Freier deutscher Junge (eBook)
240 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-3959-9 (ISBN)
David Frohriep ist Sohn des bekannten DDR-Schauspielerpaares Jürgen Frohriep und Kati Székely, sowie Enkel des Oscar-prämierten Schriftstellers Janos Székely. Er lebt heute in Paris und ist internationaler Kommunikationsexperte und Coach. David Frohriep is the son of the well-known East German actor couple Jürgen Frohriep and Kati Székely, and grandson of the Oscar-winning writer Janos Székely. He now lives in Paris and is an international communications expert and coach.
Eine Amerikanerin verloren in der DDR – Ost-Berlin hinter dem Eisernen Vorhang
Mein Vater, der Fischkopf von der Ostsee
Ich wuchs auf in einer internationalen Familie in der DDR, was mir erlaubte, aus einer etwas anderen Perspektive ein Land zu erleben, in dem Menschen jahrzehntelang eingesperrt waren.
Mein Vater, Jürgen Frohriep, wurde 1928 in Rostock geboren, nur fünf Jahre bevor Hitler die Macht in Deutschland an sich nahm. Er war erst 15 Jahre alt, als er 1943 in der sogenannten »Hitlerjugend« dienen musste. Er hatte britische Bomber abzuschießen, die versuchten, Deutschland vom Faschismus zu befreien. Glücklicherweise überlebte er unverletzt, obwohl eine Bombe ganz in seiner Nähe explodierte.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs war Deutschland zerstört und die Menschen mussten sich neu erfinden, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. So auch mein Vater. Er interessierte sich für Literatur, konnte sich sprachlich gut ausdrücken und hatte die Gabe, Menschen zu unterhalten. Zusammen mit einer Gruppe von Freunden gründete er in Rostock eine Theatergruppe, um die Menschen in ganz Ostdeutschland vom Elend abzulenken. Damit begann die Schauspielkarriere meines Vaters, zunächst im Theater und später als Filmstar.
Unvergesslich ist sein einzigartiger Auftritt in »Sterne«, wo er einen Nazi-Offizier im besetzten Bulgarien spielte, der sich im Konzentrationslager in eine griechische Jüdin verliebte. Zum ersten Mal nach dem Krieg wurde ein Film gedreht, der sich ganz auf den Charakter des deutschen Soldaten als Mensch und nicht ausschließlich als grausamen Nazi konzentrierte.
Mein Vater Jürgen Frohriep
Der Film gewann 1959 bei den Filmfestspielen in Cannes den Spezialpreis der Jury und bedeutete den internationalen Durchbruch meines Vaters in Mittel- und Osteuropa.
Meine Mutter,
das gutgläubige Mädchen
aus New York City
Meine Mutter, Kati Székely, wurde 1941 in New York City geboren, nur wenige Tage vor Pearl Harbor, als Tochter ungarisch-jüdischer Einwanderer, die vor dem Krieg aus Budapest geflohen waren. Mein Großvater, Janos Székely (auch Hans Székely, John S. Toldy/Pen – seine Pseudonyme), war ein bekannter Drehbuchautor und Verfasser mehrerer Romane. Sein berühmtester Roman »Verlockung« erzählt die Geschichte von einem armen Jungen in den 1920er-Jahren in Budapest, der sich ständig neu erfinden muss, um zu überleben.
Für den Film »Arise, My Love« gewann mein Großvater 1940 sogar einen Oscar für die beste Originalgeschichte.*
Janos musste die Vereinigten Staaten 1956 verlassen, als Senator McCarthy hart gegen Kommunisten im öffentlichen Leben vorging.
Zur Erinnerung: Während des Kalten Krieges wurden in den USA Künstler mit nichtkapitalistischen Ansichten zensiert und viele von ihnen verloren ihre Arbeitsverträge oder wurden einfach vom öffentlichen Leben isoliert. In den USA arbeitslos zu sein war keine Option für Janos, also musste er weg. Aber wohin?
Glücklicherweise wurde er vom DDR-Filmstudio DEFA eingeladen, ins kommunistische Berlin zu kommen, um das Drehbuch für einen Film über den ersten Indochinakrieg mit dem Titel »Geschwader Fledermaus« zu schreiben. Er sagte sofort zu und verließ die USA mit seiner Frau Erzsi und meiner Mutter Kati im Gepäck. Meine Mutter war damals gerade 15 Jahre alt, als sie eine neue Welt entdecken sollte.
Sie überquerten den Atlantik mit der Queen Mary, ohne genau zu wissen, was sie auf der anderen Seite des Ozeans und speziell auf der anderen Seite Berlins erwarten würde.
Berlin war im Jahre 1956 eine geteilte Stadt, aber die Grenzen waren noch offen. Es war das Epizentrum des Kalten Krieges zwischen der Sowjetunion und den USA. Das Leben muss surreal gewesen sein in einer Stadt, die im Westteil von den Franzosen, Briten und US-Amerikanern und im Ostteil von den Sowjets verwaltet wurde. Zwei völlig antagonistische Wertesysteme standen sich gegenüber in ein und derselben Stadt. Auf der einen Seite die westliche Demokratie geprägt durch die freie Marktwirtschaft und auf der anderen Seite eine Diktatur mit ihrer kommunistischen Planwirtschaft.
