Heinrich und die Denklust -  Wolfgang Eubel

Heinrich und die Denklust (eBook)

Band 1
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
662 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-3952-0 (ISBN)
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Das Romanfragment "Heinrich" aus den frühen 70er Jahren enthält bereits die ersten Keime der im 21. Jahrhundert entstandenen "Denklust", die in 36 Essays über die ersten und letzten, die größten und kleinsten Dinge berichtet: Das Universum, die Menschheit, Mann&Frau, Sprache, Ethik, die Philosoph Johann Sebastian Bachs u.v.a.m.. Gefolgt von einigen Geschichten, Rezensionen (u.a. Schillers Ode), Briefen zu allerhand Themen an allerhand Leuten, politische Stellungnehmen und einer abschließenden Autobiographie: Wie der Autor wurde, was er ist.

Cave facto lupo agnum.

Es war bitter kalter Novembermorgen, als Heinrich, einer jener eigenartig scheinbar unscheinbaren Gestalten mit hochaufgeschlagenem Mantelkragen, fröstelnd durch die Straßen seiner bisweilen bekannten Wege füßelte. Grau. Kaltwind schlich ihm um den Hals, Schulterhochziehen half wenig. Kalte Hände, obwohl in die Manteltaschen vergraben. Man muß sie bewegen, daß sie warm werden. Aber dann wird die Kälte nur noch spürbarer. Also stickum halten. Nicht daran denken. Nachher, wenn man gar nicht mehr daran dachte und sich wundert, daß sie von ganz alleine und unbemerkt warm geworden sind, freut man sich um so mehr.

Obwohl es mitter Mittag war, und die klare Kälte alles um ihn herum hätte erhellen und kristallen verklären müssen ( – ich denke da etwa an die kitschigschlechten Aktaufnahmen unterkühlter Stadthäuserreihen, zu deren Ablichtung der Fotograph den falschen Filter gewählt hatte – ) war es – allein schon, weil sich Heinrich so zu fühlen verständigt hatte – trüb und undurchsichtig: diese eine Straße, durch die er zwar schon gegangen war, doch noch nicht allzu oft: alles schien ihm so sehr fremd.

Fremd. Fremd! Fremd? Gut, ja, es schien ihm so sehr fremd und gut. Gut. Und wenn es hier auch nicht ganz fremd war – was kann man schon wissen, was die nächsten Schritte bringen.... (Ach, verschonen Sie uns doch mit Ihrer trüben Phantasie, mit dem aus Ihrer billigen TV-zeitschrift entsprungenem Straßenräuber, der mit einem Knüppel in der Hand hinter jeder Straßenecke steht!); oder, was einen bei der nächsten Hauseinfahrt erwartet...

(Sie kommen mir schon wieder mit Ihrer Phantasie in meine Geschichte? Wenn´s wenigstens eine congeniale wär´ – aber Sie mit ihrer platten PKW-un-fall-schaulust! Als ob unser Held schon auf der ersten Seite unseres Romans …. Ja, haben Sie´s bemerkt, OberschlaubergerIn, haben Sie´s gehörig konstatiert, analysiert, interpretiert, kritisch rezensiert, diesen plumpen Versuch des Produktgebers / Verkäufers / Autoren, Sie, den Produktnehmer / Käufer / Leser, mit dem Produkt / Artikel / Bericht zu identifizieren? Ja, haben Sie´s? – Gut! Sehr gut. Setzen. … Und auch den Effekt der Verfremdung durch metakommunikatorische Verschränkungen, Durchbrechung der Ebenen. … Ach, lassen Sie mich doch in Ruhe, Sie Oberstudienratte. … Und dann auch noch dieses näschen-gerümpfte „nach-brechtisch“, ja himmelherrgottnochmal, wir haben´s ja alle gehört und ich bekomme so langsam meinen Brechtreiz. …

Als ob unser Heinrich schon auf der ersten Seite unseres Romans auf diese banaldumme Weise ums Leben kommen könnte. Einfach lächerlich!)

… was also die nächste Hauseinfahrt – oder sagen wir besser (jaja, „ich“ sage, nicht Sie, wenn´s denn so recht ist, gnä´ Frau) sagen wir besser: Hauseingang: wer also weiß schon, was der nächste Hauseingang bringt.

Zeit läuft in stummen Bahnen ihre unergründlichen Schlingen – aber dazu komme ich (sehen Sie, gnädige Frau, ich bin halt doch lernfähig, jaja) später.

Heinrich! Lassen wir das alles und widmen uns der Gedanken, die rings um Dich die Welt erbauen. Es ist die Welt! Es ist Deine Welt, die Du dir erschaffst. Bauen ohne Ziegel, ohne Mörtel. An denen dereinst doch das Gas des Jetzt und, dereinst, der Stil des Zukünftigen nagt, moduliert und modernisiert. Eine Welt erschließen ohne Schlüssel. Denn durch dein Hirn hindurch wird geschöpft ohne Deines Wissens jämmerliche Oberfläche.

Aber alles ist so, wie wir es uns denken. Und wenn Du, lieber Freund, Trübsal bläst, so nutzt die ganze Heiterkeit aller fröhlichen Heerscharen nichts, die sich mal wieder einen abgiggeln, daß ihr Gevatter mal wieder in seiner Gita blättert und sich mal wieder köstlich über die Bauernschläue seiner schwangeren – hoppla! – Jungfrau amüsiert. Ja schon, ER hat die Himmel und die Erde erschaffen. Hat Sonne, Mond und alle Sterne befruchtet. Aber IHm jetzt auch noch einen selbstgezeugten Sohn unterzuschieben, das war wirklich ein bisschen zu viel des Zuguten. Aber sie singen ja ´Pater omnipotens´ und um die Schneid der Potens wär´s halt nichts gewesen, ohne ´pleni sunt coeli et terra´ – aber doch nicht also pleni!

