ich grabe nach den bleistiften homers - Werner Weimar-Mazur

ich grabe nach den bleistiften homers

Gedichte
Buch | Softcover
100 Seiten
2024
ATHENA-Verlag
978-3-7455-1176-5 (ISBN)
18,00 inkl. MwSt
Der Schmerz gebiert Poesie, schon seit jeher. Hätte sich Daphne nicht dem Zugriff Apollos entzogen, indem sie sich in einen Lorbeerbaum verwandelte, würde sich heute niemand mehr an ihn als den Gott der Dichtung erinnern. Nie wäre der Mythos vom Poetae laureati mit dem entsprechenden Lorbeerkranz entstanden, hätte es nicht diese tragische Geschichte gegeben. Gleiches gilt für einen weiteren Schutzpatron der Lyrik, nämlich Orpheus. Ohne den Tod seiner Eurydike wäre sein elegischer Gesang auf immer vergessen. Werner Weimar-Mazur, der seine neuen Gedichte schon zu Beginn vor dem epischen Panorama von Odysseus und Homer aufspannt, weiß eben ganz genau um jene kulturgeschichtlich verbürgte, inspirierende Kraft von Trauer und Schwermut. Passend zur Leidensästhetik hat sein von diversen Symptomen geplagtes, lyrisches Ich natürlich sämtliche Medizinbücher studiert. Und so überrascht es kaum, dass die Poeme als solche nicht glattgebügelt erscheinen. Im Gegenteil: »ich lege mein neues portfolio mit dichtung auf / nur ungereimtheiten kein hochglanz«.Wo sich im wahrsten Sinne des Wortes nichts mehr so richtig reimen will, haben wir es oft mit Stückwerk zu tun: »das jahr geht / in die brüche // in den scherben spielen kinder / sammeln glas splitter / allen unrat den ein leben / hinter lassen hat«. Zerbrochenes, Loses, Fetzenartiges findet sich in den Miniaturen. Mal trifft ein Textsubjekt unverhofft darauf, mal entsteht es etwa durch die Einwirkung eines Schlags auf Fensterscheiben. Dann »klirrt aus den splittern ein gedicht«, das erst gar nicht den Versuch unternimmt, einen falschen Trost in einer falschen Welt vorzugaukeln. Die Melancholie, jener dunkle Stern, von dem alle Energie dieses Bandes ausgeht, darf bleiben und für sich wirken. (Aus dem Nachwort von Björn Hayer)

Werner Weimar-Mazur wurde 1955 in Weimar geboren. Er wuchs in Karlsruhe auf, wo er Geologie studierte. Bis 2021 arbeitete er als beratender Ingenieurgeologe. Heute lebt er in Waldkirch in der Nähe von Freiburg. Er schreibt seit 1970 und veröffentlicht seit 1995 Lyrik und Prosa. Mit »ich grabe nach den bleistiften homers« liegt sein sechster Gedichtband vor. Seine Gedichte und Kurzprosa sind in zahlreichen Zeitschriften und Anthologien erschienen. Er ist Mitglied im Literatur Forum Südwest (Literaturhaus Freiburg), in der Literarischen Gesellschaft Thüringen (Weimar), in der Literarischen Gesellschaft Scheffelbund (Karlsruhe) sowie im Netzwerk Lyrik (Berlin).

die melancholie der langen tage die leere wäscheleine vor dem küchenfenster im wind verwehen kindheiten der vater sammelt monde und hängt sie an die wohnzimmerdecke dass sie ein leben erleuchten die mutter brät die aufgeschnittenen hefeklöße vom vortag an hefeklöße mit blaubeeren die jungferngasse am ersten mai klaviermusik durchs offene fenster eine straßenmusik eine wassermusik die orla hinab bis in die saale schräg fällt das licht der leuchtreklame ins zimmer die träume blinken in vielen farben buchstabensuppe ich beginne zu lesen der vater entwirft häuser die er sich nie leisten kann die nie gebaut werden der lagerverwalter führt genau buch die stenotypistin nimmt das diktat auf manchmal wenn es ganz still ist im haus höre ich das geklapper der schreibmaschine oder der bleistift kratzt hieroglyphen aufs papier graffiti aus einer anderen zeit aus einem anderen leben als ob hinter dem vorhang jemand atmet

Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Edition Exemplum
Sprache deutsch
Maße 130 x 210 mm
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
Schlagworte Antike • Litauen • Melancholie • Moderne Lyrik • Polen • Schwarzwald
ISBN-10 3-7455-1176-X / 374551176X
ISBN-13 978-3-7455-1176-5 / 9783745511765
Zustand Neuware
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