand anderen, Claire! Heute! Jetzt!«

Da ich diese reißenden Wasserschnellen schon öfter bezwungen hatte, deutete ich zum Besprechungszimmer. »Zuerst einmal sollten Sie und Beatrice es sich gemütlich machen.« Ich wandte mich an Andrew, der am Empfangspult saß. »Würden Sie Mrs Yancey bitte eine Himbeerlimonade bringen – mit drei Eiswürfeln und zwei Zitronenscheiben. Und dazu eine halbe Tasse Schlagsahne für Beatrice bitte.« Er und ich zwinkerten uns unauffällig zu.

Falls der Möbelbauer das tatsächlich zu ihr gesagt hatte, musste ich ein ernstes Wort mit ihm reden. Er war sehr gefragt, aber er war auch noch jung und vielleicht noch etwas unerfahren. Eine wohlhabende Stammkundin hatte das Recht, ihre Meinung zu ändern, egal wie frustrierend das für ihn war.

Ich entschuldigte mich, um die Akte von Patrice aus meinem Büro zu holen. Ich konnte es kaum erwarten, meiner Chefin, Sandra Schaffer, vom Ausgang meines Kundengesprächs von heute Morgen zu berichten. Stephen hatte nicht einmal danach gefragt, obwohl ich ihn gestern Abend am Telefon daran erinnert hatte.

Ich hatte den Eindruck, dass wir beide in letzter Zeit – nun eigentlich schon seit mehreren Jahren – nebeneinanderher lebten. Aber so war es nicht immer gewesen. Früher hatte er mich zum Lachen gebracht. Wir hatten füreinander sogar kleine Post-its versteckt. Wir hatten sie in Schubladen, in Schuhe und Kleidungsstücke geklebt. Ich erinnerte mich an eine Notiz, die ich beim Haarewaschen an einer Fliese entdeckt hatte. Ich musste selbst jetzt über die Worte lächeln, die Stephen damals geschrieben hatte, und war dankbar, dass Maggie sie nicht gesehen hatte. Dieser Mann!

Ich liebte ihn. Trotz allem, was er getan hatte. Aber ihm wieder zu vertrauen, mich ihm gegenüber wieder verwundbar zu machen – das war viel schwerer. Es war lange her, seit einer von uns dem anderen ein Post-it geschrieben hatte. Ich fand, dass er derjenige war, der wieder damit anfangen sollte.

Ich nahm Patrice Yanceys Mappe und war überzeugt, dass die Kühlschrankfächer problemlos umgebaut werden konnten. Kennengelernt hatte ich Patrice einen Monat nach dem Tod ihres Mannes, mit dem sie achtundsechzig Jahre verheiratet gewesen war. Der Herzinfarkt war ohne Vorwarnung gekommen. Keine Gelegenheit, sich zu verabschieden. Irving Yancey war offenbar nachts aufgestanden, um ein Glas Saft zu trinken. Patrice hatte ihn am nächsten Morgen auf dem Küchenboden gefunden.

Jetzt ließ Patrice zum dritten Mal, seit sie ihn beerdigt hatte, ihre Küche umbauen. Aber egal, was man machte – einige Bilder ließen sich nicht auslöschen.

Achtundsechzig Jahre …

Stephen und ich hatten erst zweiundzwanzig Jahre geschafft, und wenn sich nicht einiges deutlich änderte, konnte ich mir keine weiteren sechsundvierzig Jahre mit ihm vorstellen. Noch einmal so lange, wie ich bereits lebte? Ernüchternd. Ich wäre dann zweiundneunzig. Aufgrund der aktuellen Umstände in meinem Leben und auf der Welt war ich nicht sicher, ob ich dieses reife Alter überhaupt erreichen wollte.

Das Telefon auf meinem Schreibtisch klingelte. Es war Sandra.

