Großspurig -  Michael Maniura

Großspurig (eBook)

Bahnlinie Europa - Amerika
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
192 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-9018-7 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
5,49 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
In diesem Roman, dessen Anfänge bis in das Jahr 1973 zurückreichen, wird literarisch ein Traum verwirklicht, der wohl nie Wirklichkeit werden wird. Die ersten 12 Kapitel erschienen vorab in der Anthologie »Gestern und morgen« unter dem Titel »Der Stockholm-Kurier«.

Michael Maniura, Jahrgang 1953, ist seit seiner Kindheit glühender Eisenbahnfan. Seit er lesen kann, zudem Fan von Science Fiction. Was lag für seinen ersten Roman näher, als diese beiden Leidenschaften miteinander zu verbinden?

2


Hier steh' ich nun, ich armer Tor, und bin nicht klüger als zuvor, dachte sich Karl Schmidt, als er die Stellenanzeigen durchgelesen hatte.

Seit etwa einer Woche studierte er sie ergebnislos im ‚Offenburger Tageblatt‘; die Motorenwerke suchten offenbar niemanden. Zwar hatte er bereits auf ihm verdächtig erscheinende Anzeigen, die unter Chiffre erschienen waren, geschrieben, aber stets waren es andere Firmen gewesen, die annonciert hatten. Auch auf die jetzt noch laufenden Schreiben wagte er nicht viel Hoffnung zu setzen.

Entmutigt ließ er das Blatt sinken und begann beinahe verzweifelt in dem Zimmer, das er sich gemietet hatte, auf und ab zu gehen. Mist, dachte er, Zimmer erwartet wöchentlich einen Bericht von mir; wie aber soll ich schreiben, wenn es mir bis jetzt noch nicht einmal gelungen ist, in der Firma unterzukommen. Du wirst alt, Karl; dazu hast du bisher immer nur zwei, höchstens drei Tage gebraucht.

Um die Schrecklichkeit dieser Erkenntnis etwas abzumildern, beschloss er schließlich, wieder einmal das nahgelegene Gasthaus aufzusuchen. –

„Entschuldigen Sie, ist dieser Platz noch frei?" unterbrach eine Stimme Schmidts durcheinanderlaufende Gedanken. „Ja, sicher“, erwiderte dieser und räumte seine mit Zeitungen vollgestopfte Aktentasche beiseite. Während der Fremde sich niederließ und nach der Speisekarte griff, fand Schmidt, mehr unbewusst, Zeit, ihn zu betrachten. Er war ein schlanker, wenn auch nicht allzu großer Mann mit weichen, fast schüchtern wirkenden Gesichtszügen.

Wegen seiner eleganten Kleidung hätte Schmidt ihn auf Anhieb als den Typ eines Juniorchefs, der seinen Posten von seinem Vater übertragen bekommen hatte und ihm nicht gewachsen war, katalogisiert.

„Entschuldigen Sie", wandte er sich erneut an Schmidt, „aber können Sie mir sagen, wo ich die Post finde? Ich bin nämlich fremd hier."

„Das bin ich zwar auch, aber wo die Post ist, kann ich Ihnen trotzdem sagen." Kein Wunder, dachte Schmidt, wenn man mehrmals täglich mit furchtbar schlechtem Gewissen daran vorbeigeht.

Wie zu erwarten war, entspann sich ein Gespräch, in dessen Verlauf Schmidt zu seinem Erstaunen zu hören bekam, dass sein Gegenüber kürzlich bei den Motorenwerken eingestellt worden war. „Wie ist Ihnen das denn gelungen? Ich suche nämlich, im Vertrauen gesagt, auch eine Stelle dort. Ich habe jedoch in der Woche, die ich jetzt die Zeitungen durchackere, kein Stellenangebot von dieser Firma entdecken können."

