20 Märchenpoesien für Alt und Jung -  Paul Georg Bernecker

20 Märchenpoesien für Alt und Jung (eBook)

Neufassung beliebter Hausmärchen in Vers und Reim
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2024 | 1. Auflage
204 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-5425-7 (ISBN)
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Meine Kindheit fiel in eine Zeit, in der es für ein Kind nicht selbstverständlich war, die Eltern jederzeit spontan anzusprechen, denn nur allzu rasch handelte man sich die Rüge ein, "jetzt sprechen die Erwachsenen". Beim Essen herrschte für Kinder ohnedies ein striktes Redeverbot. In dieser wenig kommunikationsfördernden Atmosphäre war ich als Kind bestrebt, möglichst nur "wichtige" Aussagen zu machen und nur "vernünftige" Fragen zu stellen. So blieben manche wirklich interessanten Fragen ungeklärt: Ob die Königin dem hilfreichen Rumpelstilzchen das versprochene Kind nicht hätte überlassen müssen? Wieso der liebe Gott nicht wusste, wo sein verlorener Schemel war? Warum der dumme Hans als "Hans im Glück" bezeichnet wird? In diesem Märchenbuch habe ich es meinen unterdrückten Kindheitsfragen ermöglicht, sich neu zu stellen - und sie mir und allen interessierten Großen und Kleinen zu beantworten. Aber vielleicht findet ihr da und dort eine andere, eine bessere Antwort?

Paul G. Bernecker, geb. 1937, Wien. Ausbildung: Abgeschlossener Schulabbruch, Werbekaufmann, Verlagskaufmann. Managementausbildungen (Österr., Schweiz, USA). Berufe: Kundenbetreuer (Werbeagentur), Stv. Werbeagenturleiter, Werbeleiter (int. Nahrungsmittelkonzern), Österreich-Geschäftsführer (int. Mischkonzern), Verlagsleiter und Verleger. Seit dem Pensionsantritt 1997 freier Schriftsteller in Wien. Persönliche Entwicklung vom fragenden Atheisten zum fragenden und schließlich findenden Christen. Familie: Verwitwet; neu verpartnert; zwei Kinder, drei Enkel.

König Drosselbart
oder: Der gebrochene Hochmut


nach einem Volksmärchen aus der Sammlung der Brüder Grimm

Schön, wie viele Königstöchter
war auch diese. Und nicht schlechter.
Etwas Spottlust und Gespreiztsein
war ihr eigen, auch Gereiztsein,
angesichts so mancher Zwänge,
die als Etikettenstrenge,
auf ihr lasteten – als Pflicht!
Doch der Königsvater spricht:
„Schönheit wär doch nichts als Leere,
wenn nicht Pflichtbewusstsein wäre!“
Grübelnd saß er da und sann:
„Gut wär's, einem klugen Mann,
meine Tochter zuzuführen –
ihr vergingen die Allüren!“

Rasch entschlossen schickt' er gleich
seine Boten durch das Reich,
die, aus edlen Unvermählten
Allerwürdigste erwählten,
luden sie zum Brautschau-Feste
als des Königs werte Gäste.
Als sie dort zusammentrafen –
Herzog, Fürsten, Ritter, Grafen –
war ein König unter ihnen,
aus dem Nachbarland erschienen.
Großmut zeigt' der Königsvater:
Anders als manch andrer tat er
sich hervor: Sein Kind durft' wählen,
sich nach eigner Wahl vermählen –
freilich auf den Pulk beschränkt,
der sich hier als Gäste drängt'.
Unter edlen Dicken, Blinden,
war der Rechte schwer zu finden;
vornehm-Dünne, leicht Verbaute
als Gemahl? Der Schönen graute!
Ihre Perfektionsmarotte
riss sie hin zu keckem Spotte:
„Seht, das Weinfass!“ hört' ein Dicker,
putzt' verlegen seinen Zwicker.
„Lang und Schwank hat keinen Gang!“
hört ein Großer, dem's gelang
seinen Gleichmut zu bewahren.
Und ein andrer, schon in Jahren,
wurde „Zinshahn“ tituliert,
weil ein roter Kopf ihn ziert'.
Jener, der dies Rot entbehrt',
ward als „bleicher Tod“ geehrt.

