Im Schatten des Imperiums -  Jens Wittenberger

Im Schatten des Imperiums (eBook)

Historischer Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
704 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60836-7 (ISBN)
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Verrat, Intrigen und blutige Kämpfe am Limes 231 n. Chr.: Der junge Römer Marcus wird zur Ausbildung zu seinem Onkel nach Augusta Vindelicum geschickt, unweit des Limes. Dort verliebt er sich in eine mysteriöse germanische Sklavin, die eines Tages spurlos verschwindet. Marcus begibt sich auf die Suche nach ihr, doch er ahnt nicht, dass er geradewegs auf einen tückischen Hinterhalt zusteuert. Unterdessen spitzt sich die politische Lage Roms immer weiter zu. Der junge Kaiser Severus Alexander und seine Legionen konzentrieren sich ganz auf Persien, wo ein blutiger Krieg entbrennt - und machen damit die Grenze zu Germanien verwundbar. Auf diese Gelegenheit haben die Germanen lange gewartet. Schon bald schwebt nicht nur Marcus' Heimat, sondern ganz Rom in höchster Gefahr ...

Jens Wittenberger, geboren 1972, studierte Kommunikationswissenschaften, Psycholinguistik und Theaterwissenschaften in München. Er ist seit fünfundzwanzig Jahren geschäftsführender Gesellschafter eines Personalvermittlungsunternehmens mit Standorten in München und Hamburg und lebt mit seiner Familie in München. Seine Kindheit verbrachte er unweit des ehemaligen römischen Limes. Seit einer seiner Lehrer den Römerschatz von Weißenburg fand, fasziniert ihn die römische Geschichte. »Im Schatten des Imperiums« ist sein Debütroman.

Raetien, Mai 231 n. Chr.


Der Kaiser war umstellt. Drei Barbaren bewegten sich auf ihn zu. Er packte sein Schwert fester, ließ es erwartungsvoll in seinen Händen kreisen, bereit, die Feinde zu durchbohren.

Marcus Aurelius hielt plötzlich inne. »Was ist denn?«, fragte seine achtjährige Stiefschwester Aurelia minor. Ein heftiges Blätterrauschen riss ihn aus seinem Kampf mit den kleinen Figuren, die er vor vielen Jahren selbst geschnitzt und detailgetreu angemalt hatte. Sein Bruder Manius und er konnten aus einem Fundus von vierzig Figuren wählen und ganze Schlachten nachspielen. Die kleine Aurelia war eine dankbare und begeisterte Zuhörerin, die ihn fortwährend motivierte, ihr Geschichten vorzuspielen. Wütend lenkte er seinen Blick auf die schweren schwarzen Wolkenberge und steckte alle Figuren zurück in die Tasche.

»Wir müssen uns beeilen, vielleicht haben wir zu Hause noch Zeit, die Geschichte zu Ende zu spielen«, antwortete er seiner enttäuschten Begleiterin, die den Kopf senkte und ihren Schritt beschleunigte, als er sie an der Hand hinter sich herzog.

Anstatt weiter Kaiser Marc Aurel zu spielen, stolperten sie mit hastigen Schritten den unebenen Pfad zur großen Straße hinunter. Der Korb, in dem er Eier auf Stroh verwahrte, wurde bedenklich durchgeschüttelt, während sie versuchten, dem nahenden Regen zu entkommen.

Er haderte mit dem Wettergott und befingerte das Schwert der kleinen kaiserlichen Spielfigur in seiner Tasche. Marc Aurel. Der beliebte Kaiser, vor rund fünfzig Jahren gestorben, war sein Namenspatron. Er hatte dies seinem Großvater zu verdanken, einem Germanen vom Stamm der Rätovarier, der in die römische Armee eingetreten war. Unmittelbar im Anschluss an eine bedeutende Schlacht gegen die Markomannen war ihm wegen besonderer Tapferkeit vom Kaiser das römische Bürgerrecht verliehen worden. Zu Ehren des Imperators hatte er noch zu dessen Lebzeiten den Namen Aurelius angenommen.

