Yrsa. Journey of Fate -  Alexandra Bröhm

Yrsa. Journey of Fate (eBook)

Roman | Der Auftakt einer romantischen Wikinger-Dilogie voller nordischer Mythologie
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
608 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3230-7 (ISBN)
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Yrsa ist eine junge Wikingerin, die sich seit vier Jahren allein um ihrem Bruder Sjalfi kümmert. Schmerzvoll haben die beiden ihre Mutter verloren. Als Yrsa eines Tages von der Jagd nach Hause kommt, ist Sjalfi verschwunden. Verzweifelt macht sie sich auf die Suche und den gefährlichen Weg nach Haithabu: durch dunkle Wälder, auf ihren Fersen ein Mann, der sie aufhalten will. Doch Yrsas Traum war immer schon, eine Kämpferin zu werden. Und dies hier wird ihr erster Kampf sein: gegen die unwirtliche Natur, gegen Männer, deren Geheimnisse sie nicht aufdecken soll, für den Glauben an das Gute. Und für die Liebe zu dem jungen Krieger Avidh.

Alexandra Bröhm ist Historikerin und Journalistin. Die Epoche der Wikinger fasziniert sie seit langem. Als sie erfuhr, dass in einem bekannten Kriegergrab kein Mann, sondern eine Frau lag, war für sie klar: Sie wollte die Geschichte einer dieser Kämpferinnen erzählen. Mit dem Bogen trifft die Autorin, trotz eines Kurses, sehr viel schlechter als ihre Heldin.

Kapitel 2


Ihre Hand zittert nicht. Sie spannt die Sehne des Bogens, bis sie sich ihr in die Finger gräbt, atmet ruhig, spürt den Waldboden unter den dünnen Sohlen, lauscht, wie der Wind die Wipfel zerzaust, durch die Blätter fährt. Etwas nur stört sie. Es ist ihr Herzschlag, laut dröhnt er ihr in den Ohren. Yrsa kneift ein Auge zu, sieht Njálls Kopf, die braunen Haare. Der Pfeil würde sich dort hinten, wo es in der Mitte weicher ist, in seinen Schädel bohren. In Gedanken hört sie den Pfeil sirren, die Luft durchschneiden, ein Leben zerreißen. Eine winzige Bewegung nur. Jede Warnung käme zu spät.

Njáll kauert einige Schritte vor ihr, hinter einem dicken Stamm, und gibt ihr ein Zeichen. Sein Winken heißt: nach vorne schleichen, auf gleiche Höhe mit ihm, nach rechts hinter den weitverzweigten Busch. Yrsa löst die Finger, senkt den Bogen und den Blick. Sie muss jetzt bei jeder Bewegung mit den Bäumen verschmelzen, so sachte auftreten, dass kein Beutetier eine Erschütterung spürt.

Dann hockt sie hinter dem Busch, ein Zweig sticht ihr ins Ohr. Sie regt sich nicht, späht durch die Blätter, durch das Astgewirr vor ihren Augen. Jetzt sieht sie den Hasen, einen struppigen Braunen. Er sitzt ein Stück weiter vorne im Dickicht, mümmelt im Takt mit Yrsas Herzschlag. So wie der Wind weht, kann er sie nicht wittern. Wieder legt sie an, atmet ruhig, ihr Herz schlägt leise. Diese Beute ist für ihren Bruder. Sie zieht die Sehne an den Mundwinkel, hält die Luft an und lässt los. Ein Zischen, und der Pfeil steckt. Blut strömt dem Hasen seitlich über das Fell.

»Guter Schuss«, sagt Njáll und kommt aus der Deckung.

Seit zwei Tagen ist Yrsa mit Njáll im Wald unterwegs. Sie jagen zusammen, und Njáll hat Vorräte mitgebracht. Fordert aber auch etwas von ihr.

Sie sind kurz darauf zurück bei der Hütte. Der hölzerne Verschlag liegt gut versteckt im Unterholz. Efeu kriecht an seinen Holzplanken hinauf, Dornenzweige schlingen sich um alles Grün. Helles Moos überzieht das niedrige Dach. Yrsa sieht es schon von Weitem zwischen den Stämmen hervorblitzen. Seit einigen Monden trifft sie sich hier mit Njáll.