„Kunststück! Lassen Sie sich im Vertrauen von mir sagen, dass ich durch eine Empfehlung, durch Protektion gewissermaßen, hineingekommen bin. Andererseits, frage ich Sie, warum wollen Sie unbedingt dort anfangen? Es gibt, wie ich gehört habe, hier in der Gegend genug andere gut zahlende Firmen, die dauernd auf der Suche nach Arbeitskräften sind. Warum versuchen Sie's da nicht einmal?"

„Aus Profession, wenn ich so sagen darf. Ich bin – äh – Spezialist für Isolierplatten gegen radioaktive Strahlung, nichts Hohes, wie ich zugeben muss, aber doch ein recht guter Techniker." Schmidt atmete unhörbar auf. Wie gut, dass ihm das gerade noch eingefallen war, zumal er von dem angegebenen Wissensgebiet tatsächlich ein wenig verstand; er hatte einmal, bevor er Werkspion wurde, eine Lehre in dieser Richtung durchgemacht. „Ich glaube also, da ich weiß, dass man sich bei den Motorenwerken mit einem wirtschaftlichen atomelektrischen Antrieb befasst, dass ich dort genau am richtigen Platz wäre", schloss er harmlos.

„Das wird vielleicht sogar gehen, denn meines Wissens begnügt man sich immer noch mit einigen Starkstromtechnikern; die Reaktorplatten werden nach wie vor von den betriebseigenen Handwerkern nach Konstruktionsplan zusammengebaut. Ich glaube, da wäre ein Mann wie Sie nur zu empfehlen."

„Wären Sie …; wären Sie eventuell bereit, ein Wort für mich einzulegen? Hier meine Karte, und damit Sie wissen, wie Sie mich erreichen können." Es passte Schmidt durchaus nicht, auf diese Weise zu betteln, aber er musste in absehbarer Zeit eine Stellung bei den Motorenwerken finden, und diese Chance, die ihm vom Schicksal so unvermittelt geboten worden war, durfte er nicht verstreichen lassen.

Der andere sah ihn plötzlich so scharf an, wie Schmidt es von diesem kaum erwartet hätte. „Woher wissen Sie denn, dass ich so mächtig bin, dass eine Empfehlung nicht auf taube Ohren stößt? Vergessen Sie nicht, dass ich erst eine Woche da bin!"

„Ich weiß nicht, aber irgendwie sieht man Ihnen an, dass Sie kein Arbeiter oder niederer Angestellter sind." Der Angesprochene fühlte sich durch diese Worte offenbar geschmeichelt, denn seine so jäh gestrafften Züge entspannten sich und verwandelten sich in ein Lächeln. „Sie scheinen gute Menschenkenntnisse zu besitzen. Ich verrate Ihnen, dass ich Assistent bei Professor Windhoff – das ist der Obermächer der ganzen Forschungsabteilung – bin." Schmidt hätte fast aufgejubelt. Da hatte er schon einmal Verbindung mit einem sehr wichtigen Mann, über den er auch sicherlich viel erfahren konnte, sollte ihm der direkte Zugang zu Professor Windhoff verwehrt bleiben. Doch da fuhr sein Tischnachbar bereits fort: „Gelänge es Ihnen, den Posten, an den ich denke, zu erhalten, blieben wir also eng beisammen. Es ist zwar dumm, dass ich, kaum eine Woche da, jemanden protegiere, aber ich denke, ich kann die Notwendigkeit, einen Experten für radioaktive Strahlung einzustellen, durchaus plausibel machen.

Ich werde also versuchen, Sie bei uns einzuschleusen, denn ich glaube, dass wir gut zusammenarbeiten werden."

„Vielen Dank", sagte Schmidt, „ich werde mich, wann immer es möglich sein wird, revanchieren."

„Seien Sie nicht so siegessicher, Herr, äh, Schmidt", antwortete sein Gegenüber, „erstmal weiß ich nicht, ob man tatsächlich auf mich hören wird, und dann müssen Sie sich einer Art Eignungstest unterziehen; den müssen Sie unbedingt bestehen.

Ich muss das übrigens ebenfalls noch. Also, betrachten Sie sich bitte noch nicht als fest engagiert. Aber …; ich denke schon, dass es klappt."