Der Grund für den Besuch auf dem Hof des Nachbarn war ein Tauschhandel. Weil ein Fuchs kürzlich die meisten Hühner seines Vaters gerissen hatte, brachte Marcus Ziegenkäse aus eigener Herstellung zum Hof des Veteranen Valerius Celerinus und erhielt dafür im Gegenzug Eier. Der Hof lag am Hang eines kleinen Berges, der sich zwischen zwei Hügelketten neben dem gemächlich dahintreibenden Fluss Alcmona emporhob. Der Waldrand reichte bis fast an das Hauptgebäude heran. Ein Frühjahrsgewitter am Tag zuvor hatte bei einem der alten Bäume einen schweren Ast abgebrochen, der aufs Dach gestürzt war. Marcus hatte bei den Reparaturarbeiten mitgeholfen, während Aurelia minor mit den gleichaltrigen Töchtern gespielt hatte, weshalb es jetzt später Nachmittag war.

Mehr als eine halbe Stunde Fußmarsch lag noch vor ihnen, als es anfing, in dicken, schweren Tropfen zu regnen. Er gab den Kampf um trockene Füße auf und zog seinen braunen Umhang aus grobem Stoff über der Tunika zu. Eilig streifte er die Kapuze über seine wuscheligen blonden Haare. Seiner Stiefschwester band er ein Tuch um den Kopf. Marcus fröstelte. Bald würde er seinen achtzehnten Geburtstag feiern. Im letzten Jahr war er wider Erwarten noch einmal gewachsen, sodass seine Kleidung nun an manchen Stellen zu kurz geraten schien.

Der Wind vertrieb zornig die milde Frühlingswärme. Binnen weniger Momente peitschte ein Starkregen über die Straße. Kleine Sturzbäche ergossen sich über die Spalten und Platten der Hauptstraße, die von Biriciana über Augusta Vindelicum und von dort als Via Claudia Augusta letztlich bis nach Rom führte.

Marcus stapfte schicksalsergeben den Weg entlang, eingehüllt in den kratzigen Mantel, und nahm Aurelia minor bei der Hand, die Angst vor Gewittern hatte. Als er merkte, dass sie zwar tapfer voranschritt, aber mit den Tränen kämpfte, holte er trotz des Regens erneut zwei Figuren aus der Tasche: Kaiser Marc Aurel und einen Soldaten der Infanterie; er verkörperte auf dem Rückweg seinen älteren Bruder Tatius, der bei den Grenztruppen diente. Er eröffnete ein Selbstgespräch, die kaiserliche Miniatur zeigte mit ihrem Schwert auf ihn. Sofort hatte er die Aufmerksamkeit seiner kleinen Stiefschwester eingefangen, die Tränen schienen wie weggeblasen.

»Ihr da, wann tretet Ihr endlich in die Legion ein? Rom braucht Männer wie Euch!«

»Ehrenwerter Kaiser, ich bin nur ein einfacher Bauer. Ihr könnt auf meinen Bruder zählen. Dies hier ist Tatius«, er hielt die beiden Figuren einander zugewandt. »Mut und Tapferkeit zeichnen ihn aus. Er bewacht die Grenze und schützt Rom vor den Barbaren.« Mit dem Schwert der Figur stieß er in den Regen. Aurelia minor gluckste und strahlte über das ganze Gesicht.

»Darf ich Euch etwas fragen, ehrenwerter Bauer?«

Marcus versuchte, sich vorzustellen, wie ihn der Kaiser um Rat fragte, fand die Vorstellung schließlich aber selbst höchst lächerlich, denn ein Kaiser würde ihn bestenfalls ignorieren.