»Jetzt setz dich hierhin.« Njáll zeigt auf den Platz neben sich auf dem Stein. Der Stein ist massig, ein Riese muss ihn mitten im Wald abgelegt haben.

»Ich muss los.« Sie streicht sich die Haare aus dem Gesicht. Ein paar Strähnen haben sich aus dem Zopf gelöst.

»Setz dich. Ich mach uns etwas zu essen.« Njáll schichtet Holzscheite in die Feuerstelle vor dem Stein. Seine Arme sind fast so breit wie die Scheite.

»Mein kleiner Bruder wartet.«

»Dein Bruder wartet auch noch länger. Du solltest dich stärken. Spar dir, was du in deinem Beutel hast. Ich brate uns Fleisch von dem dicken Hasen, den du gerade geschossen hast.«

»Den wollte ich mitnehmen.«

»Du hast schon genug in deinem Beutel. Wir können uns bald wiedersehen.«

»Nein, so oft kann ich nicht.« Wenn sie sich treffen, glaubt Njáll, er könne alles bestimmen. Manchmal lässt sie ihn in dem Glauben, aber nicht immer.

Njáll klopft mit der Hand auf den Stein. »Hier.«

Sie zögert. Ihr Hunger ist groß, ihr Hemd klamm, die Kälte kriecht ihr unter die abgetragenen Kleider. Die Aussicht, am Feuer zu sitzen, ist verlockend. Eigentlich muss sie zurück. »Bleib nicht so lange weg«, sagt Sjalfi jedes Mal, wenn sie ihn zum Abschied fest an sich drückt. »Ich komme zurück, so schnell ich kann«, antwortet sie jeweils. Bis vor Kurzem sagte er immer: »Noch ein bisschen schneller als schnell.« Er rief es ihr nach, während sie schon fast im Wald verschwunden war. Beim »schnell« überschlug sich seine Stimme. Es war die Melodie, die sie auf ihren Jagdausflügen begleitete, sein Schutzzauber für sie. »Noch ein bisschen schneller als schnell, noch ein bisschen schneller als schnell.« Vor zwei Tagen sagte er das nicht, als sie losmusste. Auf ihr »Ich komme zurück, so schnell ich kann« nickte er nur und drückte sie kurz. Sie war stolz. Er ist jetzt alt genug und versteht, hat sie gedacht. Aber jetzt mischt sich ein ungutes Gefühl in den Stolz. Sie ist unruhig, will aufbrechen, zurückkehren zu ihm.

Doch schließlich setzt sie sich neben Njáll auf den Stein, beobachtet ihn von der Seite, die Ledermanschetten um seine Unterarme, die Zeichnung auf seiner Haut darunter, die kräftigen Hände. Njáll zupft an seinem Bart. Das tut er manchmal, wenn er in Gedanken ist, zwirbelt die braunen Haare zwischen den Fingern. Sie weiß nicht genau, wie alt Njáll ist, mindestens doppelt so alt wie sie. Er war noch ein Kind, als König Gudfred regierte. Sein langes Hemd und die Hosen sind aus wertvollem Wollstoff und wenig getragen. Njálls Schmiede und sein großer Hof stehen in einem Dorf nicht weit von ihrem.

»Du zitterst. Hast du noch keinen Umhang?«, sagt Njáll.

»Nein. Hast du vielleicht ein warmes Hemd für einen Neunjährigen, das ihr nicht mehr braucht?«

»Ich schaue nach. Und ich bringe dir nächstes Mal einen warmen Umhang. Was hast du mit dem Hacksilber gemacht, das ich dir vor zwei Monden dafür gegeben habe?« Er fasst Yrsa ans Handgelenk, schiebt ihren Ärmel nach hinten. »Und wo ist das Armband, das ich dir geschenkt habe?«

»Ich wollte nicht, dass ich auf der Jagd irgendwo hängen bleibe und es reißt.«

Njáll brummt und scheint ihr zu glauben. Sie hat das Armband im Nachbardorf für Vorräte und neue Schuhe für Sjalfi eingetauscht. Sie will kein Schmuckstück von Njáll tragen.