Nur fünf Monate nach ihrer Ankunft wurde meine Mutter für die Rolle des jüdisch-niederländischen Mädchens Anne Frank an den Kammerspielen in Ost-Berlin entdeckt. Welch eine Herausforderung für diesen amerikanischen Teenager, tief in die Welt der Anne Frank während des Zweiten Weltkriegs einzutauchen. Ihre Rolle war ein Durchbruch und markierte den Beginn ihrer Schauspielkarriere. Obwohl sie kaum Deutsch sprach, lernte sie die Rolle der Anne Frank schnell und mit viel Entschlossenheit und Leidenschaft. Ihre Interpretation der Rolle trug dazu bei, dass das Stück ein Riesenerfolg wurde und lange Zeit ausverkauft war. Dort lernte sie auch Eddie kennen, einen zehn Jahre älteren Schauspieler, der ihr Mentor wurde.
Meine Mutter Kati Székely
Sie heirateten schon sehr bald und bekamen ein Baby. Mein Bruder Thomas wurde geboren, als meine Mutter erst neunzehn Jahre alt war. Anfang 1961 lebten sie in einer kleinen Wohnung am Ostbahnhof. Diese war nur hundert Meter von der Stelle entfernt, an der wenige Monate später die Berliner Mauer gebaut werden sollte. Da Thomas allergisch auf normale Milch reagierte, brauchte er ein spezielles Produkt, das meine Mutter in Ost-Berlin nicht finden konnte. Aber da sie so nah am konsumfreudigen West-Berlin wohnte, brauchte sie nur auf die andere Seite zu spazieren. Dort konnte sie besorgen, was Thomas benötigte, um gesund aufwachsen zu können.
Das änderte sich schlagartig in der Nacht des 13. August, als die DDR-Regierung in aller Heimlichkeit beschloss, Drahtzäune zwischen Ost- und West-Berlin zu errichten. Auf diese Weise wollte sie den Exodus der Ostdeutschen in den Westen stoppen. Als meine Mutter morgens aus dem Fenster schaute, traute sie ihren Augen nicht: Die andere Straßenseite war nicht mehr zu erreichen. Thomas brauchte dringend Milch, was sollte sie nun tun?
Stellen Sie sich vor, all dies geschah über Nacht und in Sichtweite der Wohnung meiner Mutter. Ab dem Zeitpunkt war es unmöglich für sie, frei nach West-Berlin einzureisen. Es wurde eine offizielle Grenze errichtet, die für normale DDR-Bürger unüberwindbar war.
Plötzlich gab es zwei Berlins. Die Berliner Mauer wurde gebaut und blieb 28 Jahre lang bestehen. Es begann eines der seltsamsten politischen Experimente der Weltgeschichte, bei dem Menschen und Familien auseinandergerissen wurden, die in der gleichen Stadt wohnten, die gleiche Sprache sprachen und den gleichen kulturellen Hintergrund hatten.
Einige Menschen waren mutig genug, um in den folgenden Tagen, Wochen und Monaten zu fliehen. Manche von ihnen hatten Glück, andere nicht. Am Anfang gab es Drahtzäune, ein paar Jahre später die hohe, weiße und unzugängliche Mauer, die es Menschen unmöglich machte, in den anderen Teil der Stadt zu kommen. Es sei denn, man war bereit, sein Leben zu riskieren.
Und hier war meine Mutter, diese junge, naive Frau, deren Eltern beschlossen hatten, aus dem kapitalistischen New York City ins kommunistische Ost-Berlin zu ziehen. Aber sie hatte keine Angst vor dieser neuen unbekannten Welt, im Gegenteil, sie war aufgeregt. »Ich dachte, dass wir in der DDR eine neue Welt aufbauen. Ich war überzeugt von der Idee und sah mich damals wie ein Revolutionär«, erinnert sich meine Mutter. Sie hatte allerdings zu dem Zeitpunkt noch keine Ahnung, worauf sie sich langfristig eingelassen hatte.
Ein Film wird zur Realität
Anfang der 60er-Jahre war meine Mutter eine bekannte Theater- und Filmschauspielerin in der DDR geworden. Im Jahre 1962 hatte sie die Gelegenheit, in einer Hauptrolle mit Jürgen Frohriep, einem der am meisten bewunderten Filmstars seiner Zeit, in einer Fernsehserie namens »Das grüne Ungeheuer« mitzuwirken. Sie wurden ein Paar auf der Leinwand und sehr bald auch im wirklichen Leben.
Das einzige Problem war, dass meine Eltern während der Dreharbeiten noch mit anderen Partnern verheiratet waren und Kinder aus diesen Beziehungen hatten – meine Halbbrüder Thomas und Kai. Meine Mutter war gerade erst zwanzig. Doch die Liebe zueinander war so viel stärker als der Wunsch beider, ihre bestehenden Ehen am Leben zu erhalten. Folglich ließen sich beide scheiden. So begann das gemeinsame Leben meiner Eltern.
Die DDR-Bürger waren neugierig, wie sich dieses neue »Liebesprojekt« entwickeln würde, und sie wurden nicht enttäuscht.
Dies war der Beginn der Frohriep-Saga und meiner eigenen Geschichte. In den 60er-Jahren füllten meine Eltern die Titelseiten von Zeitschriften und Zeitungen als Vorbild für ein glamouröses Promipaar hinter dem Eisernen Vorhang. Klingt kitschig, aber es ist eine wahre Geschichte, und deshalb bin ich stolz, sie zu erwähnen.
Den Kalten Krieg zu Hause erleben
Die Liebe meiner Eltern zueinander markierte auch den Beginn eines ungewöhnlichen Experiments eines Paares in der DDR mit sehr unterschiedlichen kulturellen Hintergründen.
Meine Mutter besaß einen...
Erscheint lt. Verlag | 27.5.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
ISBN-10 | 3-7597-3959-8 / 3759739598 |
ISBN-13 | 978-3-7597-3959-9 / 9783759739599 |
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