Und zum König, dessen Kinn
etwas krumm geraten schien,
fiel ihr „Drosselschnabel“ ein
(später litt sie dafür Pein);
wollte Spott zur Grobheit steigern
statt sich höflich zu verweigern!
Nun, das Spottwort ging die Runde
durch des Volkes Lästermunde
und bald sprach man – das traf hart –
über ihn als „Drosselbart“!
Als der Vater das erlebte
und vor Zorn zuinnerst bebte,
schwor er einen argen Eid:
„Tät' es mir auch später leid –
ich vermähle dich dem ersten
Bettler! Mag dein Stolz dran bersten!“

Tage später hob ein Mann
vor dem Schloss zu singen an.
„Lasst ihn kommen!“ rief der König,
und er kam, zerlumpt und wenig
reinlich, sang vor Vater, Tochter
(ihren edlen Anblick mocht er)
dass sie sich für milde Gaben
an den schönen Tönen laben.
„Dein Gesang erfreut mein Leben –
will dir meine Tochter geben!
nimm sie als dein Weib in Hut;
sie ist spöttisch – doch sonst gut.“
Zwar will weinend, voll Entsetzen
sich die Tochter widersetzen –
doch der König machte wahr,
was in ihm der Zorn gebar.
Beide wurden rasch getraut.
Dann befahl der König laut:
„Zieh nun fort mit deinem Schatz,
Bettelweib! Jetzt räumt den Platz!“
(Schrecklich war die Macht der Väter!
doch zum Glück, sie schrumpfte später.)

An des Spielmanns dunkler Hand
zog sie mit ins Nachbarland.
Längs des Wegs erstreckt' sich bald
wunderschön ein tiefer Wald.
„Wem gehört der schöne Hain?“
„Könnte schon der deine sein,
hättst du Drosselbart erwählt,
kürzlich dich mit ihm vermählt!“
„Ach, ich arme Jungfrau zart,
wär ich doch Frau Drosselbart!“
So ging's weiter; Felder, Städte,
was sie sah und gerne hätte,
das gehörte diesem König!
Alles Klagen half nun wenig.
„Frau!“ sagt' da der Bettelmann,
„lange hör ich das nicht an,
schließlich bin ich jetzt der Deine
ebenso wie du die Meine!
Wozu brauchst du einen König?
Bin ich dir vielleicht zu wenig?“
„Ja, zu wenig!“ wollt' sie sagen,
doch das durfte sie nicht wagen;
damals war ein Gatte mächtig –
eine starke Frau verdächtig.
Um ihn nicht noch mehr zu kränken
suchte sie nun abzulenken:
„Sieh dies Häuschen – elend, klein!
Wer mag der Besitzer sein?“
Weh! - der Bettler sagt' sogleich:
„Das ist unser kleines Reich!
Bück dich nur und trete ein,
wirst mit mir hier glücklich sein!“

Sie mit ihm – im Loch da hausen?!
Die Prinzessin packt das Grausen.
„Wo sind Diener?“ will sie wissen.
„Du wirst selber schaffen müssen!
Stell gleich Wasser auf das Feuer,
koch ein Essen. Ungeheuer
hungrig bin ich und ermattet.“
Arme Müde! Nicht gestattet
war ein Rasten noch ein Ruhn.
Und sie wusste nicht, was tun –
wie man feuert, kocht, serviert
hatte sie noch nie probiert.
Also nahm der müde Mann
sich der Dinge selber an –
(das war nicht ganz ungerecht,
beiden ging's ja ziemlich schlecht).
Ach, das war ein karges Essen,
nichts für Prinzen und Prinzessen!
Dann ins Bett – doch ohne Not:
beide schliefen ein, wie tot.
Ja, wer hätte das gedacht?
Sie verschlief die Hochzeitsnacht!