»Kürzlich kam ein alter Freund in unser Dorf«, sagt Njáll. »Ich bin vor vielen Wintern mit ihm als Wikinger über das Meer gereist. Die Wellen schlugen hoch über unser Boot. Aber er wusste immer, was zu tun war, übertönte mit seiner Stimme sogar die heranbrechenden Wellen. Nur die Götter wissen, wie er das schaffte.«

Njáll lacht und bläst in das Feuer, das er entfacht hat. Er erzählt gerne von früheren Heldentaten. Sie nickt meist nur und denkt an ihren Vater, der bestimmt viel Wilderes erlebt hat. So lange hat sie nichts mehr von ihm gehört.

»Warum kam dein Freund jetzt in euer Dorf?«

»Das will ich gerade erzählen. Sei nicht ungeduldig. Hol mir noch etwas zu trinken.«

Yrsa stößt ihn mit dem Ellbogen in die Seite. »Hol’s dir doch selbst.« Manchmal redet Njáll mit ihr, als wäre sie eine Magd. Vielleicht behandelt er seine Frau auch so, das weiß sie nicht. Er drückt ihr den leeren Becher gegen den Bauch. Sie steht auf, füllt den Becher und setzt sich wieder neben ihn. Sie schaut zu, wie er den Hasen vorbereitet. Ihr Bauch zieht sich vor Hunger zusammen.

»Damals, vor vielen Wintern …«, sagt Njáll, nimmt einen großen Schluck und stochert in der Glut.

»Nein, erzähl mir, warum dein Freund jetzt gekommen ist.« Sie kennt die Geschichte, die mit »damals, vor vielen Wintern« beginnt, schon.

»Bei Thors Hammer, du hast nicht viel Geduld.«

Das stimmt, denkt sie, vor allem nicht, wenn ich nach Hause möchte. »Plant er eine neue Reise?«

»Ja, sie wollen in Hollingstedt aufs Schiff und dann flussabwärts segeln, immer in Richtung der untergehenden Sonne. Die Flut trägt einen mit sich, zwischendurch muss man rudern. Der Fluss zieht weite Kurven, am Ufer versinken deine Füße tief. So kann dir niemand auflauern, um dich auszurauben. Und wenn Njórðr gute Winde schickt, siehst du am zweiten Tag das Meer.«

»Und dann? Wohin wollen sie? Erzähl schon.«

»Wenn sie das Meer erreichen, folgen sie der Küste, immer weiter in Richtung Dorestad.«

»Dorestad? Ich kenne diesen Namen.« Yrsa schaut einen Moment in die Glut. »Jetzt fällt es mir ein, meine Mutter hat mir von dieser Stadt erzählt. Dort leben Menschen, die an nur einen Gott glauben, hat sie gesagt. Und dass sie das, was meine Mutter konnte, nicht erlauben.« Trotzdem dachte sie damals, eine Reise nach Dorestad, das klingt aufregend.

»Nein. Glaube nicht alle Geschichten, die man dir erzählt.« Njáll dreht den Hasen auf dem Feuer.

»Das waren keine Geschichten. Meine Mutter wusste so was.« Yrsa rutscht auf dem Stein so weit wie möglich von ihm weg .

»Ich war noch nie in Dorestad«, sagt Njáll. »Aber man muss weiter reisen als Dorestad, um Orte zu finden, an denen Seherinnen nicht willkommen sind. Außerdem ist es gut für uns, wenn dort viele Menschen an nur einen Gott glauben. Sie bauen Häuser, in denen sie ihren Gott anbeten, und sie bauen noch größere Häuser, in denen sie wohnen und beten. Und die, die dort wohnen, können nicht kämpfen, tragen lange Gewänder. Aber vor allem lagern sie viel Gold und Silber in diesen Häusern. Es ist erstaunlich, wie leicht es ist, ihnen diese Schätze zu rauben.« Njáll nimmt Yrsas Arm und zieht sie wieder näher zu sich.

»Suchen sie noch Krieger, die mitreisen?« Sie streckt den Rücken, schaut Njáll an, spürt ein Kribbeln im Bauch....

Erscheint lt. Verlag 1.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-8437-3230-2 / 3843732302
ISBN-13 978-3-8437-3230-7 / 9783843732307
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