Räume


Räume wo die Menschen steh´n

fallen niedrig dumpf auf

können kaum ein Wort versteh´n

nimmt in Zeit und Raum sein´ Lauf.

Hört!

Es marscht durch uns wie -

der hat es begonnen -

- eulengleich –

- endedereulengleich -

Einst schrie man: „Nie -

Wieder soll es kommen – “

- diebesgleich -

Duckmäuser!

Nun denn, Heinrich faßte wieder einmal Fuß auf einem jener quadratischen Pflastersteine, freute sich seiner blitzblankeligten Schuhe, der dunklen, bügelgefaltetfreien, wenn auch schon mächtig zeitbenagten, generationenerfahrenen Hose und eben jenes unscheinbaren Mantels – graugrün mit großen, hellbraunen Knöpfen, die nicht ohne weiteres passen wollten, hat er sie doch (vor Jahren schon, als der Mantel bereits das Prädikat „alt“ weghatte) einem fast neuen, unkleidsamen Kittel (der seinerseits dann dem Altkleidercontainer übergeben worden war, von wo aus er dann ... – aber wir schweifen ab) abgeschnitten, wo sie eigentlich hinpassten. Sie gefielen ihm eben und so nähten sie sich vom Kittel zum Mantel, wo sie objektiv-ästhetisch kaum tragbar waren, aber von ihm mit Freude getragen wurden. Der graue Schal nur wie zum Schein unter den breiten Mantelkragen gelockert. Hände tief in den Taschen vergraben. Kämpfend gegen einen Wind, der gar nicht blies, Kopf tief, Nacken eingezogen, gebeugter Oberkörper.

Ich lief mit jenem leeren Gefühl in Magen und Gehirn herum, das diese unnützen Soldaten jener unnützen, auftragslosen Armee mit sich im Standardgepäck herumtragen. --- zenseo --- denn, wie aus „Dokument 2, Anlage 1“ hervorgeht, kostet es 500 DM gewisse Fakten und ihre menschlichen Repräsentanten beim peinlich berührenden Namen zu nennen, und ich schreibe dieses Zeugs ja nicht, um Geld zu verlieren, sondern, um Geld zu.... – Na, Sie merken´s schon wieder, ja? Den V-mann-effekt, Ja? Denn is ja gut und ich kann weitermachen.

Aber auch ohne jede Armee im Nacken gilt es hier, seinen Kopf einzukaröffeln.

Ecke Arbeiterstraße einer dummen, armen, dennoch – eher: darum – arroganten, langweiligen, sturen Proletenbevölkerungsstadt. Nun bin ich hier, heiße Heinrich, bleibe an der Fußgängerbrücke, die sie Elefantenklo nennen, stehen, denke mit Aug´ und Ohr darüber nach, wo ich weitergehen soll. Blieb aber einstverweilend noch steh´n, sah die vielen Leute, Autos und Maschinen. Menschen, die ihre stolzen Plattnasen im Mief von NORDSEE und HORTI zur Schau der kalten Lüftchen stellen. Trotz dieser war kaum einer sonderlich warm gekleidet: ohne Mantel, viele Schlägermützen, graue Arbeiteranzüge über Arbeiterbuckel und Runzeln, verblasste Kittel, die sich im Laufe der Zeit ihren Trägerinnen, an denen der gleiche Zahn nagt, angepasst haben.

Eilig weiter. Vorbei ohne hinzuschauen. Sich überhaupt nicht daran erinnern wollen. Freudlose Wege. Hin zu lichteren Gegenden. Nötige lichte Weite für das Weltenall, nötige weite Leuchte für Lust. Hinweg, hinweg, zu anderen Gegenden. Gegenden des Landes, Land der Versprechung – des anderen. Auf!

Sah sie an, faßte sich am Arm – in diesen hellen Räumen, alles fraute sich um ihn. Er, unfähig, ermännlichte:

Deins


Deine großen Kulleraugen,

deiner Pupillen weites Meer,

ach, wie zieht alles das mich an

und doch: bin ich da

verlier´ ich mich auch schon

in Dir.

  • „Die Frau...“
  • Bitte, bitte, tu´ dir keinen Zwang an, mach was du willst, es hilft ja alles nicht, und so muß es denn wohl sein. Heinrich las weiter im feucht-schwülen Getobe:
  • „Die Frau – das ist doch wirklich das Ein-und-alles. Ein Leben ihr widmen, nichts als sie ansehen, schaun und ausloten!“
  • Ha! Arbeitssame Canaille! Die Frau ist so flach, daß sie der Tiefe des Mannes unendlich erscheint – und das fesselt dich, Lüstling des Fleisch gewordenen Geistes, an geistloses Fleisch.
  • „Ein Leben der Frau widmen, nur lieben ein tausendköpfiges Wesen, von Keiner dieser Einen den Blick lassen...“
  • Lüstling! Weißt du doch, daß sie alle gleich, alle ohnköpfig sind und siehst gleich tausend?
  • „Kurz: ganz und gar sich beherrschen lassen...“
  • Sklave!
  • „ ... und sie mit allen Augen beherrschen, alles daran setzen, ein Spiel und ein Ernst – und, verflucht, gewollt daran zu Grunde gehen.“
  • Sehr dramatisch!
  • „Von keiner lassen, an einer...

Erscheint lt. Verlag 31.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
ISBN-10 3-7597-3952-0 / 3759739520
ISBN-13 978-3-7597-3952-0 / 9783759739520
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