Es passte Schmidt zwar nicht, dass er im Gelingensfall genau unter dem arbeiten sollte, von dem er dann total abhängig sein würde, aber einerseits war dieser gleichzeitig eine gute Brücke zu Professor Windhoff und andererseits bestimmt kein Tyrann. Naja, man muss eben nehmen, was sich bietet, dachte er. Währenddessen hatten beide sich erhoben und gaben sich die Hand.

„Also nochmals vielen Dank", sagte Schmidt, „und ich höre von Ihnen, Herr … ach ja, wie heißen Sie eigentlich?"

„Oh pardon, ich vergaß …; hier meine Karte! Und wünschen Sie mir viel Glück. Auf Wiedersehen, Herr Schmidt!"

„Auf Wiedersehen, Herr Valveta!" –

Wieder einmal hielt Zimmer einen seitenlangen Brief von Karl-Dietrich Schmidt in seinen Händen. Es handelte sich um ein für einen Unbeteiligten ermüdend langweiliges Schreiben, gerichtet an eine arme alte Tante. Für den Eingeweihten jedoch brauchte man nur auf die Blätter die richtige Schablone zu legen, um den eigentlichen Inhalt des Briefs lesen zu können, ein altbekanntes, aber sicheres Chiffre, denn die einzelnen Wörter waren durchaus nicht in derselben Reihenfolge zu lesen, wie sie auf dem Papier standen. Für jemanden, der diese Korrespondenz abfing, bestand also eine zweifache Schwierigkeit: Erst einmal hatte er herauszufinden, dass diese scheinbar harmlosen Schreiben Geheimbriefe waren, und zweitens musste er sie dann entziffern, was durch die Unzahl der Möglichkeiten so gut wie ausgeschlossen war.

Der Gedanke an dieses narrensichere System besserte jedoch Zimmers Laune nicht; sein bisher bester Agent, nämlich Schmidt, hatte sich in diesem Fall als ausgesprochen erfolglos erwiesen. Auch dieser Brief, den Zimmer jetzt in dechiffrierter Form vor sich liegen sah, verkündete keinerlei Fortschritte.

Ich bin jetzt Sicherheitsingenieur und dafür verantwortlich, dass die Reaktoren strahlungsundurchlässig sind. Ich habe festgestellt, dass sie wesentlich kleiner sind als es konventionelle mit gleicher Leistung wären; allerdings habe ich nicht in Erfahrung bringen können, wie das zugeht. Ebenso wenig weiß ich etwas von den Vorgängen in Stockholm; Direktor Gruiten sah ich nur bei meiner Einstellung und Sneider beim Eignungstest.

Professor Windhoff ist sehr mürrisch; aus ihm ist kaum etwas herauszubekommen, auch dürfte er kaum irgendwelchen Überredungsversuchen zugänglich sein. Bis jetzt leider Pleite auf ganzer Linie; tut mir leid. – Schmidt.

Das tut nicht nur dir leid, dachte Zimmer ergrimmt; einige Wochen lasse ich dich weiterwursteln, und wenn sich dann noch keine Erfolge einstellen, wirst du abgelöst. So geht es jedenfalls nicht mehr weiter. –

Das dachte auch Schmidt, als er in seinem Räumchen saß und die Geigerzähler prüfte. Er war, gemäß seiner Aufgabe, dabei, die Sicherheit der Kernbatterie zu prüfen. Nun war er endlich entschlossen, aufs Ganze zu gehen; bisher war er immer darauf bedacht gewesen, möglichst wenig aufzufallen; jetzt...

Erscheint lt. Verlag 12.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
ISBN-10 3-7597-9018-6 / 3759790186
ISBN-13 978-3-7597-9018-7 / 9783759790187
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 581 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Thriller

von Marc Elsberg

eBook Download (2023)
Blanvalet (Verlag)
19,99
Das Licht von Coelum

von Runa Rugis

eBook Download (2023)
epubli (Verlag)
6,99