Zeitig schon, ab frühem Morgen
musste sie das Haus besorgen,
und so ging es ein paar Tage;
alles wurde ihr zur Plage.
Auch der Vorrat ging zur Neige.
Dass sie sich geschickter zeige
Korb zu flechten und zu spinnen,
um ein wenig zu verdienen –
diese Hoffnung war vergebens.
„Du Enttäuschung meines Lebens!“,
rief der Mann, „was soll ich machen?
Da, nimm diese Töpfersachen
und verkauf sie aller Welt
auf dem Markt um gutes Geld!“

„Ach, das wäre eine Schande“,
dachte sie, „wenn aus dem Lande
meines Vaters jemand käme
mich verspottete voll Häme!
Doch ich tu's! Ich muss erwerben,
wollen wir nicht Hungers sterben.“
Anfangs ging auch alles gut;
sie verkaufte, fasste Mut,
denn die Schönheit dieser Armen
weckte vielen das Erbarmen.
Und der Gatte? – Mit Bedacht
kauft' er Ware über Nacht,
um den Handel zu vergrößern
und ihr Schicksal zu verbösern.
Doch für diese große Menge
war der alte Platz zu enge;
um die Ware aufzustellen
musste sie ein Markt-Eck wählen.
Da ritt plötzlich ein Husar,
der, so schien's, betrunken war,
(oder war es nur sein Pferd?)
in die Töpfe! All ihr Wert
war mit einem Schlage nichtig!
Und der Täter – reiterflüchtig.

Seht den Scherbenberg! Inmitten
stand sie da und hat gelitten,
hat geweint aus Angst, voll Zagen;
„Was wird jetzt mein Gatte sagen?

Ach, wie wird es mir ergehn?“
Nun, wir werden es gleich sehn.
War es wirklich innre Größe?
denn er sprach zur Frau, nicht böse:
„Wo zwei Straßenzüge laufen,
soll man kein Geschirr verkaufen.
Weine nicht, und hör mir zu:
Für die Arbeitswelt bist du
wohl so ziemlich ungeeignet.
Nun, es hat sich was ereignet,
denn der Küchenchef vom König
nimmt dich auf als Magd, für wenig:
Du erhältst ein freies Essen!
Dabei darfst du nicht vergessen,
die Portion ist gut und groß –
Nahrungssorgen bist du los!“

Die einst Stolze musste nun
saure Küchendienste tun.
Königskind wird Küchenmaid!
Niemand hat das prophezeit.
An der Schürze Seitentaschen
festigte sie mit zwei Laschen
je ein Töpfchen, um im Stillen,
sie mit Resten aufzufüllen
und verborgen heimzutragen
für des Gatten leeren Magen.

Eine Hochzeit ward gerichtet,
höchste Kreise höchst verpflichtet
auf dem Feste zu erscheinen,
denn es ging um keinen Kleinen
dieses Reichs, der unvermählt,
sich nun eine Braut gewählt.

Dass sie nochmals Pracht erschau,
stand die arme schöne Frau
vor der Saaltür zu dem Feste
voll Bewunderung der Gäste,
die, so schien's jetzt, höfisch-schön
in dem Lichtglanz anzusehn.
Welche Pracht und Herrlichkeit!
Wehmut macht' die Seele weit –
Wehmut bohrte ihr im Herzen
wenn sie an das frohe Scherzen
ihrer goldnen Tage dachte,
als sie spielte, neckte, lachte!
Ach, das alles war vergangen,
weil sie einst, im Stolz befangen,
in die Hochmutsfalle glitt
und jetzt bitter dafür litt!
Speiseplatten, unter Plagen,
wurden in den Saal getragen;
manchmal kam ein Rest zurück –
da fiel etwas ab, zum Glück,
für die Töpfchen, die sich füllen
unter...

Erscheint lt. Verlag 29.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
ISBN-10 3-7597-5425-2 / 3759754252
ISBN-13 978-3-7597-5425-7 / 9783759754257
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