Trotzdem antwortete er: »Natürlich, Caesar.«

»Seid Ihr gerne Bauer?«

»Bauer zu sein, garantiert ein anständiges Auskommen. Mein größter Wunsch wäre es jedoch, Rom zu dienen, doch das ist mir nicht möglich. Mein Vater braucht meine Hilfe auf dem Hof.«

Marcus stolperte, während er mit den Figuren Zwiesprache hielt, und konnte einen Sturz soeben noch vermeiden. Er fluchte lauthals. Die Straßen befanden sich in einem ruinösen Zustand. Biriciana hatte seit seiner Geburt angeblich fast fünfhundert Einwohner verloren. Der nur wenige Meilen entfernte Grenzwall bot mittlerweile keinen Handelsvorteil mehr, sondern war ein Zeichen für die latente Gefahr, die auf der anderen Seite lauerte.

»Glaubt mir, ehrenwerter Caesar, ich würde lieber heute als morgen in die Armee eintreten, um die Grenzen zu sichern. Doch mir fehlt der Mut meines Bruders. Tatius hat sich gegenüber Vater nach hartem Ringen durchgesetzt. Mir wird er diesen Wunsch ganz sicher verwehren, nur Eure Fürsprache könnte ihn überzeugen.«

»Wirst du auch Soldat werden, Marcus?«, fragte ihn Aurelia minor mit großen Augen.

Er blickte zu Boden und schwieg. Missmutig kickte er einen Stein zur Seite. Völlig abwegig war dieser Gedanke. Er überlegte, wie sein Bruder reagieren würde. Er bewunderte Tatius schon immer. Dessen Selbstbewusstsein hatte nichts von dem Trotz, den er manchmal an den Tag legte, wenn er um etwas kämpfte und es nicht gleich bekam. Man konnte Tatius nur schwer widersprechen. Er besaß Ziele und kämpfte darum mit Worten und Taten.

Hinter ihnen hörte er plötzlich trotz des niederprasselnden Regens die Hufe eines Pferdes aufstampfen. Rasch blickte er über die Schulter und schob instinktiv seine kleine Stiefschwester an die Seite. Es war ein Meldereiter der Armee. Zu seiner Überraschung brachte der Mann direkt neben ihnen sein Pferd zum Stehen. Die letzte Wechselstation musste schon weit zurückliegen, denn das Tier machte einen erschöpften Eindruck und schnaubte atemlos Speichelfäden zu Boden. Was für ein Mistwetter für einen Botenritt, dachte Marcus sich.

»Gehört ihr zur Familie Aurelius?«, fragte der Bote ohne Umschweife und zeigte auf ihren Hof, der schon in Sichtweite lag.

»Ja, ich bin Marcus Aurelius.« Seine Stiefschwester hatte sich hinter ihm versteckt und blickte verstohlen auf den Meldereiter.

»Hier, für deinen Vater.« Der Bote fischte eine Pergamentrolle aus seiner Tasche und übergab sie Marcus, nachdem dieser mit einem Bronzegriffel auf einer Wachstafel quittiert hatte.

Der Reiter wendete und machte sich ohne ein weiteres Wort davon.

Marcus schüttelte den Kopf. Das konnte nur von Onkel Titus sein. Es gab nur wenige Privatpersonen, die das Privileg genossen, Botschaften über das Meldereiterwesen der Armee zu verschicken. Mit Sicherheit hatte er ein Vermögen dafür ausgegeben.

In der Regel stand in der Botschaft nur, wann er eintreffen würde, damit man sich auf seinen Besuch vorbereiten konnte. Doch was mochte diesmal der Grund für die Visite sein?

Onkel Titus hatte immer einen Grund, wenn er einen Besuch abstattete. Für reine Vergnügungsausflüge war er viel zu beschäftigt. Er wusste als viel gereister und erfahrener Händler über die Welt und was in ihr geschah bestens Bescheid. Als älterer Bruder von Marcus’ Vater und Mann mit Kontakten war er so etwas wie ein inoffizielles Familienoberhaupt, sein Rat und sein Wort hatten enormes Gewicht. Marcus zuckte...

Erscheint lt. Verlag 31.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-492-60836-1 / 3492608361
ISBN-13 978-3-492-60836-7 / 9783492608367
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