»Wie lief der Bellingham-Termin, Claire? Du warst erfolgreich, nehme ich an?«

»Ja, es lief sehr gut! Wir haben mit dem Architekten gesprochen und ich habe unterschriebene Verträge für das Haus, das Poolhaus und das Gästehaus mitgebracht. Wir haben vereinbart, die Pläne für das Bootshaus auf später zu verschieben. Angesichts des Einflusses, den die Bellinghams in dieser Stadt haben, würde es mich nicht überraschen, wenn es auf dem Titelblatt von Denver Homes & Lifestyles erscheint. Es wird spektakulär!«

»Ich muss Sie korrigieren, Ms. Powell. Ihr Können wird dieses Haus auf das Titelblatt bringen. Und genauso wie damals nach deiner ersten Titelstory rechne ich damit, dass uns diese Werbung neue Kunden bringen wird.«

Ich lächelte bei ihrem Lob. »Können wir später weitersprechen? Mrs Yancey wartet auf mich.«

»Natürlich. Kümmere dich unbedingt um unsere liebe Mrs Yancey. Und komm danach zu mir. Es ist wichtig.«

»Wird gemacht.«

Zu sagen, dass ich Sandra bewunderte, wäre stark untertrieben. Sie war kürzlich vom Network Journal mit dem jährlich verliehenen Preis für einflussreiche afroamerikanische Geschäftsfrauen ausgezeichnet worden und hatte Schaffer & Partner gegründet und aufgebaut. Ich war stolz, zu ihren drei leitenden Mitarbeiterinnen zu gehören, und musste mich immer noch kneifen, um glauben zu können, dass ich beruflich das machen konnte, was ich so liebte.

Warum wollte sie mich sprechen? Gab es vielleicht Probleme bei der Renovierung der Patricks-Eigentumswohnung? Oder bei dem »viktorianischen Ungeheuer«, wie wir das massive Haus im Stil des 19. Jahrhunderts nannten, das die Stewarts bauten? Ich war heilfroh, dass dieses Projekt bald zu Ende war. Als ich das Büro verließ, fiel mein Blick auf den Würfel mit Post-its auf meinem Schreibtisch und ich zögerte, dann steckte ich ein paar in meine Tasche.

Eine Stunde später begleitete ich eine deutlich zufriedenere Patrice Yancey in die Lobby und steuerte dann auf Sandras Büro zu.

Gedämpfte Weiß- und Hellgrüntöne vermittelten eine unaufdringliche Eleganz, die das Markenzeichen von Schaffer & Partner war, eine der exklusivsten fünf Innenarchitekturfirmen der letzten sechs Jahre. Sandras Energie und Geschäftssinn machten sie zu einer ausgezeichneten Mentorin. In den letzten zehn Jahren hatte ich mir zum Ziel gesetzt, von ihr so viel wie möglich zu lernen – auch wenn es ihr nicht gefiel, dass ich die modernen Gegenstände, die ein Kunde wollte, bei günstigen Ladenketten kaufte. Aber warum sollte man mehr Geld als nötig ausgeben? Schließlich hatte sie es mir widerstrebend erlaubt, nachdem ich ihr versprochen hatte, dass ich das nicht an die große Glocke hänge. Das war ein Running Gag zwischen uns geworden.

In diesen Jahren waren wir auch gute Freundinnen geworden, hauptsächlich weil sie während einer hässlichen Scheidung, die sie vor einigen Jahren durchgemacht hatte, ein offenes Ohr gebraucht hatte. Aber ich bemühte mich, unsere berufliche Beziehung professionell zu halten. »Freundschaften sollten abseits des Arbeitsplatzes stattfinden«, sagte Stephen immer – ein Rat, den er selbst prompt vergessen hatte.

Sandra blickte von ihrem Laptop auf, als ich ihr gegenüber Platz nahm.

Sie deutete auf ihren Bildschirm. »Die Bellingham-Anzahlung ist gerade auf dem Konto eingegangen. Wirklich bemerkenswert, muss ich sagen. Du bist die beste Geschäftsfrau, die ich habe.«

»Danke. Ich habe von der besten gelernt.« Mein Smartphone vibrierte. Ich ließ den Anrufbeantworter drangehen, ohne nachzusehen, wer es war.

»Ich sehe in dir sehr viel von mir, Claire. Im positiven und im negativen Sinn.« Lächelnd zog sie eine Braue hoch und beugte sich vor. »Du bist meine beste und erfolgreichste Innenarchitektin. Du trittst genau so auf, wie es auf deiner Visitenkarte steht: Ruhig, kompetent und zuverlässig. Die Kunden vertrauen dir. Deshalb …« Sie stand auf und reichte mir die Hand. »… möchte ich dir eine Veränderung unseres Firmennamens ankündigen. In Zukunft heißen wir Schaffer, Powell & Partner. Wie klingt das?«

»Sandra, ich-ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

Aber die...

Erscheint lt. Verlag 1.5.2024
Übersetzer Silvia Lutz
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-96362-764-6 / 3963627646
ISBN-13 978-3-96362-764-4 / 9783963627644
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